24.09.2024

Personengesellschaft: Existenzvernichtendes Ordnungsgeld wegen nicht fristgemäßer Einreichung der Jahresabschlüsse

Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen gewähren die Höchstgrenzen gem. § 335 Abs. 1a HGB dem Bundesamt für Justiz bei der Festsetzung von Ordnungsgeldern einen weiten Ermessensspielraum. Dieser Spielraum gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern findet seine Grenze in dem grundgesetzlich begründeten Übermaßverbot. Das Übermaßverbot ist jedenfalls dann verletzt, wenn die in den Jahresabschlussberichten durch einen Wirtschaftsprüfer attestierte finanzielle Situation des Unternehmens nicht ansatzweise erkennen lässt, dass die festgesetzten Ordnungsgelder ohne vollständige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz leistbar sind und damit der Schutzbereich des Art. 12 GG berührt ist.

OLG Köln v. 4.9.2024 - 28 Wx 4/24
Der Sachverhalt:
Die Rechtsbeschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung von zwei Ordnungsgeldern über jeweils 250.000 € durch das Bundesamt für Justiz (BfJ) wegen der nicht fristgemäßen Einreichung ihrer Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers.

Das BfJ hatte zunächst mit gleichlautenden Schreiben vom 2.8.2021 ein 1. Ordnungsgeld über jeweils 2.500 € wegen der unterbliebenen Veröffentlichung der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2019 und 2020 angedroht. Nachdem in der Folgezeit die Rechtsbeschwerdeführerin ihren Verpflichtungen auch weiterhin nicht nachgekommen war, setzte das BfJ am 21.2.2022 die angedrohten Ordnungsgelder über jeweils 2.500 € fest und drohte ein 2. Ordnungsgeld über jeweils 250.000 € unter Setzung einer Nachfrist von 6 Wochen an. Mit den hier streitgegenständlichen Verfügungen vom 13.12.2022 setzte das BfJ sodann gegen die Rechtsbeschwerdeführerin die beiden angedrohten 2. Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € fest und drohte weitere Ordnungsgelder über jeweils 1.000.000 € an.

Grundlage für die Höhe der angedrohten und festgesetzten erhöhten Ordnungsgelder von 250.000 € bildete ein interner Vermerk des BfJ vom 24.11.2022 der auszugsweise wie folgt lautet:

"Bei der Androhung und Festsetzung von Ordnungsgeldern gegen Emittenten ist über § 31 Abs. 1 Satz 1 VermAnlG der besondere Ordnungsgeldrahmen des § 335 Abs. 1a HGB zu berücksichtigen. Die Staffelung ist wie folgt vorzunehmen:
  • 1. Festsetzung: 2.500 €
  • 2. Festsetzung: 250.000 €
  • 3. Festsetzung: 500.000 €
  • 4. Festsetzung: 1 Mio. €
  • jede weitere Festsetzung: Erhöhung um 1 Mio. €, bis der Höchstbetrag erreicht ist"

Zugestellt wurden die Verfügungen vom 13.12.2022 nicht mehr an den Steuerberater der Rechtsbeschwerdeführerin, sondern (wieder) unmittelbar an die Geschäftsadresse, bei der es sich um eine "Briefkastenadresse" handelt. Die Zustellung erfolgte am 12.1.2023 durch Einwurf in den Briefkasten. Die Post wurde von dort - wie üblich - durch eine Nachbarin an den Geschäftsführer der Rechtsbeschwerdeführerin in die V. weitergeleitet. Die Jahresabschlüsse 2019 und 2020 wurden am 29.12.2022 durch die Rechtsbeschwerdeführerin bei dem Bundesanzeiger zur Veröffentlichung eingereicht.

Mit Schreiben vom 30.1.2023, eingegangen per Telefax beim BfJ am gleichen Tage, legte der Verfahrensbevollmächtige der Rechtsbeschwerdeführerin jeweils Beschwerde gegen die Festsetzung der beiden Ordnungsgelder ein und beantragte hilfsweise Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Beschwerdeeinlegung. Bzgl. der festgesetzten Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € hat die Beschwerdeführerin gerügt, dass diese unverhältnismäßig seien und die Rechtsbeschwerdeführerin in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedrohten.

