08.12.2023

Gesellschafter einer Personengesellschaft haftet regelmäßig für Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft

Bei nachrangigen Zinsforderungen greift die Ermächtigungswirkung nur ein, wenn diese auf eine besondere Aufforderung des Insolvenzgerichts hin zur Tabelle angemeldet werden (§ 174 Abs. 3 Satz 1 InsO). Der persönlich unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft haftet regelmäßig für die Gerichtskosten des über das Vermögen der Gesellschaft eröffneten Insolvenzverfahrens (§ 54 Nr. 1 InsO) sowie die Vergütung und die Auslagen des Insolvenzverwalters (§ 54 Nr. 2 Fall 2 InsO).

BGH v. 21.11.2023 - II ZR 69/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Immobilienfonds "Einkaufs- und Gewerbezentrums A." (Schuldnerin), einer GbR. Die Schuldnerin erwarb im Jahr 1992 ein Grundstück, welches mit einem Einkaufs- und Gewerbezentrum bebaut und von der Schuldnerin vermietet und verwaltet werden sollte. Zur Teilfinanzierung des Kaufpreises i.H.v. rd. 35 Mio. DM gewährte die S. L., die Rechtsvorgängerin der L. B. (im Folgenden einheitlich: LB.), der Schuldnerin drei Darlehen i.H.v. 8,4 Mio. DM, 10,6 Mio. DM sowie 1,2 Mio. DM. In den Darlehensverträgen wurde eine teilschuldnerische Haftung der Gesellschafter der Schuldnerin entsprechend ihren Gesellschaftsanteilen vereinbart. Ab Ende des Jahres 1992 wurden insbesondere Kleinanleger zum Beitritt bei der Schuldnerin geworben. Die Beklagte gewährte den Anlegern teilweise zur Finanzierung ihrer Anlagebeträge Darlehen. Aufgrund unwirksamer Vollmachten wurden die Beitragsfinanzierungen rückabgewickelt, wobei die Beklagte im Zuge der Rückabwicklung einen Teil der Gesellschaftsanteile an der Schuldnerin übernahm.

Im August 2011 kündigte die LB. wegen anhaltender Tilgungs- und Zinsrückstände die mit der Schuldnerin geschlossenen Darlehensverträge und stellte die noch offenen Darlehensvaluten und Zinsrückstände i.H.v. rd. 8 Mio. € zur sofortigen Rückzahlung fällig. Mit Beschluss vom 28.3.2012 wurde auf Antrag der LB. über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Im April 2012 meldete die LB. Forderungen aus den Darlehensverträgen i.H.v. insgesamt rd. 8 Mio. € zur Insolvenztabelle an, die für den Ausfall festgestellt wurden. Im Juni und August 2014 leistete die Beklagte auf die Ansprüche der LB. insgesamt rd. 1,4 Mio. €. Ohne vorherige Aufforderung des Insolvenzgerichts meldete die LB. mit Schreiben vom 26.1.2022 nachrangige Zinsforderungen seit dem 19.4.2016 zur Tabelle an. Der Kläger verlangt von der Beklagten zum einen die anteilige Darlehensrückzahlung entsprechend ihrer Beteiligungsquote und zum anderen im Wege der Teilklage Zahlung für die Kosten des Insolvenzverfahrens.

Das LG gab der Klage im Hinblick auf die anteilige Darlehensrückzahlung statt und wies die Teilklage wegen der Kosten des Insolvenzverfahrens ab. Das OLG wies die dagegen gerichtete Berufung des Klägers zurück; auf die Berufung der Beklagten wies es die Klage insgesamt ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Urteil des OLG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Nicht frei von Rechtsfehlern ist die Annahme des OLG, der Kläger habe den von ihm gegen die Beklagte gem. § 93 InsO geltend gemachten Darlehensrückzahlungsanspruch der LB. aus § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 128 HGB nicht schlüssig dargelegt.

