Einziehung von Geschäftsanteilen trotz negativer Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG
BGH v. 10.11.2020 - II ZR 211/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger gründete 2011 mit L. die beklagte GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €. Jeder Gesellschafter hielt einen Geschäftsanteil von 12.500 €, in der Gesellschafterliste eingetragen mit den laufenden Nrn. 1 und 2. In der Gesellschafterversammlung vom 17.4.2015 beschloss L. die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers. Am 26.5.2015 wurde R. anstelle von L. als Inhaber des Geschäftsanteils mit der laufenden Nr. 1 in die Gesellschafterliste eingetragen. Am 4.6.2015 wurde eine neue Gesellschafterliste in den Registerordner eingestellt, nach deren Inhalt lediglich R. als Inhaber eines Geschäftsanteils mit dem Nennbetrag von 12.500 € eingetragen war, während der Anteil des Klägers mit der laufenden Nr. 2 durchgestrichen und als "nach Einziehung erloschen" gekennzeichnet war. Am 30.8.2016 beschloss R. erneut die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers.
Der Kläger klagte erfolgreich auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse über die Einziehung seines Geschäftsanteils. Die Berufung der Beklagten wurde mit Urteil im Juni 2019 zurückgewiesen.
Mit Vertrag vom 20.9.2016 übertrug R. seinen Geschäftsanteil auf die N. GmbH. Am 18.10.2016 wurde eine Gesellschafterliste in den Registerordner eingestellt, in der die N. GmbH mit einem Geschäftsanteil von 12.500 € mit der laufenden Nr. 1 ausgewiesen war. Der Geschäftsanteil mit der laufenden Nr. 2 wurde weiterhin als "nach Einziehung erloschen" geführt.
Am 20.10.2017 wurde eine "Zwischenliste" in den Registerordner eingestellt, die die N. GmbH als Inhaberin eines einzigen Geschäftsanteils mit einem Nennbetrag von 25.000 € und der laufenden Nr. 1 auswies. Der Geschäftsanteil mit der laufenden Nr. 2 war in der Liste nicht mehr enthalten. Auf einer Gesellschafterversammlung vom selben Tag, zu der der Kläger eingeladen war, beschlossen die N. GmbH und die H. GmbH die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers, weil dieser gepfändet worden war. Der Einziehungsbeschluss wurde dem Kläger am Tag der Versammlung bekannt gegeben.
Am 23.10.2017 wurde eine "2. Zwischenliste" in den Registerordner eingestellt, die die Bildung von 25.000 Geschäftsanteilen mit einem Nennwert von jeweils 1 € und den laufenden Nrn. 1 bis 25.000 auswies, die von der N. GmbH gehalten wurden. Am 24.10.2017 wurde eine Gesellschafterliste in den Registerordner eingestellt, nach der die N. GmbH 80 % der Anteile (20.000 €, laufende Nrn. 1 bis 20.000) und die H. GmbH 20 % der Anteile (5.000 €, laufende Nrn. 20.001 bis 25.000) hielten.
Das LG hat die Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses vom 20.10.2017 festgestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.
Der BGH hat nun das Urteil nach Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Gründe:
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 sei ins Leere gegangen, weil die Einziehung einen nach der Gesellschafterliste nicht existenten Geschäftsanteil betroffen habe. Eine GmbH ist durch die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG nicht gehindert, einen nach einem möglicherweise fehlgeschlagenen Einziehungsversuch aus der Gesellschafterliste entfernten, aber materiell bestehenden Geschäftsanteil aus einem in der Person des materiell berechtigten Gesellschafters liegenden wichtigen Grund einzuziehen.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging nicht deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil des Klägers bereits am 17.4.2015 und am 30.8.2016 eingezogen worden war. Aufgrund der Entscheidung des Berufungsgerichts vom 8.5.2019 steht rechtskräftig fest, dass diese Einziehungsbeschlüsse nichtig waren.