Das BfJ wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück, half den Beschwerden nicht ab und legte dem LG diese zur Entscheidung vor. Das LG wies die Beschwerden ebenfalls zurück. Auf die Rechtsbeschwerde der Rechtsbeschwerdeführerin hob das OLG die Beschlüsse des LG auf und setzte die Ordnungsgelder jeweils neu auf 25.000 € fest.

Die Gründe:
Die Ordnungsgelder waren auf jeweils 25.000 € (insgesamt 50.000 €) für die nicht fristgemäße Veröffentlichung der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 zu reduzieren.

Die Rechtsbeschwerdeführerin ist im vorliegenden Verfahren trotz der zwischenzeitlich erfolgten Löschung im Handelsregister weiterhin beteiligtenfähig gem. § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 8 FamFG. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist als GmbH & Co. KG eine besondere Form der KG, sie zählt damit zu den Personengesellschaften des Handelsrechts und ihre Partei- bzw. Beteiligtenfähigkeit folgt aus § 161 Abs. 2 i.V.m. § 124 Abs. 1 HGB. Sie hat ihre Beteiligtenfähigkeit für das Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren auch nicht durch ihre Löschung aus dem Handelsregister am 28.8.2023 verloren. In dem Ordnungsgeldverfahren gem. § 335 HGB bleibt eine Personengesellschaft des Handelsrechts im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren trotz einer nach Festsetzung des Ordnungsgeldes erfolgten Löschung im Handelsregister weiterhin beteiligtenfähig (§ 8 FamFG), um die Berechtigung der festgesetzten Ordnungsgelder in dem dafür vorgesehenen gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen.

Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Rechts i.S.d. § 335a Abs. 3 S. 2 HGB i.V.m. § 72 Abs. 1 FamFG, da Rechtsnormen durch das LG nicht richtig angewendet worden sind. Die Voraussetzungen für die Verhängung erhöhter 2. Ordnungsgelder wegen wiederholter Nichterfüllung der Pflicht zur Veröffentlichung der Jahresabschlüsse 2019 und 2020 liegen zwar unzweifelhaft vor. Entgegen der Ansicht des LG begegnet jedoch die Höhe der von dem BfJ festgesetzten 2. Ordnungsgelder über jeweils 250.000 € durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die durch das BfJ festgesetzten Ordnungsgelder über insgesamt 500.000 € verletzten das aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Übermaßverbot.

Bei kapitalmarktorientierten Unternehmen gewähren die Höchstgrenzen gem. § 335 Abs. 1a HGB dem Bundesamt für Justiz bei der Festsetzung von Ordnungsgeldern einen weiten Ermessensspielraum. Dieser Spielraum gilt jedoch nicht schrankenlos, sondern findet seine Grenze in dem grundgesetzlich begründeten Übermaßverbot. Das Übermaßverbot ist jedenfalls dann verletzt, wenn die in den Jahresabschlussberichten durch einen Wirtschaftsprüfer attestierte finanzielle Situation des Unternehmens nicht ansatzweise erkennen lässt, dass die festgesetzten Ordnungsgelder ohne vollständige Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz leistbar sind und damit der Schutzbereich des Art. 12 GG berührt ist.

Auch wenn das LG in seinen Beschlüssen keine tragfähigen Feststellungen zur wirtschaftlichen Situation der Rechtsbeschwerdeführerin getroffen hat, kann der Senat nach Auswertung der bei den landgerichtlichen Akten befindlichen Jahresabschlüsse für die Jahre 2019 und 2020 hier in der Sache selbst entscheiden, da Entscheidungsreife vorliegt. Befinden sich die für eine Ermessensentscheidung benötigten Unterlagen in Form von Jahresabschlussberichten bei den Akten kann der Senat im Rechtsbeschwerdeverfahren in der Sache selbst entscheiden (§ 74 Abs. 6 S. 1 FamFG), auch wenn diese nicht Gegenstand der angefochtenen Beschwerdeentscheidung waren. So liegt der Fall hier. Bei der finanziellen Situation der Rechtsbeschwerdeführerin steht außer Zweifel, dass die verhängten Ordnungsgelder über insgesamt 500.000 € in keinem vernünftigen Verhältnis zu den für die Rechtsbeschwerdeführerin entstehenden Belastungen und den der Allgemeinheit erwachsenden Vorteilen stehen. Stattdessen ist jeweils ein Ordnungsgeld von 25.000 € als ausreichend und angemessen anzusehen.

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