24.03.2022

Zur Zurechnung eines aus einer Sperrfristverletzung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG resultierenden Gewinns

Ein Gewinn i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG, den ein Realteiler erzielt, weil er seinen Betrieb, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, innerhalb der Sperrfrist veräußert, ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein diesem Realteiler zuzurechnen.

Kurzbesprechung
BFH v. 23. 11. 2021 - VIII R 14/19

EStG § 16 Abs 3 S 2, § 16 Abs 3 S 3, § 16 Abs 3 S 7, § 16 Abs 3 S 8
AO § 179, § 180 Abs 1 S 1 Nr. 2 Buchst a


Streitig war die Zurechnung eines Gewinns, der aus einer die Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 des EStG verletzenden Betriebsveräußerung der Beigeladenen resultierte.

Die Steuerpflichtige und die Beigeladene waren zu gleichen Teilen an einer GbR beteiligt, die sie im Wege einer (echten) Realteilung zum 30.06.2012 beendet haben. Sie übernahmen die im Rahmen der Realteilung zugeteilten Wirtschaftsgüter jeweils zu Buchwerten in freiberufliche Einzelpraxen, in denen sie ihre ärztliche Tätigkeit nach Auflösung der GbR fortsetzten. Die Auseinandersetzungsvereinbarung enthielt keine Regelungen zu einer Veräußerung oder Entnahme des Gesamthandsvermögens innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG.

Die Beigeladene zeigte dem FA an, dass sie ihre im Wege der Realteilung entstandene Arztpraxis zum 30.09.2013 zu einem Gesamtkaufpreis veräußert habe. Ihres Erachtens sei für die innerhalb der Sperrfrist veräußerten wesentlichen Betriebsgrundlagen rückwirkend auf den Zeitpunkt der Realteilung statt des Buchwertes der gemeine Wert anzusetzen (§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG). Der daraus resultierende Gewinn sei nach dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel zu verteilen. Den auf das Gesamthandsvermögen entfallenden Betrag rechnete das FA jeweils hälftig der Steuerpflichtigen und der Beigeladenen zu.

Die Steuerpflichtige und die Beigeladene hatten die GbR im Wege einer echten Realteilung zunächst gewinnneutral beendet. Infolge der Veräußerung der Praxis der Beigeladenen innerhalb der Sperrfrist des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG ist auf der Ebene der GbR rückwirkend ein Gewinn entstanden, der im Streitfall bestandskräftig als Aufgabegewinn festgestellt ist. Dieser Gewinn ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein der die Sperrfrist verletzenden Realteilerin (der Beigeladenen) zuzurechnen.

§ 16 Abs. 3 Satz 3 EStG enthält eine Sonderregelung für Fälle, in denen bei der Realteilung einzelne Wirtschaftsgüter --nicht aber Teilbetriebe oder Mitunternehmeranteile-- zum Buchwert übertragen und diese dann innerhalb der Sperrfrist veräußert (oder entnommen) werden. Die Anordnung des rückwirkenden Ansatzes des gemeinen Wertes der betroffenen Wirtschaftsgüter soll verhindern, dass die Realteilung der Vorbereitung einer Veräußerung oder Entnahme dient. Der rückwirkende Ansatz des gemeinen Wertes ist nicht nur im Fall der Veräußerung/Entnahme einzelner Wirtschaftsgüter innerhalb der Sperrfrist geboten, sondern auch dann, wenn sämtliche der betroffenen Wirtschaftsgüter im Rahmen einer Betriebsveräußerung übertragen werden.

Im Streitfall war der aus der Sperrfristverletzung resultierende Gewinn bestandskräftig auf der Ebene der Gesellschaft als Aufgabegewinn festgestellt. Dieser aus der Sperrfristverletzung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG resultierende Gewinn ist, wenn der Realteiler --wie im Streitfall-- seinen gesamten Betrieb veräußert, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein diesem Realteiler zuzurechnen.