Dass bei der Beschlussfassung am 20.10.2017 unklar war, ob die vorangehenden Einziehungsbeschlüsse wirksam waren und der Geschäftsanteil noch bestand, steht der erneuten Einziehung nicht entgegen. Der neue Beschluss ist erkennbar für den Fall gefasst, dass die Unwirksamkeit der früheren Einziehungsbeschlüsse festgestellt wird und der Kläger damit entgegen der im Vorprozess vertretenen Auffassung der Beklagten noch Inhaber der Geschäftsanteile ist. In der neuerlichen Beschlussfassung liegt kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten; vielmehr hat sie ein anerkennenswertes Interesse, Zweifel an der Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses durch die Neuvornahme des Beschlusses auszuräumen oder für den Fall des Fehlschlagens eines Einziehungsversuchs wegen neu aufgetretener oder bekannt gewordener Einziehungsgründe den Geschäftsanteil vorsorglich noch einmal einzuziehen.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging auch nicht deshalb ins Leere, weil der eingezogene Geschäftsanteil mit der Nr. 2 in der Gesellschafterliste nicht mehr einem Inhaber zugeordnet war. Es war nicht erforderlich, dass die Gesellschaft vor der Einziehung eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichte, in der der materiell berechtigte Gesellschafter wieder als Inhaber des einzuziehenden Geschäftsanteils eingetragen war. Da die im Geschäftsanteil verkörperte materiell-rechtliche Gesellschafterstellung nicht von der Eintragung des einzuziehenden Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste abhängt, war auch die Wirksamkeit der Einziehung allein vom materiellen Bestehen des Geschäftsanteils abhängig.
Durch die Löschung des Geschäftsanteils des Klägers aus der Gesellschafterliste der Beklagten wurde dessen durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vermittelte formale Gesellschafterstellung unabhängig von der Wirksamkeit der ersten Einziehungsversuche beendet, so dass er der Beklagten ggü. keine Mitgliedschaftsrechte mehr geltend machen konnte.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Greift diese Vermutung, stehen dem als Inhaber eines Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste Eingetragenen sämtliche Mitgliedschaftsrechte zu, ohne dass es auf seine wahre Berechtigung ankommt. Diese Legitimationswirkung greift auch bei einem eingezogenen Geschäftsanteil.
Wird der Inhaber eines Geschäftsanteils nach dessen Einziehung in der Gesellschafterliste gestrichen, kann der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer ihn nicht mehr aufführenden Gesellschafterliste zum Handelsregister seine mitgliedschaftlichen Rechte nicht länger ausüben.
Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG greift nicht nur bei der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte. Der in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragene Inhaber eines Geschäftsanteils darf auch für mitgliedschaftliche Pflichten herangezogen werden. Der Senat hat bisher offengelassen, ob die Gesellschaft bei der Einziehung statt auf den Listengesellschafter auch auf die Person des materiell berechtigten Gesellschafters abstellen darf, weil § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG seinem Wortlaut nach nur das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft (d.h. für die Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten) regelt und daher im Verhältnis der Gesellschaft zum Gesellschafter (d.h. bei Mitgliedschaftspflichten, Kaduzierung, Einziehung u.a.) die Gesellschaft neben einem in der Liste eingetragenen den wahren Anteilsinhaber in Anspruch nehmen kann. Nicht entschieden ist auch, ob aus diesen Gründen die sog. negative Legitimationswirkung infolge des Streichens in der Gesellschafterliste nur bedeutet, dass die Gesellschaft dem Gesellschafter keine Mitgliedschaftsrechte gewähren muss, oder ob sie ihn nicht mehr als Gesellschafter behandeln darf.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging aber nicht schon deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil infolge der Streichung in der Gesellschaferliste nicht mehr existent und der Kläger nicht mehr Inhaber des Geschäftsanteils war. Zwar ist die formale Gesellschafterstellung des von der Einziehung Betroffenen nach Streichung des Geschäftsanteils aus der Liste beendet. Dies wirkt sich jedoch nicht auf die materielle Berechtigung des Gesellschafters aus, auf die sich die Einziehung bezieht.
Materielle und formale Gesellschafterstellung können entkoppelt sein. Der materiell Berechtigte, aber nicht mehr in der Gesellschafterliste Aufgeführte ist zwar in der Ausübung seiner Rechte ggü. der Gesellschaft gehindert, verliert aber nicht seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung. Die materiellrechtliche Gesellschafterstellung ist unabhängig von der Eintragung in der Gesellschafterliste.
