Zusammenveranlagung trotz langjähriger räumlicher Trennung
FG Münster 22.2.2017, 7 K 2441/15 EDie Kläger sind seit 1991 verheiratet und haben einen im selben Jahr geborenen Sohn. Im Jahr 2001 war die Klägerin mit dem Sohn aus dem bis dahin gemeinsam bewohnten Einfamilienhaus zunächst in eine Mietwohnung und später in eine Eigentumswohnung gezogen. Für das Streitjahr 2012 führte das Finanzamt zunächst eine Zusammenveranlagung für die Kläger durch, gelangte aber nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin zu der Auffassung, dass die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorlägen und veranlagte die Kläger nunmehr einzeln zur Einkommensteuer.
Die Kläger trugen daraufhin vor, dass sie lediglich räumlich, nicht aber persönlich und geistig getrennt lebten. Der Auszug der als Ärztin voll berufstätigen Klägerin im Jahr 2001 sei durch die schwierige familiäre Situation mit der im selben Haus lebenden pflegebedürftigen Mutter des Klägers begründet gewesen. Allerdings hätten sich beide Eheleute weiterhin regelmäßig abends und an Wochenenden getroffen und gemeinsame Ausflüge, Urlaube und sonntägliche Kirchenbesuche unternommen. Die Kosten hierfür sowie den Unterhalt des gemeinsamen Sohnes hätten beide stets gemeinsam getragen. Andere Partner habe es niemals gegeben. Außerdem plane man, auf einem gemeinsam erworbenen Grundstück einen Bungalow zu errichten, um dort wieder zusammenzuziehen.
Das Finanzamt blieb bei der Auffassung, dass die Eheleute dauerhaft getrennt lebten und demnach die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung nicht erfüllt seien. Das FG gab der Klage statt. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt ist verpflichtet, für das Streitjahr 2012 eine Zusammenveranlagung der Kläger durchzuführen.
Nach BFH-Rechtsprechung leben Ehegatten dauernd getrennt i.S.d. § 26 Abs. 1 EStG, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mehr besteht. Dabei ist unter Lebensgemeinschaft die räumliche, persönliche und geistige Gemeinschaft der Ehegatten, unter Wirtschaftsgemeinschaft die gemeinsame Erledigung der die Ehegatten gemeinsam berührenden wirtschaftlichen Fragen ihres Zusammenlebens, namentlich die gemeinsame Entscheidung über die Verwendung des Familieneinkommens, zu verstehen.
Im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung ist aber auch der inneren Einstellung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft entscheidungserhebliche Bedeutung beizumessen. Eine eheliche Lebensgemeinschaft erfordert wenigstens das Fortbestehen einer Wirtschaftsgemeinschaft als Rest einer weitergehenden Lebensgemeinschaft, die aber weiterhin angestrebt werden muss. Leben Ehegatten zwar für eine nicht absehbare Zeit räumlich voneinander getrennt und halten sie die eheliche Wirtschaftsgemeinschaft dadurch aufrecht, dass sie die sie berührenden wirtschaftlichen Fragen gemeinsam erledigen und gemeinsam über die Verwendung des Familieneinkommens entscheiden, so kann dies - ggf. zusammen mit anderen Umständen - dazu führen, dass ein nicht dauerndes Getrenntleben anzunehmen ist.
Nach persönlicher Anhörung der Kläger und Vernehmung des Sohnes sprach das Gesamtbild dafür, dass die Kläger nicht dauernd getrennt lebten. In der heutigen Zeit sind nämlich auch Formen des räumlich getrennten Zusammenlebens ("living apart together") üblich, was es als glaubhaft erscheinen lässt, dass die Kläger ihre persönliche und geistige Gemeinschaft trotz der räumlichen Trennung aufrechterhalten haben. Die Schilderungen der Kläger wurden auch durch den Plan untermauert, in einem gemeinsam zu errichtenden Bungalow wieder zusammenzuziehen. Schließlich haben die Kläger auch die bestehende Wirtschaftsgemeinschaft unverändert fortgeführt, da sie weiterhin beide die Kosten für den Sohn und gemeinsame Unternehmungen getragen hatten. Im Übrigen ist es unschädlich, dass die Kläger grundsätzlich getrennt wirtschaften und getrennte Konten führen. Dies ist heutzutage auch bei räumlich zusammenlebenden Eheleuten üblich.
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