04.09.2023

Fristversäumnis bei Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach außerordentlicher Kündigung?

Die Frist hat den Zweck, dem anderen Vertragspartner in angemessener Zeit Klarheit über den Bestand des Vertrages zu verschaffen, zudem ist davon auszugehen, dass ein längeres Zuwarten dafür spricht, dass der zur Kündigung Berechtigte das Festhalten am Vertrag nicht für unzumutbar hält. Dabei sind die tatsächlichen Umstände, die Bedeutung des Kündigungsgrundes, die Auswirkungen für die Beteiligten und der Umfang der für den Kündigenden zuvor vorzunehmenden Prüfungen zu berücksichtigen.

OLG Brandenburg v. 19.7.2023 - 7 U 149/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 28.6.2004 bei der A1 GmbH eine Beteiligung als atypisch stiller Gesellschafter im Umfang von 9.000 € gezeichnet. Die A1 GmbH ist seit 2018 mit der Beklagten verschmolzen. Ebenfalls am 28.6.2004 hatte der Kläger einen Vertrag mit der A2 AG über den Erwerb von Genussscheinen mit Gewinn- und Verlustbeteiligung im Wert von insgesamt 6.000 € abgeschlossen. Die A2 AG wurde in die A3 AG umgewandelt. Sie benannte sich in A4 AG um, wurde durch Beschluss vom 29.8.2013 in eine GmbH umgewandelt und firmierte sodann als A4 GmbH. Ausweislich einer österreichischen Registerauskunft ist die A4 GmbH aufgrund eines Beschlusses der Generalversammlung vom 25.9.2018 als übertragende Gesellschaft mit der Beklagten als übernehmender Gesellschaft verschmolzen. Die A4 GmbH wurde am 15.2.2019 aus dem Register gelöscht.

Der Kläger wurde über die Umwandlungen der Gesellschaften, an denen er sich als stiller Gesellschafter und als Inhaber von Genussrechten beteiligt hatte, mit zwei im Februar 2019 übersandten Schreiben informiert. In diesen Schreiben wurde ihm mitgeteilt, dass seine Beteiligungen sich automatisch in Aktien umgewandelt hätten. Ihm wurde mitgeteilt, dass seine stille Beteiligung rechnerisch einen Wert von 6.300 € habe bei einem Einzahlungsstand von 9.000 €; der rechnerische Wert der Genussrechte wurde mit 5.030,65 € bei einem Einzahlungsstand von 6.000 € angegeben. Mit Schreiben vom 13.2.2020 kündigte der Kläger seine Beteiligungen außerordentlich.

Der Kläger war der Ansicht, hinsichtlich der atypisch stillen Beteiligung habe er einen Anspruch auf Auszahlung, da er als Anleger der Umwandlung hätte zustimmen müssen. Die Umwandlung sei eine Maßnahme nach § 5 Abs. 2 des Beteiligungsvertrages, die nicht im Gesellschaftsvertrag geregelt sei. Er sei berechtigt, den mit der A2 AG geschlossenen Vertrag zu kündigen und könne in der Folge seiner Kündigung gem. § 15 des Vertrages die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens einschließlich einer Beteiligung an stillen Reserven und seinem Anteil am Unternehmenswert verlangen.

Zur Beteiligung mit Genussrechten hat der Kläger die Auffassung vertreten, dass er ebenfalls zur Umwandlung der A4 GmbH, an der er beteiligt war, hätte zustimmen müssen. Seine Beteiligung genieße nach § 7 der Zeichnungsbedingungen einen Bestandsschutz, die in § 10 der Genussrechtsbedingungen aufgenommenen Voraussetzungen einer Änderung der Beteiligung seien nicht erfüllt. Die von der Beklagten gewährten Aktien seien gegenüber der gezeichneten Beteiligung minderwertig, da sie nicht kündbar seien und die Rückzahlung ausgeschlossen sei. Sie seien lediglich handelbar. Nach außerordentlicher Kündigung, zu der er berechtigt sei, sei die Beteiligung abzurechnen und auszuzahlen.

Das LG hat der Klage Das i.H.v. 11.060 € stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Gründe:
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach außerordentlicher Kündigung. Obwohl er nach eigenem Vortrag im Februar 2019 Mitteilungen an die Anleger erhalten hatte, erklärte er die Kündigung der Anlagen am 13.2.2020. Ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB stand dem Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu, da es jedenfalls nicht innerhalb der gemäß § 314 Abs. 3 BGB vorgesehenen angemessenen Frist ausgeübt worden ist.

Die Frist hat den Zweck, dem anderen Vertragspartner in angemessener Zeit Klarheit über den Bestand des Vertrages zu verschaffen, zudem ist davon auszugehen, dass ein längeres Zuwarten dafür spricht, dass der zur Kündigung Berechtigte das Festhalten am Vertrag nicht für unzumutbar hält. Dabei sind die tatsächlichen Umstände, die Bedeutung des Kündigungsgrundes, die Auswirkungen für die Beteiligten und der Umfang der für den Kündigenden zuvor vorzunehmenden Prüfungen zu berücksichtigen. Infolgedessen war hier nicht davon auszugehen, dass eine nach einem Jahr erklärte Kündigung noch innerhalb angemessener Frist vorgenommen ist. Dass der Kläger sich vor seiner Kündigung zunächst bei der Beklagten nach der Bedeutung der Umwandlung seiner Beteiligung in B-Aktien erkundigt oder rechtlichen Rat eingeholt hatte, begründete eine derart lange Frist nicht. Vielmehr wäre er binnen eines Zeitraums von bis zu sechs Monaten in der Lage gewesen, Informationen einzuholen, um sich Klarheit zu verschaffen, ob er infolge der Verschmelzung die Kündigung erklären will.

Die ordentliche Kündigung der Genussrechte konnte der Kläger gem. § 5 der Genussrechtsbedingungen mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten, mithin im Februar 2020 zum August 2020 erklären. Die ordentliche Kündigung einer atypisch stillen Beteiligung war - jedenfalls nach den vom Kläger vorgelegten Bedingungen (Stand: 3.8.2005) - gem. § 14 Abs. 1 mit einer Kündigungsfrist von 24 Monaten zum Ende eines Geschäftsjahres möglich. Auf den Auseinandersetzungswert der Genussrechte bzw. der stillen Beteiligung zu diesem Zeitpunkt stützte der Kläger seine Klage nicht.

Auch ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung des § 23 UmwG war nicht begründet. Danach sind den Inhabern von stimmrechtslosen Sonderrechten an dem übertragenden Rechtsträger bei der Verschmelzung gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren. Sowohl Genusserechte als auch stille Beteiligungen sind solche Sonderrechte, da sie keine Stimmrechte gewähren, aber eine Gewinnbeteiligung vorsehen, die durch die Verschmelzung an dem dann größeren Unternehmen und wegen des veränderten Verhältnisses des Anteils am Gesamtvermögen der Gefahr einer Entwertung unterliegen. Der für die Begründung seines Anspruchs darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat nicht dargelegt, inwiefern die Bilanzierung der Beklagten unrichtig sei oder die Verrechnung mit Verlusten den Genussrechtsbedingungen nicht entsprochen haben soll.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | AktG
§ 241 Nichtigkeitsgründe
Schwab in K. Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2020

Kommentierung | AktG
§ 243 Anfechtungsgründe
Schwab in K. Schmidt/Lutter, Aktiengesetz, 4. Aufl. 2020

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