Auch wenn der Gesellschafter im Hinblick auf die negative Legitimationswirkung keine Mitgliedschaftsrechte ggü. der Gesellschaft mehr geltend machen kann, ist er als materiell Berechtigter Inhaber des Geschäftsanteils, so dass er ihn beispielsweise wirksam abtreten und verpfänden kann und auch seine Gläubiger den Geschäftsanteil pfänden können.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging danach nicht ins Leere, weil der Geschäftsanteil in der Gesellschafterliste als eingezogen gestrichen war, sondern betraf trotz Streichung in der Liste einen materiell-rechtlich existenten Geschäftsanteil. Die vorausgegangenen Einziehungsbeschlüsse vom 17.4.2015 und vom 30.8.2016 waren nichtig und konnten damit den Geschäftsanteil des Klägers nicht vernichten.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 konnte ggü. dem Kläger gefasst werden, obwohl dieser mit seinem Geschäftsanteil nicht mehr in der aktuellen Gesellschafterliste aufgenommen war. Dabei kann dahinstehen, ob die negative Legitimationswirkung von § 16 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich bedeutet, dass die Gesellschaft einen zwar materiell berechtigten, aber nicht in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter weder in Anspruch nehmen noch gegen ihn vorgehen darf. Jedenfalls nach einem möglicherweise gescheiterten Einziehungsversuch kann die Gesellschaft vorsorglich erneut die Einziehung eines Geschäftsanteils beschließen, auch wenn dieser Geschäftsanteil nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen oder einem Gesellschafter zugeordnet ist.
BGH online
Der Kläger gründete 2011 mit L. die beklagte GmbH mit einem Stammkapital von 25.000 €. Jeder Gesellschafter hielt einen Geschäftsanteil von 12.500 €, in der Gesellschafterliste eingetragen mit den laufenden Nrn. 1 und 2. In der Gesellschafterversammlung vom 17.4.2015 beschloss L. die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers. Am 26.5.2015 wurde R. anstelle von L. als Inhaber des Geschäftsanteils mit der laufenden Nr. 1 in die Gesellschafterliste eingetragen. Am 4.6.2015 wurde eine neue Gesellschafterliste in den Registerordner eingestellt, nach deren Inhalt lediglich R. als Inhaber eines Geschäftsanteils mit dem Nennbetrag von 12.500 € eingetragen war, während der Anteil des Klägers mit der laufenden Nr. 2 durchgestrichen und als "nach Einziehung erloschen" gekennzeichnet war. Am 30.8.2016 beschloss R. erneut die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers.
Der Kläger klagte erfolgreich auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse über die Einziehung seines Geschäftsanteils. Die Berufung der Beklagten wurde mit Urteil im Juni 2019 zurückgewiesen.
Mit Vertrag vom 20.9.2016 übertrug R. seinen Geschäftsanteil auf die N. GmbH. Am 18.10.2016 wurde eine Gesellschafterliste in den Registerordner eingestellt, in der die N. GmbH mit einem Geschäftsanteil von 12.500 € mit der laufenden Nr. 1 ausgewiesen war. Der Geschäftsanteil mit der laufenden Nr. 2 wurde weiterhin als "nach Einziehung erloschen" geführt.
Am 20.10.2017 wurde eine "Zwischenliste" in den Registerordner eingestellt, die die N. GmbH als Inhaberin eines einzigen Geschäftsanteils mit einem Nennbetrag von 25.000 € und der laufenden Nr. 1 auswies. Der Geschäftsanteil mit der laufenden Nr. 2 war in der Liste nicht mehr enthalten. Auf einer Gesellschafterversammlung vom selben Tag, zu der der Kläger eingeladen war, beschlossen die N. GmbH und die H. GmbH die Einziehung des Geschäftsanteils des Klägers, weil dieser gepfändet worden war. Der Einziehungsbeschluss wurde dem Kläger am Tag der Versammlung bekannt gegeben.
