Zurechnung von Grundstücken nach Abschluss einer Vereinbarungstreuhand
Kurzbesprechung
BFH v. 14. 12. 2022 - II R 40/20
GrEStG § 1 Abs 1 Nr. 1, § 1 Abs 2, § 1 Abs 3 Nr. 3, § 1 Abs 2a, § 1 Abs 2b, § 17 Abs 3 S 1 Nr. 2
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG nicht in Betracht kommt, u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG).
Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung.
Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr dagegen nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.
Ein einer anderen Gesellschaft zuzurechnendes inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang (hinsichtlich der Anteile an dieser Gesellschaft) zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht.
Dasselbe gilt, wenn ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 95 % (heute 90 %) sinkt oder der grundbesitzenden Gesellschaft nach den unter (a) genannten Grundsätzen das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist.
Soweit der BFH für Erwerb und Verlust der Zurechnung bisher auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG abgestellt hat, läuft die Formulierung für Erwerbe nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG, die lediglich eine neue Gesellschaft fingieren und bei denen sich die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung nicht ändert, leer. Der BFH hält daher insoweit an seiner bisher vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Entsprechendes gilt für die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke des § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) und Abs. 3a GrEStG, denn auch diese Tatbestände betreffen Gesellschaften, denen ein Grundstück "gehört". Die Verwirklichung von anderen Erwerbstatbeständen nach § 1 GrEStG bleibt hiervon ausdrücklich unberührt.
Die vorstehenden Grundsätze finden auch bei mehrstöckigen Beteiligungen Anwendung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt dagegen nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.
Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dadurch sollen Sachverhalte erfasst werden, bei denen es zwar nicht ‑ wie in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG ‑ zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit im Außenverhältnis kommt, bei denen der Eigentümer einem anderen aber im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann.
Eine Verwertungsbefugnis des Auftraggebers i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG kann auch bei Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten gegeben sein. In solchen Fällen unterliegt gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG die damit dem Auftraggeber verschaffte Verwertungsbefugnis der Grunderwerbsteuer. Da dieser Steuertatbestand ebenso wie die Tatbestände des § 1 Abs. 1, Abs. 2a (heute auch Abs. 2b), Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG den wirtschaftlichen Zugriff auf das Grundstück zu erfassen suchen, hält es der BFH für gerechtfertigt, bei Auseinanderfallen von Eigentum und Verwertungsbefugnis die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke jener Erwerbstatbestände an die Verwertungsbefugnis und nicht mehr an das wirtschaftlich bedeutungslos gewordene Eigentum anzuknüpfen. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt, so dass die in Rede stehenden Grundstücke dem Treuhänder grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren.
Verlag Dr. Otto Schmidt
GrEStG § 1 Abs 1 Nr. 1, § 1 Abs 2, § 1 Abs 3 Nr. 3, § 1 Abs 2a, § 1 Abs 2b, § 17 Abs 3 S 1 Nr. 2
Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG nicht in Betracht kommt, u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG).
Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung.
Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr dagegen nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.
Ein einer anderen Gesellschaft zuzurechnendes inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang (hinsichtlich der Anteile an dieser Gesellschaft) zuzurechnen, wenn sie zuvor hinsichtlich dieses Grundstücks einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden (fiktiven) Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr jedoch in dem Moment nicht mehr zuzurechnen, in dem ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht.
Dasselbe gilt, wenn ihre Beteiligung an der grundbesitzenden Gesellschaft unter 95 % (heute 90 %) sinkt oder der grundbesitzenden Gesellschaft nach den unter (a) genannten Grundsätzen das Grundstück nicht mehr zuzurechnen ist.
Soweit der BFH für Erwerb und Verlust der Zurechnung bisher auf Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 1 bis 3a GrEStG abgestellt hat, läuft die Formulierung für Erwerbe nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG, die lediglich eine neue Gesellschaft fingieren und bei denen sich die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung nicht ändert, leer. Der BFH hält daher insoweit an seiner bisher vertretenen Auffassung nicht mehr fest. Entsprechendes gilt für die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke des § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) und Abs. 3a GrEStG, denn auch diese Tatbestände betreffen Gesellschaften, denen ein Grundstück "gehört". Die Verwirklichung von anderen Erwerbstatbeständen nach § 1 GrEStG bleibt hiervon ausdrücklich unberührt.
Die vorstehenden Grundsätze finden auch bei mehrstöckigen Beteiligungen Anwendung. Ein Grundstück einer Untergesellschaft ist einer Obergesellschaft grunderwerbsteuerrechtlich nur zuzurechnen, wenn die Obergesellschaft selbst es aufgrund eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 oder Abs. 3a GrEStG erworben hat. Der bloße Erwerb des Grundstücks durch die Untergesellschaft führt dagegen nicht zu einer automatischen Zurechnung bei der Obergesellschaft bzw. im Falle mehrstöckiger Beteiligungsketten bei den Obergesellschaften. Das bloße Halten einer Beteiligung in einer bestimmten Höhe stellt selbst keinen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgang dar.
Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dadurch sollen Sachverhalte erfasst werden, bei denen es zwar nicht ‑ wie in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG ‑ zu einem Rechtsträgerwechsel, d.h. zu einer Änderung der Rechtszuständigkeit im Außenverhältnis kommt, bei denen der Eigentümer einem anderen aber im Innenverhältnis so weitgehende Möglichkeiten zur Einflussnahme hinsichtlich des Grundstücks einräumt, dass dieser und nicht mehr der Eigentümer über die Verwertung des Grundstücks entscheiden kann.
Eine Verwertungsbefugnis des Auftraggebers i.S. von § 1 Abs. 2 GrEStG kann auch bei Vereinbarung eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Auftraggeber und dem Beauftragten gegeben sein. In solchen Fällen unterliegt gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG die damit dem Auftraggeber verschaffte Verwertungsbefugnis der Grunderwerbsteuer. Da dieser Steuertatbestand ebenso wie die Tatbestände des § 1 Abs. 1, Abs. 2a (heute auch Abs. 2b), Abs. 3 und Abs. 3a GrEStG den wirtschaftlichen Zugriff auf das Grundstück zu erfassen suchen, hält es der BFH für gerechtfertigt, bei Auseinanderfallen von Eigentum und Verwertungsbefugnis die Zurechnung eines Grundstücks für Zwecke jener Erwerbstatbestände an die Verwertungsbefugnis und nicht mehr an das wirtschaftlich bedeutungslos gewordene Eigentum anzuknüpfen. Diese Voraussetzungen waren im Streitfall erfüllt, so dass die in Rede stehenden Grundstücke dem Treuhänder grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen waren.