Postbank-Übernahme: Klagen ehemaliger Postbankaktionäre gegen Deutsche Bank erfolgreich
OLG Köln v. 23.10.2024 - 13 U 231/17
Der Sachverhalt:
Die 13 Kläger sind ehemalige Aktionäre der Deutschen Postbank AG, die das freiwillige Übernahmeangebot der beklagten Deutschen Bank AG vom 7.10.2010 in Bezug auf die Aktien zum Preis von 25 € je Aktie angenommen haben. Sie verlangen die Zahlung des Differenzpreises zwischen diesem Betrag und dem Betrag, der nach ihrer Auffassung zu einem früheren Zeitpunkt - als der Kurs der Postbankaktie noch signifikant höher war - zu zahlen gewesen wäre (hier: 57,25 €). Die Beklagte habe bereits im Jahr 2008 ein Übernahmeangebot machen müssen, weil sie schon damals die Kontrolle über die Postbank erlangt habe.
Das OLG gab den Klagen statt. Der Senat ist der Argumentation der Kläger auf der Grundlage rechtlicher Vorgaben des BGH im Revisionsverfahren zu Inhalt und Reichweite der Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG gefolgt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Beklagte kann innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteils hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen.
Die Gründe:
Die wesentlichen Chancen und Risiken aus den ursprünglich zum Preis von 57,25 € gekauften Aktien im Umfang von 29,75 % des Grundkapitals waren der der Beklagten bereits auf Grund des Kaufvertrags vom 12.9.2008 zuzuordnen.
Die Deutsche Post AG hielt diese Aktien seither "für Rechnung" der Beklagten. Wegen der für diese Aktien getroffenen Festpreisabrede trug die Beklagte schon vor dem Vollzugsdatum das Risiko von Kursänderungen. Garantien der Post für den Fall eines die Postbank betreffenden Insolvenzantrags stehen dem Übergang der wesentlichen Chancen und Risiken im Hinblick auf vereinbarte Haftungsgrenzen sowie wegen der gegenüber dem Kursrisiko vergleichsweise geringen Eintrittswahrscheinlichkeit des Insolvenzrisikos der Postbank nicht entgegen.
Infolge eines für Beschlussfassungen, u.a. zu Dividendenausschüttungen der Postbank, vereinbarten Zustimmungsvorbehalts hatte die Beklagte zudem bereits auf Grund des Kaufvertrags die Möglichkeit, Einfluss auf die Stimmrechtsausübung zu nehmen. Durch die ihr damit zuzurechnenden Aktien i.H.v. 29,75 % des Grundkapitals und den bereits vorhandenen Handelsbestand hat sie die Kontrollschwelle von 30 % i.S.d. § 29 Abs. 2 WpÜG erreicht.
Die Beklagte hatte auch schon am 12.9.2018 Kenntnis von der Kontrollerlangung gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 WpÜG. Die mit der Post für den Fall eines Kontrollerwerbs vorsorglich getroffenen vertraglichen Regelungen zeigen, dass die Beklagte ungeachtet ihres eigenen - vom Senat in früheren Entscheidungen geteilten - Rechtsstandpunkts bei Vertragsabschluss mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass die Vereinbarung von den zuständigen Gerichten als kontrollbegründend bewertet werden würde.
Hintergrund:
Der 13. Zivilsenat des OLG Köln hatte im Jahr 2012 die Berufung einer einzelnen Anlegerin gegen ein ihre Klage abweisendes Urteil des LG Köln zurückgewiesen (13 U 166/11). Der BGH hob diese Entscheidung mit Urteil vom 29.7.2014 (II ZR 353/12) auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das OLG zurück. Im Oktober 2017 verurteilte das LG Köln die Beklagte in einem weiteren, von ursprünglich 17 Klägern betriebenen und auf die gleichen Vorwürfe gestützten Verfahren zur Zahlung einer weiteren Gegenleistung, weil es die Voraussetzungen eines früheren Kontrollerwerbs als gegeben ansah. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein (13 U 231/17). In beiden Verfahren führte der Senat eine umfassende Beweisaufnahme durch und entschied mit Urteilen vom 16.12.2020 zu Gunsten der Beklagten. Diese Urteile hob der BGH am 13.12.2022 auf (II ZR 9/21 und II ZR 14/21) und verwies die Sachen an das OLG Köln zurück.
In der Berufungsverhandlung am 26.4.2024 erörterte der Senat seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage mit den Parteien. Die von den Parteien im Anschluss aufgenommenen Gespräche führten in zwei Fällen zu einer außergerichtlichen Einigung, auf deren Grundlage die jeweilige Klage zurückgenommen wurde. Das Berufungsverfahren 13 U 166/11 wurde auf diese Weise beendet. Über die Ansprüche der im vorliegenden Verfahren 13 U 231/17 verbliebenen Kläger hat der Senat nun entschieden.
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Kommentierung | WpÜG
§ 29 Begriffsbestimmungen
Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 4. Auflage 2024
4. Aufl./Lfg. 05.2024
Kommentierung | WpÜG
§ 35 Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots
Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 4. Auflage 2024
4. Aufl./Lfg. 05.2024
Rechtsprechung (siehe Hintergrund)
Acting in concert (Postbank-Übernahme)
BGH vom 13.12.2022 - II ZR 14/21
AG 2023, 394
AG0054141
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Fünf Beratermodule zu einem Großen: Beratermodule Handbücher und Kommentare, AG, GmbHR und ZIP. Alles zu den Topthemen MoPeG, UmRUG, AktG und SchpruchG. Online first Scholz Band III Highlight: Die InsO-Kommentierungen sind jetzt online. Umfassende, ganz neue und tiefgängige Kommentierung des Insolvenzrechts der GmbH von einem der besten Autoren auf diesem Gebiet (Prof. Dr. Georg Bitter). 4 Wochen gratis nutzen!
