Umwandlung von Genussrechten und stiller Beteiligung in britische Aktien
OLG Brandenburg v. 27.9.2023 - 7 U 107/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte sich im Juni 2005 als atypisch stille Gesellschafterin mit einer Einlage von 3.000 € an der in Deutschland ansässigen D-GmbH beteiligt. Im August 2008 erwarb die Klägerin Namens-Genussrechte im Nennwert von 3.500 € und weiteren 15.000 € an der T-Investments AG. Diese wurde bald darauf in die T-Investments GmbH umgewandelt.
Im Februar 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die D-GmbH und die T-Investments GmbH auf sie, die Beklagte, verschmolzen worden seien, eine AG mit Sitz in Großbritannien. Die Klägerin sei nun Aktionärin der Beklagten (B-Shares nach englischem Recht). Dabei gab die Beklagte den rechnerischen Wert der stillen Beteiligung mit 2.361 € an und die rechnerischen Werte der Genussrechte mit 1.805 € und 7.737 €. Die Klägerin erklärte im August 2020 die außerordentliche fristlose Kündigung der stillen Beteiligung und der Genussrechte. Sie forderte vergeblich die Rückzahlung eingezahlter 21.500 €.
Die Klägerin hat im Verfahren die Ansicht vertreten, ihre Beteiligungen und Genussrechte gegenüber den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten hätten nicht einseitig in Aktienbeteiligungen verändert werden können. Die Beklagte hielt das LG für international unzuständig. Die Klägerin sei nicht Verbraucherin, sondern führe eine gesellschaftsinterne Streitigkeit.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 21.500 € verurteilt und die auf den Ersatz der Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Es hat sich für zuständig gehalten, weil die Klägerin als Verbraucherin die Klage noch unter Geltung der EuGVVO erhoben habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Zwar waren für das Verfahren die deutschen Gerichte zuständig. Die Zuständigkeit richtete sich nach Art. 66 Abs. 1, 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Die Klägerin handelte nicht als Aktionärin der Beklagten mit der Folge, dass für die internationale Zuständigkeit Gesellschaftsrecht (Art. 1 Abs. 2 Buchst. f Rom-I-VO) Anwendung fände. Dies galt, soweit die Klägerin die schuldrechtliche Genussrechtsbeteiligung gezeichnet hatte, da Genussrechte Dauerschuldverhältnisse eigener Art sind, die keine Mitgliedschaftsrechte begründen, sondern schuldrechtliche Ansprüche, die gesellschafter- oder aktienrechtlichen Ansprüchen lediglich nachgebildet sein können. Auch die von der Klägerin gezeichnete stille Beteiligung war nicht gesellschaftsrechtlicher Natur, sondern vertragsrechtlich zu qualifizieren.
Die Genussrechte waren nicht kraft Gesetzes in Aktien umgewandelt worden. Bei der hier eingetretenen Umwandlung handelte es sich um eine grenzüberschreitende Verschmelzung durch Aufnahme, die die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005 erfüllte, da die T-Investments GmbH nach dem Vortrag der Beklagten ihr Vermögen auf die Beklagte übertragen hatte. Für die Umwandlung sieht Art. 14 Abs. 1 lit. a RL 2005/56/EG vor, dass das Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. Dies bewirkt, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Damit ist das Recht, das vor der Verschmelzung auf diese Verträge anzuwenden war, auch nach der Verschmelzung anzuwenden.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach außerordentlicher Kündigung. Obwohl sie nach eigenem Vortrag im Februar 2019 Mitteilungen an die Anleger erhalten hatte, erklärte sie die Kündigung der Anlagen erst im August 2020. Ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB stand der Klägerin zu dieser Zeit somit nicht mehr zu, da es jedenfalls nicht innerhalb der gem. § 314 Abs. 3 BGB vorgesehenen angemessenen Frist ausgeübt worden ist.
