Allgemeiner Gerichtsstand einer GmbH in Gemeinden mit mehreren Amtsgerichtsbezirken
OLG Frankfurt a.M. v. 30.3.2023 - 11 UH 8/23
Der Sachverhalt:
Die Gläubigerin hat bei dem AG Stuttgart einen Vollstreckungsbescheid gegen die Schuldnerin erwirkt, deren Sitz in das Handelsregister des AG (Berlin-) Charlottenburg mit "Berlin" eingetragen ist. Außerdem ist dort als Geschäftsanschrift mit dem Zusatz "c/o" eine Steuerberatungsgesellschaft mit einer Adresse in Frankfurt a.M. eingetragen.
Die Gläubigerin beantragte beim AG Frankfurt a.M. den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Das AG bat um Vortrag zur örtlichen Zuständigkeit und damit zum Sitz der Schuldnerin, der "üblicherweise mit dem Ort der Eintragung identisch" sei. Die Gläubigerin beantragte Verweisung an das "örtlich zuständige Vollstreckungsgericht, das AG Berlin-Charlottenburg", denn die Schuldnerin sei dort eingetragen. Das AG Frankfurt a.M erklärte sich für örtlich unzuständig und gab die Sache an das AG Charlottenburg ab, weil dort der Sitz der Schuldnerin liege. Auch das AG Charlottenburg - Vollstreckungsgericht - erklärte sich für örtlich unzuständig und legte die Sache dem OLG Frankfurt a.M. zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 I Nr. 6, II ZPO vor, da sich der Sitz der Schuldnerin nicht im dortigen Bezirk befinde. Die Zuständigkeit richte sich mangels anderer Anhaltspunkte nach der Geschäftsanschrift in Frankfurt.
Das OLG bestimmte das AG Charlottenburg als zuständiges Vollstreckungsgericht. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Vollstreckungsgericht ist gem. § 828 II ZPO das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Fehlt es an einem solchen, ist es das Amtsgericht, bei dem nach § 23 ZPO gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann.
In Fällen, in denen eine Gemeinde - wie Berlin - in mehrere (Amts-) Gerichtsbezirke zerfällt, sich der satzungsmäßige Sitz einer GmbH aber in der Angabe der Gemeinde erschöpft, ist ein Sitz der Gesellschaft in allen erfassten Amtsgerichtsbezirken (hier in allen Amtsgerichtsbezirken in Berlin) mit der Folge anzunehmen, dass die Gläubigerin das zuständige Gericht gemäß § 35 ZPO auswählen kann. Die in Betracht kommenden Gerichte sind dann (nur) in Bezug auf andere Amtsgerichte gem. § 802 ZPO ausschließlich zuständig. Die Situation entspricht damit derjenigen bei Annahme eines Doppelsitzes einer Gesellschaft.
Der allgemeine Gerichtsstand der Schuldnerin als juristischer Person wird gem. § 17 I ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Der Sitz der Schuldnerin, einer Unternehmergesellschaft als Sonderform der GmbH, ist gem. § 4a GmbHG der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Das gilt auch, wenn sich der Verwaltungssitz an einem anderen Ort befindet. Der Satzungssitz muss nicht in örtlichem Zusammenhang mit der Betriebsstätte oder der Hauptverwaltung stehen.
Satzungsgemäßer Sitz der Schuldnerin ist, wovon die beiden Amtsgerichte und auch die Gläubigerin ausgehen und was durch den vom Senat angeforderten Handelsregisterauszug bestätigt wird, Berlin. Nach den Feststellungen des AG Charlottenburg lässt sich der satzungsmäßige Sitz der Schuldnerin innerhalb Berlins nicht näher bestimmen. Eine solche nähere Bestimmung ergibt sich auch nicht aus dem Senat vorliegenden Handelsregisterauszug. Dies rechtfertigt entgegen der jedenfalls bisherigen Auffassung des Kammergerichts (KG v. 11.10.2007 - 2 AR 41/07) nicht, bei der Frage der amtsgerichtlichen Zuständigkeit auf einen außerhalb Berlins liegenden Verwaltungsort abzustellen. Dagegen spricht schon, dass sich dann der allgemeine Gerichtsstand bei sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts in Berlin, bei der des Amtsgerichts aber an einem anderen Ort befände. Es steht auch aufgrund der Sitzbestimmung für Berlin fest, dass die Schuldnerin ihren Sitz dort und nicht in Frankfurt a.M. hat.
Die Gläubigerin hat ihr Wahlrecht mit dem Antrag auf Verweisung an das AG Charlottenburg ausgeübt.
