23.01.2018

Zur Haftung des als Erfüllungsgehilfe eines Beraters tätigen Anwalts

Wird der Anwalt als Erfüllungsgehilfe eines Beraters tätig, haftet er dem Vertragspartner des Geschäftsherrn in der Regel nicht.

BGH 7.12.2017, IX ZR 45/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin beabsichtigte, in Rumänien eine Milchviehanlage zu erwerben, zu modernisieren und zu erweitern und dazu EU-Fördermittel in Anspruch zu nehmen. Sie schloss mit einer unter der Bezeichnung "e." firmierenden Gesellschaft einen Vertrag, nach welchem diese sie bei dem Vorhaben gegen ein Erfolgshonorar von 1,2 Mio. € zzgl. Umsatzsteuer beraten und unterstützen sollte. Die anwaltliche Beratung sollte dem Vertrag nach ausschließlich durch den Beklagten erfolgen.

Die Klägerin schloss sodann einen Darlehensvertrag mit der H. Ltd., einer Genossenschaftsbank mit Sitz in London. Die Gesamtinvestitionssumme von rd. 15,6 Mio. € sollte zu 45 % aus nicht rückzahlbaren EU-Fördermitteln stammen und zu 45 % mit einem Kredit der H finanziert werden. Voraussetzung der Auszahlung des Darlehens war der Erwerb von Genossenschaftsanteilen an der H. Der Eigenanteil der Klägerin von 10 % sollte mit Hilfe eines Eigenwechsels der Klägerin aufgebracht werden. Der Beklagte eröffnete ein Anderkonto, auf welches die Klägerin Beträge von rd. 116.000 € für Wechselspesen und rd. 79.000 € für den Erwerb von Genossenschaftsanteilen an der H überwies. Auf Weisung der H leitete er das Geld an einen Dr. A. weiter. Wenige Tage später wurde ein Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der H geschlossen. Die Darlehensvaluta wurden nicht ausgezahlt. Auch die Fördermittel wurden nicht bewilligt. Die Klägerin verwirklichte ihr Projekt anderweitig.

Die Klägerin verlangt vom Beklagten vorliegend Rückzahlung der auf das Anderkonto überwiesenen 195.00 € nebst Zinsen. Sie behauptet, mit dem Beklagten vereinbart zu haben, dass das Geld erst dann an die H weitergeleitet werden dürfe, wenn die Fördermittel bewilligt und das Darlehn ausgezahlt worden seien.

Das LG wies die Klage ab. Das OLG gab ihr statt und verurteilte den Beklagten im Wesentlichen antragsgemäß. Auf die Revision des Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG zurück.

Die Gründe:
Die Klägerin kann keine Ansprüche aus dem zwischen der Gesellschaft und dem Beklagten geschlossenen Beratungsvertrag herleiten. Dieser Vertrag entfaltete keine Schutzwirkung zugunsten der Klägerin.

Auch Verträge über anwaltliche Leistungen können Schutzwirkungen für Dritte entfalten. Voraussetzung der Einbeziehung Dritter in den Schutzbereich eines Vertrages ist, dass der Dritte bestimmungsgemäß mit der vom Anwalt geschuldeten Leistung in Berührung kommt, dass der Vertragspartner des Anwalts ein eigenes Interesse an der Einbeziehung des Dritten hat, dass der Anwalt die Leistungsnähe des Dritten und das Einbeziehungsinteresse seines Vertragspartners erkennen kann und dass der Dritte wegen des Fehlens eigener Ansprüche schutzbedürftig ist. Ausgeschlossen ist ein zusätzlicher Rechtsschutz regelmäßig dann, wenn der Dritte wegen des verfahrensgegenständlichen Sachverhalts bereits über einen inhaltsgleichen vertraglichen Anspruch verfügt. Ob der Anspruch finanziell durchsetzbar ist, ist unerheblich. Durch die Einbeziehung des Dritten ändern sich die Pflichten nicht, welche der Anwalt dem Mandanten gegenüber übernommen hat.

Die Klägerin ist nicht schutzbedürftig. Ihr steht wegen der von ihr beanstandeten Beratungsfehler ggf. ein Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft zu, als deren Erfüllungsgehilfe der Beklagte tätig war. Die Gesellschaft hatte die Beratung und Unterstützung der Klägerin im Zusammenhang mit dem beabsichtigten Erwerb der Milchviehanlage in Rumänien einschließlich der Finanzierung und der Beantragung der Fördermittel übernommen. Der Beklagte war nicht Partei dieses Vertrages. Dem Vertrag zwischen der Klägerin und der Gesellschaft zufolge sollte der Beklagte "die anwaltliche Beratung bezüglich der Vertragsgestaltung des Projekts" übernehmen, jedoch nicht aufgrund eines mit der Klägerin geschlossenen Anwaltsvertrages, sondern aufgrund eines Auftrags der Gesellschaft. Die rechtliche Beratung war also nicht ausschließlich vom Beklagten geschuldet. Der Beklagte hatte zwar alle auftretenden rechtlichen Fragen zu klären und die Verträge zu gestalten. Im Verhältnis zur Klägerin schuldete jedoch ausschließlich die Gesellschaft die genannten Leistungen.

Dem eigenen Vortrag der Klägerin nach bezahlte die Gesellschaft die Beratungsleistungen, die der Beklagte zu erbringen hatte; sie gab diese Kosten im Rahmen des ihr zustehenden Honorars an die Klägerin weiter. Gem. § 278 S. 1 BGB hat der Geschäftsherr ein Verschulden der Personen, deren er sich zur Erfüllung seiner Verbindlichkeit bedient, in gleichem Umfang zu vertreten wie ein eigenes Verschulden. Berücksichtigten die Verträge, welche die von der Gesellschaft unterstützte und beratene Klägerin im Zusammenhang mit der Finanzierung schloss, nicht hinreichend die Interessen der Klägerin, sahen sie etwa ungesicherte Vorleistungen vor, war der Rückzahlungsanspruch der Klägerin im Falle eines Scheiterns des Antrags auf Fördermittel oder des Darlehensvertrages nicht hinreichend gesichert oder war der Vertragspartner erkennbar unseriös, hat die Gesellschaft für daraus entstandene Schäden einzustehen.

Gleiches gilt, wenn die Beratungsleistungen der Gesellschaft unzulänglich waren, etwa weil sie die Klägerin nicht über die mit den ungesicherten Vorleistungen oder der fehlenden Absicherung des Rückzahlungsanspruchs verbundenen Risiken aufgeklärt hat. Eines zusätzlichen Anspruchs gegen den Beklagten als den Erfüllungsgehilfen der Gesellschaft bedarf es nicht. Nach allgemeinen Grundsätzen haftet der Erfüllungsgehilfe dem Vertragspartner seines Geschäftsherrn nicht unmittelbar. Das gilt auch dann, wenn der Vertragspartner den Erfüllungsgehilfen mit ausgewählt hat oder sich wie hier ausdrücklich mit dem Einsatz eines bestimmten Erfüllungsgehilfen einverstanden erklärt hat.

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