Auflösung einer KG durch einfachen Mehrheitsbeschluss
LG Mannheim v. 18.3.2021, 21 O 1/20
Der Sachverhalt:
Die Kläger wenden sich als Minderheitsgesellschafter einer GmbH und Co. KG (nachfolgend: Gesellschaft) gegen mit den Stimmen des Beklagten zu 2) in seiner Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter am 16.10.2019 gefasste Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zur Auflösung der Gesellschaft. Zum Vermögen der Gesellschaft gehören bzw. gehörten insbesondere drei größere Gewerbe- bzw. Industrieimmobilien. Per Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 25.9.2015 wurde mit der Stimmenmehrheit des Beklagten zu 2) die Veräußerung zweier Grundstücke beschlossen und in der Folge an die A. - eine damals zu 100% der Ehefrau des Beklagten zu 2) gehörende Gesellschaft - umgesetzt.
Der Gesellschaftsvertrag vom 24.9.1997 enthält unter Ziff. 7.1. auszugsweise folgende Klausel:
"Soweit dieser Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt, werden alle Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefaßt. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen."
Die Kläger waren der Ansicht, die Beschlüsse seien schon nicht von der Mehrheitsklausel des Gesellschaftsvertrags gedeckt, sodass die - im Gesellschaftsvertrag nirgends explizit geregelte - Auflösung und Liquidation der Gesellschaft nur einstimmig habe beschlossen werden können. Dies ergebe eine historische und systematische Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB, wobei diese sich nach dem Willen der Gesellschafter zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages im Jahr 1997 richten müsse. Zu dieser Zeit habe im Hinblick auf die Reichweite einer allgemeinen Mehrheitsklausel noch der Bestimmtheitsgrundsatz gegolten, was im Rahmen der Auslegung der Mehrheitsklausel Berücksichtigung finden müsse.
Das LG wies die Klage ab und gab den Hilfswiderklagen statt.
Die Gründe:
Die Kläger haben weder Anspruch auf Feststellung, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH und Co. KG vom 16.10.2019 nichtig sind noch darauf, dass diese für nichtig erklärt werde. Dagegen hat der Beklagte zu 2) als Gesellschafter gem. §§ 16, 108, 131 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 Satz 1, 148 Abs. 1 Satz 1 und 161 Abs. 2 HGB einen Anspruch darauf, dass die Kläger als Mitgesellschafter an der Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft sowie der Beklagten zu 1) als Liquidatorin zum Handelsregister mitwirken.
Sämtliche gefassten Beschlüsse sind von der Mehrheitsklausel aus § 7.1 des Gesellschaftsvertrags gedeckt. Da es sich bei der Auflösung einer Gesellschaft nicht um einen Eingriff in ein unentziehbares Recht handelt, trägt der formell wirksame gefasste Gesellschafterbeschluss seine materielle Rechtfertigung in sich, sodass die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat. Und daran fehlte es hier.
Dem früheren Bestimmtheitsgrundsatz für die formelle Legitimation einer Mehrheitsentscheidung nach der BGH-Rechtsprechung kommt keine Bedeutung mehr zu. Damit erübrigen sich all die Argumente der Kläger, nach denen allein aus der Nichtnennung der Auflösung der Gesellschaft und der damit in Zusammenhang stehenden Personal- und Verfahrensfragen im Gesellschaftsvertrag der Schluss gezogen werden soll, dass für die Auflösung das - grundsätzlich dispositive gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB) gelte.
Der Wortlaut der Klausel in § 7 GV ist eindeutig: Danach werden "soweit dieser Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt" "alle" Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefasst. Eine anderweitige Regelung für die Auflösung der Gesellschaft gibt es nicht. Vielmehr haben sich die Gesellschafter damals sehr wohl Gedanken gemacht, in welchen konkreten Fällen Abweichungen von der allgemeinen Mehrheitsklausel Platz greifen sollen: So sollen z.B. nach § 7.1 Abs. 2 GV erst dann, wenn der Beklagte zu 2) nicht mehr Gesellschafter ist, alle Gesellschaftsgruppen (dazu § 3.3 GV) "gleiches Stimmrecht" haben. Daraus kann geschlossen werden, dass dies vor diesem Zeitpunkt - und mangels abweichender Regelung insoweit sachlich unbeschränkt - nicht der Fall sein sollte.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem (einer historischen Auslegung zuzurechnenden) Umstand, dass zur Zeit des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags im Jahr 1997 die Leitentscheidung des BGH aus dem Jahr 2014 (Az.: II ZR 84/13) noch nicht bekannt war und deshalb weiterhin bei der Auslegung auf den Bestimmtheitsgrundsatz oder jedenfalls auf den vor dem Hintergrund der damals vorgeblich noch bestehenden Notwendigkeit einer katalogmäßigen Aufzählung der einer einfachen Mehrheitsentscheidung zugänglichen Gegenstände gebildeten Willen der Parteien abzustellen wäre.
Sowohl das BGH-Urteil (s.o.) als auch das vom 13.10.2020 (Az.: II ZR 359/18) hatten beide Klauseln aus Gesellschaftsverträgen zum Gegenstand, die - wie hier - weit vor dem Entscheidungszeitpunkt erstellt wurden; derjenige, der der letztgenannten Entscheidung zugrunde lag, stammt sogar aus dem Jahr 1976 (!) und damit aus einer Zeit, als die sog. Zwei-Stufen-Theorie noch nicht existierte. Dennoch wurde das zweistufige Prüfkonzept auch hier angewandt und die Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes ausdrücklich negiert.
Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Die Kläger wenden sich als Minderheitsgesellschafter einer GmbH und Co. KG (nachfolgend: Gesellschaft) gegen mit den Stimmen des Beklagten zu 2) in seiner Eigenschaft als Mehrheitsgesellschafter am 16.10.2019 gefasste Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zur Auflösung der Gesellschaft. Zum Vermögen der Gesellschaft gehören bzw. gehörten insbesondere drei größere Gewerbe- bzw. Industrieimmobilien. Per Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 25.9.2015 wurde mit der Stimmenmehrheit des Beklagten zu 2) die Veräußerung zweier Grundstücke beschlossen und in der Folge an die A. - eine damals zu 100% der Ehefrau des Beklagten zu 2) gehörende Gesellschaft - umgesetzt.
Der Gesellschaftsvertrag vom 24.9.1997 enthält unter Ziff. 7.1. auszugsweise folgende Klausel:
"Soweit dieser Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt, werden alle Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefaßt. Stimmenthaltungen gelten als nicht abgegebene Stimmen."
Die Kläger waren der Ansicht, die Beschlüsse seien schon nicht von der Mehrheitsklausel des Gesellschaftsvertrags gedeckt, sodass die - im Gesellschaftsvertrag nirgends explizit geregelte - Auflösung und Liquidation der Gesellschaft nur einstimmig habe beschlossen werden können. Dies ergebe eine historische und systematische Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB, wobei diese sich nach dem Willen der Gesellschafter zum Zeitpunkt des Abschlusses des Gesellschaftsvertrages im Jahr 1997 richten müsse. Zu dieser Zeit habe im Hinblick auf die Reichweite einer allgemeinen Mehrheitsklausel noch der Bestimmtheitsgrundsatz gegolten, was im Rahmen der Auslegung der Mehrheitsklausel Berücksichtigung finden müsse.
Das LG wies die Klage ab und gab den Hilfswiderklagen statt.
Die Gründe:
Die Kläger haben weder Anspruch auf Feststellung, dass die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der GmbH und Co. KG vom 16.10.2019 nichtig sind noch darauf, dass diese für nichtig erklärt werde. Dagegen hat der Beklagte zu 2) als Gesellschafter gem. §§ 16, 108, 131 Abs. 1 Nr. 2, 143 Abs. 1 Satz 1, 148 Abs. 1 Satz 1 und 161 Abs. 2 HGB einen Anspruch darauf, dass die Kläger als Mitgesellschafter an der Anmeldung der Auflösung der Gesellschaft sowie der Beklagten zu 1) als Liquidatorin zum Handelsregister mitwirken.
Sämtliche gefassten Beschlüsse sind von der Mehrheitsklausel aus § 7.1 des Gesellschaftsvertrags gedeckt. Da es sich bei der Auflösung einer Gesellschaft nicht um einen Eingriff in ein unentziehbares Recht handelt, trägt der formell wirksame gefasste Gesellschafterbeschluss seine materielle Rechtfertigung in sich, sodass die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsentscheidung zu führen hat. Und daran fehlte es hier.
Dem früheren Bestimmtheitsgrundsatz für die formelle Legitimation einer Mehrheitsentscheidung nach der BGH-Rechtsprechung kommt keine Bedeutung mehr zu. Damit erübrigen sich all die Argumente der Kläger, nach denen allein aus der Nichtnennung der Auflösung der Gesellschaft und der damit in Zusammenhang stehenden Personal- und Verfahrensfragen im Gesellschaftsvertrag der Schluss gezogen werden soll, dass für die Auflösung das - grundsätzlich dispositive gesetzliche Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB, § 119 Abs. 1 HGB) gelte.
Der Wortlaut der Klausel in § 7 GV ist eindeutig: Danach werden "soweit dieser Gesellschaftsvertrag nicht etwas anderes bestimmt" "alle" Beschlüsse mit Mehrheit der Stimmen aller Gesellschafter gefasst. Eine anderweitige Regelung für die Auflösung der Gesellschaft gibt es nicht. Vielmehr haben sich die Gesellschafter damals sehr wohl Gedanken gemacht, in welchen konkreten Fällen Abweichungen von der allgemeinen Mehrheitsklausel Platz greifen sollen: So sollen z.B. nach § 7.1 Abs. 2 GV erst dann, wenn der Beklagte zu 2) nicht mehr Gesellschafter ist, alle Gesellschaftsgruppen (dazu § 3.3 GV) "gleiches Stimmrecht" haben. Daraus kann geschlossen werden, dass dies vor diesem Zeitpunkt - und mangels abweichender Regelung insoweit sachlich unbeschränkt - nicht der Fall sein sollte.
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem (einer historischen Auslegung zuzurechnenden) Umstand, dass zur Zeit des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags im Jahr 1997 die Leitentscheidung des BGH aus dem Jahr 2014 (Az.: II ZR 84/13) noch nicht bekannt war und deshalb weiterhin bei der Auslegung auf den Bestimmtheitsgrundsatz oder jedenfalls auf den vor dem Hintergrund der damals vorgeblich noch bestehenden Notwendigkeit einer katalogmäßigen Aufzählung der einer einfachen Mehrheitsentscheidung zugänglichen Gegenstände gebildeten Willen der Parteien abzustellen wäre.
Sowohl das BGH-Urteil (s.o.) als auch das vom 13.10.2020 (Az.: II ZR 359/18) hatten beide Klauseln aus Gesellschaftsverträgen zum Gegenstand, die - wie hier - weit vor dem Entscheidungszeitpunkt erstellt wurden; derjenige, der der letztgenannten Entscheidung zugrunde lag, stammt sogar aus dem Jahr 1976 (!) und damit aus einer Zeit, als die sog. Zwei-Stufen-Theorie noch nicht existierte. Dennoch wurde das zweistufige Prüfkonzept auch hier angewandt und die Geltung des Bestimmtheitsgrundsatzes ausdrücklich negiert.