Mehr zum Thema:
Link zum Volltext der Entscheidung
Rechtsprechung:
Allgemeiner Gerichtsstand einer GmbH in Gemeinden mit mehreren Amtsgerichtsbezirken
OLG Frankfurt vom 29.4.2021 - 11 SV 16/21
GmbHR 2021, 882
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Die Gläubigerin hat bei dem AG Stuttgart einen Vollstreckungsbescheid gegen die Schuldnerin erwirkt, deren Sitz in das Handelsregister des AG (Berlin-) Charlottenburg mit "Berlin" eingetragen ist. Außerdem ist dort als Geschäftsanschrift mit dem Zusatz "c/o" eine Steuerberatungsgesellschaft mit einer Adresse in Frankfurt a.M. eingetragen.
Die Gläubigerin beantragte beim AG Frankfurt a.M. den Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses. Das AG bat um Vortrag zur örtlichen Zuständigkeit und damit zum Sitz der Schuldnerin, der "üblicherweise mit dem Ort der Eintragung identisch" sei. Die Gläubigerin beantragte Verweisung an das "örtlich zuständige Vollstreckungsgericht, das AG Berlin-Charlottenburg", denn die Schuldnerin sei dort eingetragen. Das AG Frankfurt a.M erklärte sich für örtlich unzuständig und gab die Sache an das AG Charlottenburg ab, weil dort der Sitz der Schuldnerin liege. Auch das AG Charlottenburg - Vollstreckungsgericht - erklärte sich für örtlich unzuständig und legte die Sache dem OLG Frankfurt a.M. zur Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 I Nr. 6, II ZPO vor, da sich der Sitz der Schuldnerin nicht im dortigen Bezirk befinde. Die Zuständigkeit richte sich mangels anderer Anhaltspunkte nach der Geschäftsanschrift in Frankfurt.
Das OLG bestimmte das AG Charlottenburg als zuständiges Vollstreckungsgericht. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die Gründe:
Vollstreckungsgericht ist gem. § 828 II ZPO das Amtsgericht, bei dem der Schuldner im Inland seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Fehlt es an einem solchen, ist es das Amtsgericht, bei dem nach § 23 ZPO gegen den Schuldner Klage erhoben werden kann.
In Fällen, in denen eine Gemeinde - wie Berlin - in mehrere (Amts-) Gerichtsbezirke zerfällt, sich der satzungsmäßige Sitz einer GmbH aber in der Angabe der Gemeinde erschöpft, ist ein Sitz der Gesellschaft in allen erfassten Amtsgerichtsbezirken (hier in allen Amtsgerichtsbezirken in Berlin) mit der Folge anzunehmen, dass die Gläubigerin das zuständige Gericht gemäß § 35 ZPO auswählen kann. Die in Betracht kommenden Gerichte sind dann (nur) in Bezug auf andere Amtsgerichte gem. § 802 ZPO ausschließlich zuständig. Die Situation entspricht damit derjenigen bei Annahme eines Doppelsitzes einer Gesellschaft.
Der allgemeine Gerichtsstand der Schuldnerin als juristischer Person wird gem. § 17 I ZPO durch ihren Sitz bestimmt. Der Sitz der Schuldnerin, einer Unternehmergesellschaft als Sonderform der GmbH, ist gem. § 4a GmbHG der Ort im Inland, den der Gesellschaftsvertrag bestimmt. Das gilt auch, wenn sich der Verwaltungssitz an einem anderen Ort befindet. Der Satzungssitz muss nicht in örtlichem Zusammenhang mit der Betriebsstätte oder der Hauptverwaltung stehen.
Satzungsgemäßer Sitz der Schuldnerin ist, wovon die beiden Amtsgerichte und auch die Gläubigerin ausgehen und was durch den vom Senat angeforderten Handelsregisterauszug bestätigt wird, Berlin. Nach den Feststellungen des AG Charlottenburg lässt sich der satzungsmäßige Sitz der Schuldnerin innerhalb Berlins nicht näher bestimmen. Eine solche nähere Bestimmung ergibt sich auch nicht aus dem Senat vorliegenden Handelsregisterauszug. Dies rechtfertigt entgegen der jedenfalls bisherigen Auffassung des Kammergerichts (KG v. 11.10.2007 - 2 AR 41/07) nicht, bei der Frage der amtsgerichtlichen Zuständigkeit auf einen außerhalb Berlins liegenden Verwaltungsort abzustellen. Dagegen spricht schon, dass sich dann der allgemeine Gerichtsstand bei sachlicher Zuständigkeit des Landgerichts in Berlin, bei der des Amtsgerichts aber an einem anderen Ort befände. Es steht auch aufgrund der Sitzbestimmung für Berlin fest, dass die Schuldnerin ihren Sitz dort und nicht in Frankfurt a.M. hat.
Die Gläubigerin hat ihr Wahlrecht mit dem Antrag auf Verweisung an das AG Charlottenburg ausgeübt.
Link zum Volltext der Entscheidung
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Allgemeiner Gerichtsstand einer GmbH in Gemeinden mit mehreren Amtsgerichtsbezirken
OLG Frankfurt vom 29.4.2021 - 11 SV 16/21
GmbHR 2021, 882
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