Demgegenüber handelt es sich bei der Veräußerung wesentlicher Betriebsgrundlagen, die nach einer Realteilung zu Buchwerten (§ 16 Abs. 3 Satz 2 EStG) als Sperrfristverletzung eines Realteilers i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG zu beurteilen ist, nicht um eine gemeinschaftlich verwirklichte Entnahme der Realteilungsgesellschaft. In den Fällen des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG beruht die Gewinnrealisierung auf einer der Realteilung zeitlich nachfolgenden Sperrfristverletzung eines Realteilers, die die übrigen ehemaligen Mitunternehmer nicht verhindern können. Für diesen Fall bestimmt das Gesetz, dass für das veräußerte Wirtschaftsgut nachträglich auf Ebene der Realteilungsgesellschaft der gemeine Wert angesetzt wird, wodurch ein "Mehrgewinn" entsteht. § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG sieht nach seinem Wortlaut allein den rückwirkenden Ansatz des gemeinen Wertes der betroffenen Wirtschaftsgüter vor, enthält jedoch keine Aussage zur Zurechnung des so entstehenden Gewinns. Die Regelung fingiert auch keine nachträgliche gemeinschaftliche Veräußerung des Wirtschaftsguts auf Ebene der Realteilungsgesellschaft. Vielmehr lässt sie die Zuteilung der Wirtschaftsgüter der Gesellschaft an die Realteiler, die Kapitalkontenanpassung (Buchwerte der Realteiler), die Verlagerung der stillen Reserven auf die Gesellschafter und die Buchwertfortführung für das übrige Betriebsvermögen unberührt.

Der aus der Sperrfristverletzung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG resultierende Gewinn ist, wenn der Realteiler --wie im Streitfall-- seinen gesamten Betrieb veräußert, in den er die im Rahmen der Realteilung übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen zum Buchwert übertragen hat, gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein diesem Realteiler zuzurechnen. In den Fällen des § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG beruht die Gewinnrealisierung auf einer der Realteilung zeitlich nachfolgenden Sperrfristverletzung eines Realteilers, die die übrigen ehemaligen Mitunternehmer nicht verhindern können. Für diesen Fall bestimmt das Gesetz, dass für das veräußerte Wirtschaftsgut nachträglich auf Ebene der Realteilungsgesellschaft der gemeine Wert angesetzt wird, wodurch ein "Mehrgewinn" entsteht.

Der so rückwirkend durch eine Betriebsveräußerung entstehende Gewinn ist gemäß § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG allein dem die Sperrfrist verletzenden Realteiler zuzurechnen. § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG stellt eine Sonderregelung für die Ermittlung des Aufgabegewinns bei Mitunternehmerschaften dar. Sie schreibt nicht allein den Ansatz des gemeinen Wertes vor, sondern regelt auch die Gewinnzurechnung. Die Norm rechnet dem einzelnen Beteiligten im Fall der aufgabebedingten Übernahme von Wirtschaftsgütern unmittelbar das zu, was er tatsächlich erhält. Dementsprechend ist § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG als spezielle Gewinnzuweisungsnorm zu verstehen, die die Gewinnverteilung vom allgemeinen Gewinnverteilungsmaßstab loslöst. Durch den gemäß § 16 Abs. 3 Satz 3 EStG gebotenen rückwirkenden Ansatz des gemeinen Wertes für sämtliche übernommenen wesentlichen Betriebsgrundlagen des ehemaligen Gesamthandsvermögens kommt es im Zusammenhang mit der --zunächst gewinnneutralen-- Realteilung zu einer der Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 Satz 8 EStG vergleichbaren Situation. Der die Sperrfrist verletzende Realteiler ist so zu stellen, als habe er seine unternehmerische Tätigkeit bereits im Zeitpunkt der Realteilung unter Aufdeckung der in den von ihm übernommenen Wirtschaftsgütern des ehemaligen Gesamthandsvermögens ruhenden stillen Reserven aufgegeben. Ihm ist unmittelbar das zuzurechnen, was er im Rahmen der Realteilung erhalten hat. Der die Sperrfrist verletzende Gesellschafter versteuert damit jene stillen Reserven, die er einerseits im Zuge der Realteilung übernommen und andererseits selbst durch sein Verhalten realisiert hat. Der (rückwirkend) entstehende Gewinn ist dem veräußernden Realteiler danach allein zuzurechnen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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