Keine analoge Befreiung von der Offenlegungspflicht bei Konzernmutterunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat
OLG Köln v. 19.4.2024 - 28 Wx 21/22
Der Sachverhalt:
Der Rechtsbeschwerdeführer hatte die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 18.9.2019 aufgefordert, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung der Verfügung ihrer Offenlegungspflicht für das Geschäftsjahr 2017 nachzukommen und zugleich die Verhängung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 2.500 € gedroht. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 18.10.2019 Einspruch mit der Begründung eingelegt, sie sei gem. §§ 264b, 264 Abs. 3 HGB von der Offenlegungspflicht befreit, da der angemahnte Jahresabschluss Bestandteil des Konzernabschlusses für das Geschäftsjahr 2017 des Mutterunternehmens, der O. B. J. Inc. mit Sitz in W., C., sei.
Der Rechtsbeschwerdeführer hat dennoch das angedrohte Ordnungsgeld von 2.500 € festgesetzt und der anschließenden Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG hat die Ordnungsgeldentscheidung aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin von der Offenlegungspflicht gem. § 264b Nr. 1 lit. b HGB analog befreit sei. Zwar lasse die Vorschrift nur dann eine Befreiung zu, wenn die betreffende Gesellschaft in den Konzernabschluss und in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen ist. Die Vorschrift sei jedoch analog auf diejenigen Gesellschaften anzuwenden, deren Mutterunternehmen ihren Sitz in den Vereinigten Staaten Amerikas hätten.
Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Rechtsbeschwerdeführers hat das OLG den Beschluss aufgehoben und die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Ordnungsgeldes gegen die Beschwerdeführerin lagen vor.
Die Beschwerdeführerin war nicht gem. § 264b Nr. 1 lit. 5 HGB von der Offenlegung befreit. Eine solche Befreiung schied aus, da die den Konzernabschluss aufstellende O. B. J., Inc. kein persönlich haftender Gesellschafter der Beschwerdeführerin ist. Gem. § 264b Nr. 1 lit. b HGB ist eine Personenhandelsgesellschaft von der Offenlegungspflicht befreit, wenn sie als Teil einer größeren Gesamtheit von Unternehmen in den Konzernabschluss und in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen ist. Die O. B. J., Inc. hat ihren Sitz jedoch in einem Drittland, so dass dieser Befreiungstatbestand in direkter Anwendung ausschied.
Die Beschwerdeführerin war aber auch nicht gem. § 264b Nr. 1 lit. 5 HGB analog von der Offenlegung befreit. Unerheblich war, ob die Regelung des § 264b Nr. 1 lit. b HGB in Widerspruch zu Art. VII Abs. 1 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen Deutschland und den USA vom 29.10.1954 steht. Eine analoge Anwendung des Befreiungstatbestandes auf Mutterunternehmen mit Sitz in Drittstaaten ist nämlich bereits deshalb ausgeschlossen, weil § 264b Nr. 1 lit. b HGB als abschließende Ausnahmeregelung insoweit nicht analogiefähig ist.
Zu Recht hat der Rechtsbeschwerdeführer darauf hingewiesen, dass der deutsche Gesetzgeber an die abschließende Vorgabe der Richtlinie gebunden ist und sich eine analoge Anwendung des Befreiungstatbestandes auf Mutterunternehmen in Drittstaaten durchweg verbietet. Soweit die Beschwerdeführerin für die Analogiefähigkeit der Vorschrift einen Verweis auf § 292 HGB vorgenommen hatte, vermochte dies nicht zu überzeugen, sondern stützte vielmehr die Auffassung der fehlenden Analogiefähigkeit.
Die Regelung des § 292 HGB hinsichtlich der Befreiung von der Aufstellung von Konzernabschlüssen und -lageberichten beruht auf Art. 11 der Richtlinie 83/349/EWG. Anders als Art. 57 der RL 90/605/EWG und auch Art 38 Abs. 2 lit b (ii) der Richtlinie 2013/34/EU sieht Art. 11 der Richtlinie 83/349/EWG den Befreiungstatbestand für Mutterunternehmen in Drittstaaten ausdrücklich vor. Dass der EU-Gesetzgeber für Personenhandelsgesellschaften - trotz mehrfacher Änderungen und Ergänzungen in diesem Bereich - einen entsprechenden Befreiungstatbestand nicht geschaffen hat, spricht gegen eine unbeabsichtigte Lücke in den europarechtlichen Vorgaben.
