10.04.2024

Kapitalerhöhung einer GmbH mit mehreren Geschäftsanteilen

Die Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH macht es nicht in jedem Fall erforderlich, alle Geschäftsanteile proportional zu erhöhen, wenn das Beteiligungsverhältnis der einzelnen Gesellschafter hierdurch nicht verändert wird.

Schleswig-Holsteinisches OLG v. 3.4.2023 - 2 Wx 57/23
Der Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin ist eine GmbH mit vier Gesellschaftern. Das Stammkapital der Gesellschaft betrug bisher 170.000 € verteilt auf zwölf Geschäftsanteile. Die Gesellschafter H. und A. X sind Inhaber von je drei Geschäftsanteilen, die in der Summe 45,0 % des Stammkapitals umfassen. Die Gesellschafter M. und K. X halten jeweils zwei Geschäftsanteile, die in der Summe je 5 % des Gesellschaftsanteils umfassen.

Die Gesellschafter beschlossen am 14.8.2023 notariell beurkundet die Erhöhung des Stammkapitals auf 1. Mio. € durch Erhöhung der Geschäftsanteile aus einer Gewinnrücklage i.H.v. 830.000 €. Zugrunde lag ein von einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft bestätigter Jahresabschluss. Die Gesellschafter beschlossen die Erhöhung der jeweiligen Geschäftsanteile dergestalt, dass nur jeweils einer der von den jeweiligen Gesellschaftern gehaltenen Gesellschaftsanteile erhöht wurde. Zusammen mit den unveränderten Geschäftsanteilen blieben Frau M. und Herr K. X Inhaber von je 5 %, die übrigen zwei Gesellschafter Inhaber von je 45 % des Stammkapitals.

Der beurkundende Notar meldete beim AG - Registergericht - die Kapitalerhöhung und Satzungsänderung sowie die aktualisierte Gesellschafterliste zur Eintragung an. Das AG wies mit Verfügung vom 28.8.2023 darauf hin, dass der Antrag unvollständig sei und forderte aus rechtlichen Gründen zur Rücknahme des Antrages auf. Der Beschluss zur Kapitalerhöhung sei nichtig, da alle Geschäftsanteile proportional an der Erhöhung teilnehmen müssten. Nachdem der Notar die geforderten Unterlagen übersandt hatte, wies das AG mit Schreiben vom 20.9.2023 erneut auf seine Rechtsauffassung zur Kapitalerhöhung hin. Der Notar übersandte zwischenzeitlich einen ergänzenden Beschluss der Gesellschafter vom 15.9.2023, mit dem die Gesellschafter die Erhöhung der Geschäftsanteile änderten. Der Beschluss enthält nunmehr eine proportionale Erhöhung jedes einzelnen Geschäftsanteiles.

Das AG erließ nach Mitteilung, dass es den ursprünglichen Beschluss weiterhin für nichtig halte, sodass dieser nicht abgeändert werden könne, den angefochtenen Beschluss, mit dem es den Antrag zurückwies. Werde als Art der Kapitalerhöhung gem. § 57h GmbHG die Aufstockung der Geschäftsanteile gewählt, müssten gem. § 57j S. 1 GmbHG alle Geschäftsanteile proportional an der Erhöhung teilnehmen. Dies sei nicht erfolgt, sodass die Nichtigkeitsfolge des § 57j Satz 2 GmbHG greife. Dies gelte trotz des einstimmigen Beschlusses der Gesellschafter. Somit habe der Beschluss durch diese auch nicht mehr abgeändert werden können und die Anmeldungen seien zurückzuweisen. Die Gesellschafterlisten seien ebenfalls nicht einzutragen, da sie erst nach Eintragung der Kapitalerhöhung eintragungsfähig seien.

Auf die Beschwerde der GmbH hob das OLG den Beschluss des AG auf und wies das AG an, die Eintragung gemäß Antrag vom 14.8.2023 in der Form des Gesellschafterbeschlusses vom 15.9.2023 vorzunehmen.

Die Gründe:
Der Beschluss vom 14.8.2023 war wirksam, sodass er nachfolgend geändert werden konnte.