Am 23.10.2017 wurde eine "2. Zwischenliste" in den Registerordner eingestellt, die die Bildung von 25.000 Geschäftsanteilen mit einem Nennwert von jeweils 1 € und den laufenden Nrn. 1 bis 25.000 auswies, die von der N. GmbH gehalten wurden. Am 24.10.2017 wurde eine Gesellschafterliste in den Registerordner eingestellt, nach der die N. GmbH 80 % der Anteile (20.000 €, laufende Nrn. 1 bis 20.000) und die H. GmbH 20 % der Anteile (5.000 €, laufende Nrn. 20.001 bis 25.000) hielten.
Das LG hat die Nichtigkeit des Einziehungsbeschlusses vom 20.10.2017 festgestellt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.
Der BGH hat nun das Urteil nach Revision der Beklagten aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Gründe:
Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 sei ins Leere gegangen, weil die Einziehung einen nach der Gesellschafterliste nicht existenten Geschäftsanteil betroffen habe. Eine GmbH ist durch die negative Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 GmbHG nicht gehindert, einen nach einem möglicherweise fehlgeschlagenen Einziehungsversuch aus der Gesellschafterliste entfernten, aber materiell bestehenden Geschäftsanteil aus einem in der Person des materiell berechtigten Gesellschafters liegenden wichtigen Grund einzuziehen.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging nicht deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil des Klägers bereits am 17.4.2015 und am 30.8.2016 eingezogen worden war. Aufgrund der Entscheidung des Berufungsgerichts vom 8.5.2019 steht rechtskräftig fest, dass diese Einziehungsbeschlüsse nichtig waren.
Dass bei der Beschlussfassung am 20.10.2017 unklar war, ob die vorangehenden Einziehungsbeschlüsse wirksam waren und der Geschäftsanteil noch bestand, steht der erneuten Einziehung nicht entgegen. Der neue Beschluss ist erkennbar für den Fall gefasst, dass die Unwirksamkeit der früheren Einziehungsbeschlüsse festgestellt wird und der Kläger damit entgegen der im Vorprozess vertretenen Auffassung der Beklagten noch Inhaber der Geschäftsanteile ist. In der neuerlichen Beschlussfassung liegt kein widersprüchliches Verhalten der Beklagten; vielmehr hat sie ein anerkennenswertes Interesse, Zweifel an der Wirksamkeit eines Einziehungsbeschlusses durch die Neuvornahme des Beschlusses auszuräumen oder für den Fall des Fehlschlagens eines Einziehungsversuchs wegen neu aufgetretener oder bekannt gewordener Einziehungsgründe den Geschäftsanteil vorsorglich noch einmal einzuziehen.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging auch nicht deshalb ins Leere, weil der eingezogene Geschäftsanteil mit der Nr. 2 in der Gesellschafterliste nicht mehr einem Inhaber zugeordnet war. Es war nicht erforderlich, dass die Gesellschaft vor der Einziehung eine korrigierte Gesellschafterliste zum Handelsregister einreichte, in der der materiell berechtigte Gesellschafter wieder als Inhaber des einzuziehenden Geschäftsanteils eingetragen war. Da die im Geschäftsanteil verkörperte materiell-rechtliche Gesellschafterstellung nicht von der Eintragung des einzuziehenden Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste abhängt, war auch die Wirksamkeit der Einziehung allein vom materiellen Bestehen des Geschäftsanteils abhängig.
Durch die Löschung des Geschäftsanteils des Klägers aus der Gesellschafterliste der Beklagten wurde dessen durch § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG vermittelte formale Gesellschafterstellung unabhängig von der Wirksamkeit der ersten Einziehungsversuche beendet, so dass er der Beklagten ggü. keine Mitgliedschaftsrechte mehr geltend machen konnte.
Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG gilt im Verhältnis zur Gesellschaft im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Greift diese Vermutung, stehen dem als Inhaber eines Geschäftsanteils in die Gesellschafterliste Eingetragenen sämtliche Mitgliedschaftsrechte zu, ohne dass es auf seine wahre Berechtigung ankommt. Diese Legitimationswirkung greift auch bei einem eingezogenen Geschäftsanteil.
Wird der Inhaber eines Geschäftsanteils nach dessen Einziehung in der Gesellschafterliste gestrichen, kann der Gesellschafter ab dem Zeitpunkt der Aufnahme einer ihn nicht mehr aufführenden Gesellschafterliste zum Handelsregister seine mitgliedschaftlichen Rechte nicht länger ausüben.