OLG Köln PM vom 23.10.2024
Die 13 Kläger sind ehemalige Aktionäre der Deutschen Postbank AG, die das freiwillige Übernahmeangebot der beklagten Deutschen Bank AG vom 7.10.2010 in Bezug auf die Aktien zum Preis von 25 € je Aktie angenommen haben. Sie verlangen die Zahlung des Differenzpreises zwischen diesem Betrag und dem Betrag, der nach ihrer Auffassung zu einem früheren Zeitpunkt - als der Kurs der Postbankaktie noch signifikant höher war - zu zahlen gewesen wäre (hier: 57,25 €). Die Beklagte habe bereits im Jahr 2008 ein Übernahmeangebot machen müssen, weil sie schon damals die Kontrolle über die Postbank erlangt habe.
Das OLG gab den Klagen statt. Der Senat ist der Argumentation der Kläger auf der Grundlage rechtlicher Vorgaben des BGH im Revisionsverfahren zu Inhalt und Reichweite der Vorschrift des § 30 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WpÜG gefolgt. Die Revision wurde nicht zugelassen. Die Beklagte kann innerhalb eines Monats ab Zustellung des Urteils hiergegen Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH einlegen.
Die Gründe:
Die wesentlichen Chancen und Risiken aus den ursprünglich zum Preis von 57,25 € gekauften Aktien im Umfang von 29,75 % des Grundkapitals waren der der Beklagten bereits auf Grund des Kaufvertrags vom 12.9.2008 zuzuordnen.
Die Deutsche Post AG hielt diese Aktien seither "für Rechnung" der Beklagten. Wegen der für diese Aktien getroffenen Festpreisabrede trug die Beklagte schon vor dem Vollzugsdatum das Risiko von Kursänderungen. Garantien der Post für den Fall eines die Postbank betreffenden Insolvenzantrags stehen dem Übergang der wesentlichen Chancen und Risiken im Hinblick auf vereinbarte Haftungsgrenzen sowie wegen der gegenüber dem Kursrisiko vergleichsweise geringen Eintrittswahrscheinlichkeit des Insolvenzrisikos der Postbank nicht entgegen.
Infolge eines für Beschlussfassungen, u.a. zu Dividendenausschüttungen der Postbank, vereinbarten Zustimmungsvorbehalts hatte die Beklagte zudem bereits auf Grund des Kaufvertrags die Möglichkeit, Einfluss auf die Stimmrechtsausübung zu nehmen. Durch die ihr damit zuzurechnenden Aktien i.H.v. 29,75 % des Grundkapitals und den bereits vorhandenen Handelsbestand hat sie die Kontrollschwelle von 30 % i.S.d. § 29 Abs. 2 WpÜG erreicht.
Die Beklagte hatte auch schon am 12.9.2018 Kenntnis von der Kontrollerlangung gem. § 35 Abs. 1 Satz 2 WpÜG. Die mit der Post für den Fall eines Kontrollerwerbs vorsorglich getroffenen vertraglichen Regelungen zeigen, dass die Beklagte ungeachtet ihres eigenen - vom Senat in früheren Entscheidungen geteilten - Rechtsstandpunkts bei Vertragsabschluss mit der Möglichkeit gerechnet hat, dass die Vereinbarung von den zuständigen Gerichten als kontrollbegründend bewertet werden würde.
Hintergrund:
Der 13. Zivilsenat des OLG Köln hatte im Jahr 2012 die Berufung einer einzelnen Anlegerin gegen ein ihre Klage abweisendes Urteil des LG Köln zurückgewiesen (13 U 166/11). Der BGH hob diese Entscheidung mit Urteil vom 29.7.2014 (II ZR 353/12) auf und verwies die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das OLG zurück. Im Oktober 2017 verurteilte das LG Köln die Beklagte in einem weiteren, von ursprünglich 17 Klägern betriebenen und auf die gleichen Vorwürfe gestützten Verfahren zur Zahlung einer weiteren Gegenleistung, weil es die Voraussetzungen eines früheren Kontrollerwerbs als gegeben ansah. Dagegen legte die Beklagte Berufung ein (13 U 231/17). In beiden Verfahren führte der Senat eine umfassende Beweisaufnahme durch und entschied mit Urteilen vom 16.12.2020 zu Gunsten der Beklagten. Diese Urteile hob der BGH am 13.12.2022 auf (II ZR 9/21 und II ZR 14/21) und verwies die Sachen an das OLG Köln zurück.
In der Berufungsverhandlung am 26.4.2024 erörterte der Senat seine vorläufige Einschätzung der Rechtslage mit den Parteien. Die von den Parteien im Anschluss aufgenommenen Gespräche führten in zwei Fällen zu einer außergerichtlichen Einigung, auf deren Grundlage die jeweilige Klage zurückgenommen wurde. Das Berufungsverfahren 13 U 166/11 wurde auf diese Weise beendet. Über die Ansprüche der im vorliegenden Verfahren 13 U 231/17 verbliebenen Kläger hat der Senat nun entschieden.
Kommentierung | WpÜG
§ 29 Begriffsbestimmungen
Favoccia in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 4. Auflage 2024
4. Aufl./Lfg. 05.2024
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§ 35 Verpflichtung zur Veröffentlichung und zur Abgabe eines Angebots
Krause/Pötzsch in Assmann/Pötzsch/Uwe H. Schneider, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 4. Auflage 2024
4. Aufl./Lfg. 05.2024
Rechtsprechung (siehe Hintergrund)
Acting in concert (Postbank-Übernahme)
BGH vom 13.12.2022 - II ZR 14/21
AG 2023, 394
AG0054141
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