22.08.2022

Sozialversicherungspflicht des Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH

Die Rechtsprechung des BFH zur (möglichen) Gleichstellung eines nicht beherrschenden Gesellschafters mit einem beherrschenden Gesellschafter kann nicht auf die Beurteilung der Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern übertragen werden.

LSG Baden-Württemberg v. 27.6.2022 - L 11 BA 3585/20
Der Sachverhalt:
Die Kläger wenden sich gegen die vom beklagten Rentenversicherungsträger (Clearingstelle) im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens nach § 7a SGB IV getroffene Feststellung der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung der Kläger zu 2) und zu 3) in ihrer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Klägerin zu 1) von 2016 bis 2019.

Das SG wies die Klage ab. Das LSG hat nun auch die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.

Die Gründe:
Ist ein GmbH-Geschäftsführer zugleich als Gesellschafter am Kapital der Gesellschaft beteiligt, sind der Umfang der Kapitalbeteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenden Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal bei der Abgrenzung von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit.

Ein Geschäftsführer, der nicht über eine Kapitalbeteiligung von 50 % verfügt und damit als Mehrheitsgesellschafter ausscheidet, ist grundsätzlich abhängig beschäftigt.

Gemessen an den vorgenannten Grundsätzen waren der Kläger zu 2) und der Kläger zu 3) in der jeweils streitgegenständlichen Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin zu 1) abhängig beschäftigt und versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Sie waren nicht in der Lage, ihnen nicht genehme Weisungen zu verhindern, und konnten Beschlüsse, die ihr Anstellungsverhältnis zur Klägerin zu 1) betreffen, nicht beeinflussen. Denn sie verfügten im hier streitigen Zeitraum über lediglich 33,5 % der Gesellschaftsanteile und konnten das Geschick der Gesellschaft nicht einzeln umfassend bestimmen, da Gesellschaftsbeschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit gefasst wurden und die Stimmanteile sich nach der Höhe der Geschäftsanteile richteten. Zwei Gesellschafter konnten daher den dritten Gesellschafter überstimmen. Eine umfassende Sperrminorität, mit der jeder Gesellschafter ihm nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung hätte verhindern können, bestand nicht.

Zwar kann ein Gesellschafter nach stRspr des BFH einem beherrschenden Gesellschafter gleichgestellt werden, auch wenn er nicht mehr als 50 % der Gesellschaftsanteile hält - nämlich dann, wenn er mit anderen gleichgerichtete materielle, dh finanzielle Interessen verfolgenden Gesellschaftern zusammenwirkt, um eine ihren Gesellschafterinteressen entsprechende Willensbildung der Kapitalgesellschaft herbeizuführen (BFH v. 3.2.2011 - VI R 4/10, Rn. 17). Darauf kann nun im Sozialversicherungsrecht gerade nicht abgestellt werden. Selbst schuldrechtliche Stimmbindungsverträge sind für die Beurteilung der Versicherungspflicht eines Gesellschafter-Geschäftsführers unbeachtlich. Die sich aus dem Bestehen einer atypischen Gesellschaft ergebende Interessengleichheit zwischen den Klägern zu 2) und zu 3) sowie deren Verwandtschaft sind daher für die hier zu beurteilende Frage der Sozialversicherungspflicht irrelevant.

Maßgeblich ist allein der Gesellschaftsanteil des jeweiligen Gesellschafter-Geschäftsführers, dessen Tätigkeit im Hinblick auf eine möglicherweise bestehende Versicherungspflicht beurteilt wird. Nicht entscheidend ist auch die Zahl der Gesellschafter. Ob die Gesellschaft zwei, drei oder noch mehr Gesellschafter hat, ist unerheblich.

Die Kläger zu 2) und zu 3) trugen im streitbefangenen Zeitraum kein Unternehmerrisiko, das bei der Beurteilung des Gesamtbildes ihrer Tätigkeit für die Klägerin zu 1) in ihrem Sinne entscheidend zu berücksichtigen ist. Die Bildung einer stillen Gesellschaft durch die Kläger steht der Feststellung von Versicherungspflicht nicht entgegen. Als Innengesellschaft ist die stille Gesellschaft in erster Linie Schuldverhältnis mit dem Einlageverhältnis als zentralem vermögensrechtlichen Aspekt und nicht mit einer GmbH als Handelsgesellschaft im Sinne des HGB vergleichbar. Die Eigenschaft als stiller Gesellschafter steht einer (abhängigen) Beschäftigung nicht entgegen, weil die Kläger zu 2) und zu 3) als stille Gesellschafter nicht in der Lage waren, entscheidenden unternehmerischen Einfluss auf die Klägerin zu 1) auszuüben.

Mehr zum Thema:

Rechtsprechung:
Sozialversicherungspflicht von GmbH-Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführern
BSG vom 1.2.2022 - B 12 KR 37/19 R
Stefan Lunk, ArbRB 2022, 206

Aufsatz:
Das neue sozialversicherungsrechtliche Statusfeststellungsverfahren
Christian Moderegger, ArbRB 2022, 207

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