Die Legitimationswirkung des § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG greift nicht nur bei der Ausübung der Mitgliedschaftsrechte. Der in die im Handelsregister aufgenommene Gesellschafterliste eingetragene Inhaber eines Geschäftsanteils darf auch für mitgliedschaftliche Pflichten herangezogen werden. Der Senat hat bisher offengelassen, ob die Gesellschaft bei der Einziehung statt auf den Listengesellschafter auch auf die Person des materiell berechtigten Gesellschafters abstellen darf, weil § 16 Abs. 1 Satz 1 GmbHG seinem Wortlaut nach nur das Verhältnis des Gesellschafters zur Gesellschaft (d.h. für die Geltendmachung von Mitgliedschaftsrechten) regelt und daher im Verhältnis der Gesellschaft zum Gesellschafter (d.h. bei Mitgliedschaftspflichten, Kaduzierung, Einziehung u.a.) die Gesellschaft neben einem in der Liste eingetragenen den wahren Anteilsinhaber in Anspruch nehmen kann. Nicht entschieden ist auch, ob aus diesen Gründen die sog. negative Legitimationswirkung infolge des Streichens in der Gesellschafterliste nur bedeutet, dass die Gesellschaft dem Gesellschafter keine Mitgliedschaftsrechte gewähren muss, oder ob sie ihn nicht mehr als Gesellschafter behandeln darf.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging aber nicht schon deshalb ins Leere, weil der Geschäftsanteil infolge der Streichung in der Gesellschaferliste nicht mehr existent und der Kläger nicht mehr Inhaber des Geschäftsanteils war. Zwar ist die formale Gesellschafterstellung des von der Einziehung Betroffenen nach Streichung des Geschäftsanteils aus der Liste beendet. Dies wirkt sich jedoch nicht auf die materielle Berechtigung des Gesellschafters aus, auf die sich die Einziehung bezieht.
Materielle und formale Gesellschafterstellung können entkoppelt sein. Der materiell Berechtigte, aber nicht mehr in der Gesellschafterliste Aufgeführte ist zwar in der Ausübung seiner Rechte ggü. der Gesellschaft gehindert, verliert aber nicht seine materiell-rechtliche Gesellschafterstellung. Die materiellrechtliche Gesellschafterstellung ist unabhängig von der Eintragung in der Gesellschafterliste.
Auch wenn der Gesellschafter im Hinblick auf die negative Legitimationswirkung keine Mitgliedschaftsrechte ggü. der Gesellschaft mehr geltend machen kann, ist er als materiell Berechtigter Inhaber des Geschäftsanteils, so dass er ihn beispielsweise wirksam abtreten und verpfänden kann und auch seine Gläubiger den Geschäftsanteil pfänden können.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 ging danach nicht ins Leere, weil der Geschäftsanteil in der Gesellschafterliste als eingezogen gestrichen war, sondern betraf trotz Streichung in der Liste einen materiell-rechtlich existenten Geschäftsanteil. Die vorausgegangenen Einziehungsbeschlüsse vom 17.4.2015 und vom 30.8.2016 waren nichtig und konnten damit den Geschäftsanteil des Klägers nicht vernichten.
Der Einziehungsbeschluss vom 20.10.2017 konnte ggü. dem Kläger gefasst werden, obwohl dieser mit seinem Geschäftsanteil nicht mehr in der aktuellen Gesellschafterliste aufgenommen war. Dabei kann dahinstehen, ob die negative Legitimationswirkung von § 16 Abs. 1 GmbHG grundsätzlich bedeutet, dass die Gesellschaft einen zwar materiell berechtigten, aber nicht in der Gesellschafterliste eingetragenen Gesellschafter weder in Anspruch nehmen noch gegen ihn vorgehen darf. Jedenfalls nach einem möglicherweise gescheiterten Einziehungsversuch kann die Gesellschaft vorsorglich erneut die Einziehung eines Geschäftsanteils beschließen, auch wenn dieser Geschäftsanteil nicht mehr in der Gesellschafterliste eingetragen oder einem Gesellschafter zugeordnet ist.