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Justiz NRW
Der Rechtsbeschwerdeführer hatte die Beschwerdeführerin mit Verfügung vom 18.9.2019 aufgefordert, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung der Verfügung ihrer Offenlegungspflicht für das Geschäftsjahr 2017 nachzukommen und zugleich die Verhängung eines Ordnungsgeldes i.H.v. 2.500 € gedroht. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 18.10.2019 Einspruch mit der Begründung eingelegt, sie sei gem. §§ 264b, 264 Abs. 3 HGB von der Offenlegungspflicht befreit, da der angemahnte Jahresabschluss Bestandteil des Konzernabschlusses für das Geschäftsjahr 2017 des Mutterunternehmens, der O. B. J. Inc. mit Sitz in W., C., sei.
Der Rechtsbeschwerdeführer hat dennoch das angedrohte Ordnungsgeld von 2.500 € festgesetzt und der anschließenden Beschwerde nicht abgeholfen. Das LG hat die Ordnungsgeldentscheidung aufgehoben. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin von der Offenlegungspflicht gem. § 264b Nr. 1 lit. b HGB analog befreit sei. Zwar lasse die Vorschrift nur dann eine Befreiung zu, wenn die betreffende Gesellschaft in den Konzernabschluss und in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen ist. Die Vorschrift sei jedoch analog auf diejenigen Gesellschaften anzuwenden, deren Mutterunternehmen ihren Sitz in den Vereinigten Staaten Amerikas hätten.
Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Rechtsbeschwerdeführers hat das OLG den Beschluss aufgehoben und die Beschwerde der Beschwerdeführerin zurückgewiesen.
Die Gründe:
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Festsetzung des Ordnungsgeldes gegen die Beschwerdeführerin lagen vor.
Die Beschwerdeführerin war nicht gem. § 264b Nr. 1 lit. 5 HGB von der Offenlegung befreit. Eine solche Befreiung schied aus, da die den Konzernabschluss aufstellende O. B. J., Inc. kein persönlich haftender Gesellschafter der Beschwerdeführerin ist. Gem. § 264b Nr. 1 lit. b HGB ist eine Personenhandelsgesellschaft von der Offenlegungspflicht befreit, wenn sie als Teil einer größeren Gesamtheit von Unternehmen in den Konzernabschluss und in den Konzernlagebericht eines Mutterunternehmens mit Sitz in einem Mitgliedstaat der EU oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum einbezogen ist. Die O. B. J., Inc. hat ihren Sitz jedoch in einem Drittland, so dass dieser Befreiungstatbestand in direkter Anwendung ausschied.
Die Beschwerdeführerin war aber auch nicht gem. § 264b Nr. 1 lit. 5 HGB analog von der Offenlegung befreit. Unerheblich war, ob die Regelung des § 264b Nr. 1 lit. b HGB in Widerspruch zu Art. VII Abs. 1 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrags zwischen Deutschland und den USA vom 29.10.1954 steht. Eine analoge Anwendung des Befreiungstatbestandes auf Mutterunternehmen mit Sitz in Drittstaaten ist nämlich bereits deshalb ausgeschlossen, weil § 264b Nr. 1 lit. b HGB als abschließende Ausnahmeregelung insoweit nicht analogiefähig ist.
Zu Recht hat der Rechtsbeschwerdeführer darauf hingewiesen, dass der deutsche Gesetzgeber an die abschließende Vorgabe der Richtlinie gebunden ist und sich eine analoge Anwendung des Befreiungstatbestandes auf Mutterunternehmen in Drittstaaten durchweg verbietet. Soweit die Beschwerdeführerin für die Analogiefähigkeit der Vorschrift einen Verweis auf § 292 HGB vorgenommen hatte, vermochte dies nicht zu überzeugen, sondern stützte vielmehr die Auffassung der fehlenden Analogiefähigkeit.
Die Regelung des § 292 HGB hinsichtlich der Befreiung von der Aufstellung von Konzernabschlüssen und -lageberichten beruht auf Art. 11 der Richtlinie 83/349/EWG. Anders als Art. 57 der RL 90/605/EWG und auch Art 38 Abs. 2 lit b (ii) der Richtlinie 2013/34/EU sieht Art. 11 der Richtlinie 83/349/EWG den Befreiungstatbestand für Mutterunternehmen in Drittstaaten ausdrücklich vor. Dass der EU-Gesetzgeber für Personenhandelsgesellschaften - trotz mehrfacher Änderungen und Ergänzungen in diesem Bereich - einen entsprechenden Befreiungstatbestand nicht geschaffen hat, spricht gegen eine unbeabsichtigte Lücke in den europarechtlichen Vorgaben.
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