Das AG hat in diesem Zusammenhang zutreffend ausgeführt, dass eine Erhöhung des Stammkapitals einer GmbH im Wege der Erhöhung des Nennbetrages der bisherigen Geschäftsanteile im Grundsatz zu einer proportionalen Erhöhung dieser Anteile führt, § 52h Abs. 1 Alt. 2, § 52j S. 1, § 57l Abs. 1 GmbHG, auch wenn mehrere Geschäftsanteile in einer Hand liegen. Hintergrund der Regelungen ist, dass mit der "Umbuchung" von Rücklagen der Gesellschaft in das Stammkapital keine reale Veränderung des Eigenkapitals der Gesellschaft einhergeht. Zudem soll durch die Norm des § 57j GmbHG sichergestellt werden, dass die Beteiligung der Gesellschafter an der GmbH durch die Erhöhung nicht verändert wird. Dies legt auch der Wortlaut des § 57j S.1 GmbHG nahe: "Die neuen Geschäftsanteile stehen den Gesellschaftern im Verhältnis ihrer bisherigen Geschäftsanteile zu". Bezugspunkt der Zuordnung der neuen Geschäftsanteile sind damit die Gesellschafter und nicht die bisherigen Geschäftsanteile. Die Zuordnung der Kapitalerhöhung proportional zur bisherigen Beteiligung der jeweiligen Gesellschafter entspringt somit damit der rechtlichen Systematik.

Die Norm des § 57j GmbHG findet trotz ihres Wortlautes, der auf die "neuen" Geschäftsanteile Bezug nimmt, auch für die Kapitalerhöhung im Wege der Nennbetragserhöhung Anwendung. Wie die Beschwerdeführerin dargelegt hat, ist zudem in bestimmten Situationen eine differenzierte Betrachtung der jeweiligen Geschäftsanteile notwendig, insbesondere, wenn diese mit unterschiedlichen Rechten oder Belastungen versehen sind, z. B. abweichenden Stimmrechten. Auch für lediglich teilweise eingezahlte Geschäftsanteile besteht gem. § 57l Abs. 2 GmbHG Anlass zu einer auf den jeweiligen Geschäftsanteil bezogenen Betrachtung. Eine Differenzierung ist allerdings bei der Frage möglich, wie die Kapitalerhöhung ausgeführt wird. So kann es zulässig sein, die Kapitalerhöhung bei einem Gesellschafter durch Nennbetragserhöhung und bei einem anderen Gesellschafter durch Ausgabe neuer Geschäftsanteile oder eine Kombination von beiden Arten durchzuführen. Eine weitere Grenze der Gestaltungsfreiheit zieht zudem § 57m GmbHG. Dieser soll verhindern, dass sich die Beziehungen der Gesellschafter untereinander oder gegenüber Dritten verändern.

In Fällen, in denen - wie hier - alle Geschäftsanteile vollständig eingezahlt sind und keine unterschiedlichen Stimmrechte mit den Geschäftsanteilen verbunden sind zudem keinerlei andere Unterschiede in den Rechten, Pflichten und Belastungen im Verhältnis der Gesellschafter oder gegenüber Dritten vorliegen, sind keine Gründe ersichtlich, bei einem einstimmigen Gesellschafterbeschluss eine abweichende Verteilung in den Grenzen des § 57m Abs. 1 GmbHG vorzunehmen. Insbesondere der Umstand, dass die Erhöhung des Stammkapitals in derartigen Fällen auch durch Schaffung neuer Geschäftsanteile oder Mischformen erfolgen könnte, führt dazu, dass es nicht zwingend ist, alle vorhandenen Geschäftsanteile proportional zu erhöhen. Dies entspricht der zwischenzeitlich herrschenden Auffassung in der Literatur. War die von den Gesellschaftern getroffene abweichende Vereinbarung wie dargestellt wirksam, konnte sie durch den nachfolgenden Beschluss, der eine proportionale Erhöhung aller Geschäftsanteile vorsieht, wirksam geändert werden. Dieser in der erforderlichen Form vorgelegte Antrag ist daher zur Grundlage der Eintragung zu machen.

Mehr zum Thema:

Kommentierung | GmbHG
§ 57h Arten der Kapitalerhöhung
Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 21. Aufl. 2023

Kommentierung | GmbHG
§ 57i Anmeldung und Eintragung des Erhöhungsbeschlusses
Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 21. Aufl. 2023

Kommentierung | GmbHG
§ 57l Teilnahme an der Erhöhung des Stammkapitals
Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 21. Aufl. 2023

Kommentierung | GmbHG
§ 57h Arten der Kapitalerhöhung (12. Auflage 2021)
Priester/Tebben in Scholz, GmbH-Gesetz, Kommentar. Band I 13. Aufl. 2022, Band II 12. Aufl. 2021, Band III 12. Aufl. 2021

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