Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des geschäftsführenden Gesellschafters einer KG ist ein relativ unentziehbares Recht
BGH v. 13.10.2020 - II ZR 359/18
Der Sachverhalt:
Die Parteien waren Gesellschafter der M. KG B. Grundstücksverwaltungs GmbH & Co., einem geschlossenen Immobilienfonds. Die Klägerin und der Beklagte zu 2) waren Kommanditisten dieser Gesellschaft. Die Beklagte zu 1) war nach § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags von 1976 persönlich haftende Gesellschafterin. Gem. § 7 Abs. 1 war die persönlich haftende Gesellschafterin zur Vertretung und Geschäftsführung allein berechtigt und verpflichtet. Nach § 11 war die Gesellschafterversammlung zur Entscheidung auch über die Änderung des Gesellschaftsvertrags zuständig. Gem. § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags wurden die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen in allen Angelegenheiten auch in solchen von besonderer Bedeutung mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz etwas anderes vorsah.
In der Gesellschafterversammlung im August 2016 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern und der Beklagten zu 1) im Hinblick auf einen Kooperationsvertrag mit einer Drittfirma. Der Jahresabschluss 2015 wurde nicht genehmigt und auch der Geschäftsführung keine Entlastung erteilt. Des Weiteren wurden mehrere Beschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrags gestellt und von der Beklagten zu 1) bzw. deren Geschäftsführer als Versammlungsleiter für unwirksam erklärt, obwohl jeweils eine deutliche Mehrheit für diese Beschlüsse gestimmt hatte. Für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung waren folgende Anträge für unwirksam erklärt worden, deren Wirksamkeit festzustellen die Klägerin beantragt hat:
"§ 7 des Gesellschaftsvertrags wird um folgenden Absatz 6 ergänzt:
6. Einem geschäftsführenden Gesellschafter kann durch Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne Angaben von Gründen mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Quartals entzogen werden. Ein am Kapital beteiligter Komplementär kann die Umwandlung seiner Beteiligung in einen Kommanditanteil verlangen, wenn ihm die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen wird (TOP B.I.bb).
- Hilfsweise wird der B. GmbH gem. § 7 Abs. 6 Gesellschaftsvertrag mit Wirkung zum 30.12.2016 die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen, frühestens jedoch zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung durch die BaFin für die Neuordnung (TOP B.II.dd)."
Des Weiteren hat die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an der Anmeldung zu dem für die B. GmbH & Co. beim AG geführten Handelsregister mitzuwirken:
"Die B. GmbH ist nicht mehr zur Vertretung der Gesellschaft befugt;
- [Jeder persönlich haftende Gesellschafter vertritt die Gesellschaft jeweils einzeln]. Ausgenommen hiervon ist die B. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung."
Während des Prozesses veräußerte die Klägerin ihren Kommanditanteil.
Das LG wies die Klage insoweit ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das KG der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf und wies die Berufung der Klägerin insoweit zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des KG, der Beschluss zur Änderung des Gesellschaftsvertrags sei wirksam, wonach einem geschäftsführenden Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Quartals entzogen werden könne, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Mit Erfolg rügen die Beklagten, dass das KG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Beklagten zu 1) als relativ unentziehbares Recht durch Gesellschafterbeschluss entzogen werden könnte. Im Ausgangspunkt ist das KG zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Beklagten zu 1) um ein relativ unentziehbares Recht handelt. Die Entziehung eines relativ unentziehbaren Rechts bedarf einer besonderen Rechtfertigung, die hier fehlt.
Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des geschäftsführenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft ist ein relativ unentziehbares Recht. Der Eingriff in ein relativ unentziehbares Recht ist rechtmäßig, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten und für den betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung der eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist oder er dem Eingriff zugestimmt hat. Dass eine Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Interesse der Gesellschaft liegt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
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Die Parteien waren Gesellschafter der M. KG B. Grundstücksverwaltungs GmbH & Co., einem geschlossenen Immobilienfonds. Die Klägerin und der Beklagte zu 2) waren Kommanditisten dieser Gesellschaft. Die Beklagte zu 1) war nach § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags von 1976 persönlich haftende Gesellschafterin. Gem. § 7 Abs. 1 war die persönlich haftende Gesellschafterin zur Vertretung und Geschäftsführung allein berechtigt und verpflichtet. Nach § 11 war die Gesellschafterversammlung zur Entscheidung auch über die Änderung des Gesellschaftsvertrags zuständig. Gem. § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags wurden die Beschlüsse der Gesellschafterversammlungen in allen Angelegenheiten auch in solchen von besonderer Bedeutung mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag oder das Gesetz etwas anderes vorsah.
In der Gesellschafterversammlung im August 2016 kam es zu Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern und der Beklagten zu 1) im Hinblick auf einen Kooperationsvertrag mit einer Drittfirma. Der Jahresabschluss 2015 wurde nicht genehmigt und auch der Geschäftsführung keine Entlastung erteilt. Des Weiteren wurden mehrere Beschlüsse zur Änderung des Gesellschaftsvertrags gestellt und von der Beklagten zu 1) bzw. deren Geschäftsführer als Versammlungsleiter für unwirksam erklärt, obwohl jeweils eine deutliche Mehrheit für diese Beschlüsse gestimmt hatte. Für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung waren folgende Anträge für unwirksam erklärt worden, deren Wirksamkeit festzustellen die Klägerin beantragt hat:
"§ 7 des Gesellschaftsvertrags wird um folgenden Absatz 6 ergänzt:
6. Einem geschäftsführenden Gesellschafter kann durch Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne Angaben von Gründen mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Quartals entzogen werden. Ein am Kapital beteiligter Komplementär kann die Umwandlung seiner Beteiligung in einen Kommanditanteil verlangen, wenn ihm die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen wird (TOP B.I.bb).
- Hilfsweise wird der B. GmbH gem. § 7 Abs. 6 Gesellschaftsvertrag mit Wirkung zum 30.12.2016 die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis entzogen, frühestens jedoch zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung durch die BaFin für die Neuordnung (TOP B.II.dd)."
Des Weiteren hat die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, an der Anmeldung zu dem für die B. GmbH & Co. beim AG geführten Handelsregister mitzuwirken:
"Die B. GmbH ist nicht mehr zur Vertretung der Gesellschaft befugt;
- [Jeder persönlich haftende Gesellschafter vertritt die Gesellschaft jeweils einzeln]. Ausgenommen hiervon ist die B. Grundstücksverwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung."
Während des Prozesses veräußerte die Klägerin ihren Kommanditanteil.
Das LG wies die Klage insoweit ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das KG der Klage statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil teilweise auf und wies die Berufung der Klägerin insoweit zurück.
Die Gründe:
Die Auffassung des KG, der Beschluss zur Änderung des Gesellschaftsvertrags sei wirksam, wonach einem geschäftsführenden Gesellschafter durch Gesellschafterbeschluss die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis ohne Angabe von Gründen mit einer Frist von zwei Monaten zum Ende des Quartals entzogen werden könne, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Mit Erfolg rügen die Beklagten, dass das KG rechtsfehlerhaft davon ausgegangen ist, dass die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Beklagten zu 1) als relativ unentziehbares Recht durch Gesellschafterbeschluss entzogen werden könnte. Im Ausgangspunkt ist das KG zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Beklagten zu 1) um ein relativ unentziehbares Recht handelt. Die Entziehung eines relativ unentziehbaren Rechts bedarf einer besonderen Rechtfertigung, die hier fehlt.
Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis des geschäftsführenden Gesellschafters einer Kommanditgesellschaft ist ein relativ unentziehbares Recht. Der Eingriff in ein relativ unentziehbares Recht ist rechtmäßig, wenn dies im Interesse der Gesellschaft geboten und für den betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung der eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar ist oder er dem Eingriff zugestimmt hat. Dass eine Entziehung der Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis im Interesse der Gesellschaft liegt, erfüllt diese Voraussetzungen nicht.