13.06.2023

Prätendentenstreit zwischen vormaligen BGB-Gesellschaftern um hinterlegten Erlösüberschuss aus der Zwangsversteigerung eines Grundstücks

Haben die Gesellschafter einer GbR im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, wenn ein Gesellschafter ausscheidet, wächst bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters dem letzten verbleibenden Gesellschafter das Vermögen der GbR an, d.h. die Aktiva und Passiva gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn über, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf. Das gilt auch bei einer nur aus zwei Personen bestehenden BGB-Gesellschaft.

OLG Zweibrücken v. 7.6.2023 - 4 U 27/22
Der Sachverhalt:
Die miteinander verschwägerten Parteien streiten, soweit für die Berufung noch von Interesse, um den von der Gläubigerin hinterlegten Erlösüberschuss aus der Zwangsversteigerung einer Gewerbeimmobilie. Der Beklagte war ursprünglich Alleineigentümer des in Rede stehenden Anwesens, in dem er einen Handel mit Landhausmöbeln betrieb. Mit Gesellschaftsvertrag vom 28.12.2005 gründeten die Klägerin und der Beklagte in der Rechtsform einer GbR eine Grundstücksgemeinschaft, an deren Vermögen die Klägerin zu 51 % und der Beklagte zu 49 % beteiligt waren. Zweck der GbR war der Erwerb der vorgenannten Immobilie sowie deren gemeinschaftliche Verwaltung.

Im Gesellschaftsvertrag heißt es u.a.: "Die Kündigung hat nicht die Auflösung der Gesellschaft, sondern lediglich das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge. Der Gesellschaftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters geht auf die verbleibenden Gesellschafter im Verhältnis ihrer Anteile über." Als Eigentümer des Grundstücks wurden die Prozessparteien am 6.6.2006 im Grundbuch "als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts" eingetragen. Der Beklagte kündigte seine Beteiligung an der GbR zum 31.12.2014. Beide Parteien hatten Darlehensverbindlichkeiten bei der Volksbank K, die durch Grundschulden an dem das Vermögen der GbR bildenden Grundstück dinglich besichert waren. Die Grundpfandgläubigerin betrieb aufgrund einer Forderung i.H.v. rd. 160.000 € die Zwangsversteigerung der Immobilie, deren Verkehrswert sich laut dem gerichtlich eingeholten Gutachten auf 506.000 € belief. In dem Versteigerungsverfahren erfolgte der Zuschlag des Grundstücks an den Ersteher zum Betrag von 251.000 €.

Da der Beklagte von dem Übererlös aus der Versteigerung i.H.v. rd. 87.000 € entsprechend seines Anteils an der GbR von 49 % die Auszahlung von rd. 42.500 € beanspruchte, hinterlegte die Versteigerungsgläubigerin wegen der Uneinigkeit der Prozessparteien über die Verteilung des Erlösüberschusses diesen beim AG. Vorliegend haben die Parteien im ersten Rechtszug insbesondere über das bessere Recht an dem hinterlegten Geldbetrag gestritten.

Das LG gab der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages von 25.000 € statt und wies sie im Übrigen überwiegend ab. Auf die Berufung der Klägerin gab das OLG der Klage statt und verurteilte den Beklagten, der Freigabe des erzielten Übererlöses von rd. 87.000 € zugunsten der Klägerin zuzustimmen.

Die Gründe:
Die Klägerin kann von dem Beklagten aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB die Einwilligung verlangen, dass der bei dem AG hinterlegte Geldbetrag von rd. 87.000 € an sie ausbezahlt wird, da sie zum Zeitpunkt der Zwangsversteigerung Alleineigentümerin des versteigerten Grundstücks war und der hinterlegte Übererlös an die Stelle der versteigerten Sache getreten ist.

Mit dem Ausscheiden des Beklagten aus der GbR aufgrund dessen Kündigung zum 31.12.2014 ging das Grundstück, das bis dahin im Eigentum der Gesellschaft stand, im Wege der Anwachsung in das alleinige Eigentum der Klägerin über. Im Gesellschaftsvertrag hatten die Parteien vereinbart, dass eine Kündigung nicht die Auflösung der Gesellschaft, sondern lediglich das Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters zur Folge hat. Der Gesellschaftsanteil des Beklagten als des ausscheidenden Gesellschafters ging demnach auf die Klägerin als verbleibende Gesellschafterin über. Haben die Gesellschafter einer GbR - wie hier - im Gesellschaftsvertrag geregelt, dass die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird, wenn ein Gesellschafter ausscheidet, wächst bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters dem letzten verbleibenden Gesellschafter das Vermögen der GbR an, d.h. die Aktiva und Passiva gehen im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihn über, ohne dass es eines Übertragungsaktes oder einer Übernahmeerklärung bedarf. Das gilt auch bei einer nur aus zwei Personen bestehenden BGB-Gesellschaft.

Danach war die Klägerin ab dem 1.1.2015 alleinige Eigentümerin des später zwangsversteigerten Grundstücks, ohne dass es dazu eines rechtsgeschäftlichen Übertragungsaktes bedurft hätte. Die Verlautbarung der Eigentumslage im Grundbuch war dadurch zwar inhaltlich unrichtig geworden, was aber den außerhalb des Grundbuchs erfolgten Rechtserwerb der Klägerin nicht berührt. Der Überschuss aus der Zwangsversteigerung der Immobilie steht daher ihr als früherer Eigentümerin allein zu. Denn der Versteigerungserlös tritt an die Stelle der versteigerten Sache und die an der Sache bestehende Rechtslage setzt sich an ihm fort.

Besteht zwischen zwei Forderungsprätendenten, zu deren Gunsten ein Geldbetrag bei einer öffentlichen Hinterlegungsstelle hinterlegt ist, Streit darüber, an wen von ihnen der hinterlegte Geldbetrag auszuzahlen ist, steht dem wirklichen Rechtsinhaber gegen den anderen Prätendenten ein bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Einwilligung in die Auszahlung an ihn zu. Denn Letzterer hat durch das vom Schuldner gewählte Vorgehen der Hinterlegung auf Kosten des wahren Gläubigers rechtsgrundlos die Blockierstellung eines Hinterlegungsbeteiligten erlangt. Der Prätendent, dem der hinterlegte Geldbetrag materiellrechtlich nicht zusteht, ist auf Kosten des wirklich Berechtigten in sonstiger Weise ungerechtfertigt bereichert und deshalb gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB zu der für die Auszahlung des Geldes an den wahren Berechtigten erforderlichen Zustimmung verpflichtet.

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