11.09.2023

Ansprüche gegen Drittgesellschaft: Stimmverbot für GmbH-Gesellschafter mit alleiniger Kontrolle über die Drittgesellschaft

Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben. Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der GmbH-Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen.

BGH v. 8.8.2023 - II ZR 13/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH. Weitere Gesellschafterinnen der Beklagten sind neben anderen mit einem Anteil am Stammkapital von jeweils 26,084% Frau D. , die zudem Geschäftsführerin der Beklagten ist, und Frau M. Frau D. und Frau M. sind daneben mit einer jeweils hälftigen Beteiligung Gesellschafterinnen der T. GmbH, deren Geschäftsführerin ebenfalls Frau D. ist. Beide Gesellschafterinnen sind darüber hinaus neben dem Kläger und weiteren Gesellschaftern Kommanditistinnen der T. GmbH u. Co. KG (im Folgenden: T. KG), deren Komplementärin die Beklagte ist.

Die T. KG ist Inhaberin verschiedener beim Deutschen Patent- und Markenamt eingetragener Marken, u.a. der Marke "H. Original". Seit 1994 bestand zwischen der T. KG und der T. GmbH ein Vertrag, auf dessen Grundlage die Markenrechte von der T. GmbH gegen Zahlung eines Entgelts von jährlich 90.000 € genutzt werden konnten. Ab August 2017 wurden beim Deutschen Patent- und Markenamt auf Veranlassung von Frau D. für die T. GmbH verschiedene vom Kläger als Konkurrenzmarken angesehene Marken der Produktserie "H." angemeldet und im Oktober 2018 eingetragen.

Am 30.7.2019 fand eine Gesellschafterversammlung der Beklagten statt, die u.a. folgende Tagesordnungspunkte vorsah:

"TOP 13. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen D. gem. § 46 Nr. 8 GmbHG wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit mit dem Unternehmen T. GmbH sowie wegen Anmeldung und des Eintrages der Konkurrenzmarke "H. Collection" beim Deutschen Patent- und Markenamt, einschließlich deren wirtschaftlicher Nutzung im Rahmen der verbotswidrigen Konkurrenztätigkeit, sowie Bestellung eines Prozessvertreters der Gesellschaft für die gerichtliche Durchsetzung solcher Schadensersatzansprüche gem. § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG sowie etwaiger Maßnahmen des einstweiligen Rechtsschutzes und deren Abwehr. Zustimmung der Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei. Kostentragung durch die Gesellschaft.
TOP 14. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen Frau M. wegen verbotswidriger Konkurrenztätigkeit.
TOP 15. - Beschlussfassung über die Geltendmachung von Schadensersatzforderungen gegenüber der T. GmbH."


Der Versammlungsleiter stellte nach der Abstimmung unter Zählung der Stimmen der Gesellschafterinnen D. und M. fest, dass die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 abgelehnt worden seien. Am 31.7.2019 beantragte Frau D. die Umschreibung der im Oktober 2018 eingetragenen Marken von der T. GmbH auf die T. KG, die dann auch erfolgte. Der Kläger begehrt die Nichtigerklärung der ablehnenden Beschlüsse. Weiter verlangt er die Feststellung, dass die jeweiligen Beschlüsse gefasst wurden sowie, über die Beschlussanträge in der Gesellschafterversammlung hinausgehend, ihn als Prozessvertreter zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche in allen drei Fällen einzusetzen (Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15)).

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und gab der Berufung hinsichtlich der Berufungsanträge zu 11 (TOP 13), 12 (TOP 14) und 13 (TOP 15) statt. Die weitergehende Revision hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das OLG hat rechtsfehlerhaft angenommen, dass zu TOP 15 ein ablehnender Beschluss gefasst wurde. Entgegen der Auffassung des OLG unterlagen die Gesellschafterinnen D. und M. einem Stimmverbot. Bei der Beschlussfassung über die Einleitung eines Rechtsstreits gegen eine Drittgesellschaft oder über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft unterliegen diejenigen GmbH-Gesellschafter einem Stimmverbot, die zusammen alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben.

Der Beschlussantrag zum TOP 15 hat die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der T. GmbH zum Gegenstand. Ist ein GmbH-Gesellschafter Alleingesellschafter einer Drittgesellschaft, besteht nach der Rechtsprechung des BGH zu § 47 Abs. 4 GmbHG für ihn ein Stimmverbot bei einer Beschlussfassung, die die Vornahme eines Rechtsgeschäfts oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits gegen diese Drittgesellschaft betrifft. Aus dem in § 47 Abs. 4 GmbHG zum Ausdruck kommenden Grundgedanken, dass niemand Richter in eigener Sache sein darf, folgt zudem ein Stimmverbot bei der Beschlussfassung über die außergerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen gegen die Drittgesellschaft. Diese Grundsätze gelten entsprechend, wenn mehrere Gesellschafter einer GmbH alle Anteile an der Drittgesellschaft innehaben. In diesem Fall ist die wirtschaftliche Verbindung so stark, dass man das persönliche Interesse der GmbH-Gesellschafter mit dem der Drittgesellschaft gleichsetzen kann. Das in der anderweitigen Beteiligung der GmbH-Gesellschafter verkörperte Interesse schließt dann bei Entscheidungen über Rechtsgeschäfte oder die Einleitung oder Erledigung eines Rechtsstreits mit der Drittgesellschaft oder die außergerichtliche Anspruchsverfolgung eine unbefangene Stimmabgabe in der Regel aus und bedeutet deshalb für die GmbH eine erhebliche Gefahr. Nach diesen Grundsätzen hatten die Gesellschafterinnen der Beklagten D. und M. bei der Abstimmung über die Geltendmachung von Ansprüchen gegenüber der T. GmbH kein Stimmrecht, weil sie mit jeweils 50 % an dieser beteiligt sind.

Soweit die Revision in Bezug auf die Nichtigerklärung der Ablehnung der Beschlussanträge und die positive Beschlussfeststellung zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung Erfolg hat, war das angefochtene Urteil aufzuheben (§ 563 Abs. 2 ZPO). Der Senat hatte nach § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist. Die zu den TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 30.7.2019 gefassten Beschlüsse sind für nichtig zu erklären, die beantragten Beschlüsse sind festzustellen.

Zu Recht wendet die Beklagte ein, dass die Anträge des Klägers auf positive Beschlussfeststellung über die der Gesellschafterversammlung der Beklagten vorliegenden Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 hinausgehen. Dies führt aber nicht zur Abweisung der positiven Beschlussfeststellungsklage insgesamt, sondern nur zur Zurückweisung der Revision im überschießenden Umfang. Das Gericht darf im Rahmen der positiven Beschlussfeststellungsklage nicht an Stelle der Gesellschafter entscheiden und einen Beschluss feststellen, der so nicht zur Abstimmung der Gesellschafter in der Gesellschafterversammlung stand. Es kann nur das Ergebnis einer tatsächlich erfolgten Willensbildung feststellen. Danach bleibt die mit den Berufungsanträgen 11, 12 und 13 begehrte Feststellung erfolglos, soweit sie über die Beschlussanträge zu TOP 13, 14 und 15 der Gesellschafterversammlung hinausgehen.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | GmbHG
§ 47 Abstimmung (12. Auflage 2021)
Karsten Schmidt in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar. Band I 13. Aufl. 2022, Band II 12. Aufl. 2021, Band III 12. Aufl. 2021

Kommentierung | GmbHG
§ 48 Gesellschafterversammlung (12. Auflage 2021)
Seibt in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar. Band I 13. Aufl. 2022, Band II 12. Aufl. 2021, Band III 12. Aufl. 2021

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