Das OLG geht zutreffend davon aus, dass dem Kläger keine Einziehungsermächtigung gem. § 93 InsO für die seit Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstandenen und in seine Forderungsberechnung miteinbezogenen laufenden Zinsforderungen der LB. zusteht. Die LB. hat diese gem. § 39 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Fall 1 InsO nachrangigen Zinsforderungen angemeldet, ohne dazu nach § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO vom Insolvenzgericht besonders aufgefordert worden zu sein. Nach § 93 InsO kann im Insolvenzverfahren über das Vermögen einer GbR die persönliche Haftung des Gesellschafters für Verbindlichkeiten der Gesellschaft während der Dauer des Insolvenzverfahrens nur von dem Insolvenzverwalter der Gesellschaft geltend gemacht werden. Von dieser Regelung gehen zwei Wirkungen aus, die Sperrwirkung und die Ermächtigungswirkung. Bei nachrangigen Zinsforderungen greift die Ermächtigungswirkung nur ein, wenn diese auf eine besondere Aufforderung des Insolvenzgerichts hin zur Tabelle angemeldet werden (§ 174 Abs. 3 Satz 1 InsO).

Rechtsfehlerhaft ist die Annahme des OLG, die Beklagte hafte nicht für die geltend gemachten Kosten des Insolvenzverfahrens, für deren Geltendmachung der Kläger nach § 93 InsO einziehungsbefugt ist, weil Massegläubiger (§ 53 InsO) anders als Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) am Anmeldeverfahren nicht teilnehmen (§ 174 Abs. 1 Satz 1 InsO). Es ist umstritten, ob die persönlich haftenden Gesellschafter einer Personengesellschaft auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft (§ 54 InsO) haften. Der Senat hat die Rechtsfrage bislang nicht entschieden. Der IX. Zivilsenat des BGH hat eine persönliche Haftung der Gesellschafter für die Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft zunächst abgelehnt (BGH v. 24.9.2009 - IX ZR 234/07, ZIP 2009, 2204 ff.) diese Frage aber in seiner neueren Rechtsprechung ausdrücklich offengelassen (BGH v. 28.1.2021 - IX ZR 54/20, ZIP 2021, 528).

Nach der überwiegenden Auffassung in der obergerichtlichen Rechtsprechung und im Schrifttum scheidet eine unmittelbare Haftung der Gesellschafter für die Kosten des Insolvenzverfahrens aus. Teilweise wird vertreten, der Gesellschafter hafte für die Kosten des Insolvenzverfahrens nur mittelbar, indem der Insolvenzverwalter diese als Massekosten vorab entnehmen dürfe und, wenn die Masse rechnerisch danach zur Befriedigung der Gläubiger nicht ausreicht, wieder auf die Haftung der Gesellschafter zurückgreifen könne. Nach anderer Auffassung haften die Gesellschafter auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens. Zum Teil wird angenommen, dass sich die Haftung auf bestimmte Kostenarten oder auf solche Kosten beschränke, die nicht aus einer Entscheidung für die Fortführung des Unternehmens entstehen.

Der Senat entscheidet die Frage nunmehr dahin, dass der persönlich unbeschränkt haftende Gesellschafter einer Personengesellschaft regelmäßig für die Gerichtskosten des über das Vermögen der Gesellschaft eröffneten Insolvenzverfahrens (§ 54 Nr. 1 InsO) sowie die Vergütung und die Auslagen des Insolvenzverwalters (§ 54 Nr. 2 Fall 2 InsO) haftet. Eine diesbezügliche Einschränkung der unbeschränkten persönlichen Haftung des Gesellschafters lässt sich nicht begründen. Nach diesen Maßstäben haftet der Gesellschafter einer Personengesellschaft regelmäßig für die Kosten des Insolvenzverfahrens. Soweit sich aus dem Urteil des BGH vom 24.9.2009 (IX ZR 234/07 s.o.) Abweichendes ergibt, hat der IX. Zivilsenat des BGH auf Anfrage mitgeteilt, hieran nicht festhalten zu wollen.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | HGB
§ 128 Einwendungen und Einreden des Gesellschafters
Haas in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/Wöstmann, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 6. Aufl.
6. Aufl./Lfg. 09.2023

Kommentierung | HGB
§ 128 Einwendungen und Einreden des Gesellschafters
Ceesay in Koch, Personengesellschaftsrecht Kommentar, 2024
1. Aufl./Lfg. 10.2023

Rechtsprechung (siehe Gründe):
Haftung des Kommanditisten in der Insolvenz der KG für von der Gesellschaft begründete Masseverbindlichkeiten
BGH vom 28.01.2021 - IX ZR 54/20
ZIP 2021, 528

Rechtsprechung (siehe Gründe):
Keine persönliche Haftung der Gesellschafter für die Kosten des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der OHG
BGH vom 24.09.2009 - IX ZR 234/07
ZIP 2009, 2204

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