Auch ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung des § 23 UmwG war nicht begründet. Nach § 23 UmwG sind den Inhabern von stimmrechtslosen Sonderrechten an dem übertragenden Rechtsträger bei der Verschmelzung gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren. Sowohl Genussrechte als auch stille Beteiligungen sind solche Sonderrechte, da sie keine Stimmrechte gewähren, aber eine Gewinnbeteiligung vorsehen, die durch die Verschmelzung an dem dann größeren Unternehmen und wegen des veränderten Verhältnisses des Anteils am Gesamtvermögen der Gefahr einer Entwertung unterliegen. Ob die von der Beklagten hier gewährten Rechte, die sog. B-Aktien gleichwertig sind, hing von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ab.
Zwar traf es zu, dass das Schreiben zur Umwandlung der Genussrechtsbeteiligung vom Februar 2019 insoweit nicht klar verständlich war, als sich der auf null reduzierte Wert der Genussrechtsbeteiligung zum Umwandlungsstichtag daraus nicht ersehen ließ. Zur Begründung eines bei Gewährung kündbarer Rechte zu erwartenden positiven Ergebnisses, das hier eine Zahlungspflicht der Beklagten begründen könnte, war das Schreiben vom Februar 2019 aber nicht geeignet. Die Klägerin hatte einen Wiederspruch der im Rechtsstreit von der Beklagten vorgetragene tatsächliche Entwicklung der Genussrechtsbeteiligung zu vorherigen Abrechnungen nicht aufgezeigt.
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Landesrecht Brandenburg
Die Klägerin hatte sich im Juni 2005 als atypisch stille Gesellschafterin mit einer Einlage von 3.000 € an der in Deutschland ansässigen D-GmbH beteiligt. Im August 2008 erwarb die Klägerin Namens-Genussrechte im Nennwert von 3.500 € und weiteren 15.000 € an der T-Investments AG. Diese wurde bald darauf in die T-Investments GmbH umgewandelt.
Im Februar 2019 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die D-GmbH und die T-Investments GmbH auf sie, die Beklagte, verschmolzen worden seien, eine AG mit Sitz in Großbritannien. Die Klägerin sei nun Aktionärin der Beklagten (B-Shares nach englischem Recht). Dabei gab die Beklagte den rechnerischen Wert der stillen Beteiligung mit 2.361 € an und die rechnerischen Werte der Genussrechte mit 1.805 € und 7.737 €. Die Klägerin erklärte im August 2020 die außerordentliche fristlose Kündigung der stillen Beteiligung und der Genussrechte. Sie forderte vergeblich die Rückzahlung eingezahlter 21.500 €.
Die Klägerin hat im Verfahren die Ansicht vertreten, ihre Beteiligungen und Genussrechte gegenüber den Rechtsvorgängerinnen der Beklagten hätten nicht einseitig in Aktienbeteiligungen verändert werden können. Die Beklagte hielt das LG für international unzuständig. Die Klägerin sei nicht Verbraucherin, sondern führe eine gesellschaftsinterne Streitigkeit.
Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 21.500 € verurteilt und die auf den Ersatz der Anwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Es hat sich für zuständig gehalten, weil die Klägerin als Verbraucherin die Klage noch unter Geltung der EuGVVO erhoben habe. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG die Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Zwar waren für das Verfahren die deutschen Gerichte zuständig. Die Zuständigkeit richtete sich nach Art. 66 Abs. 1, 17 Abs. 1, Art. 18 Abs. 1 EuGVVO. Die Klägerin handelte nicht als Aktionärin der Beklagten mit der Folge, dass für die internationale Zuständigkeit Gesellschaftsrecht (Art. 1 Abs. 2 Buchst. f Rom-I-VO) Anwendung fände. Dies galt, soweit die Klägerin die schuldrechtliche Genussrechtsbeteiligung gezeichnet hatte, da Genussrechte Dauerschuldverhältnisse eigener Art sind, die keine Mitgliedschaftsrechte begründen, sondern schuldrechtliche Ansprüche, die gesellschafter- oder aktienrechtlichen Ansprüchen lediglich nachgebildet sein können. Auch die von der Klägerin gezeichnete stille Beteiligung war nicht gesellschaftsrechtlicher Natur, sondern vertragsrechtlich zu qualifizieren.
Die Genussrechte waren nicht kraft Gesetzes in Aktien umgewandelt worden. Bei der hier eingetretenen Umwandlung handelte es sich um eine grenzüberschreitende Verschmelzung durch Aufnahme, die die Voraussetzungen des Art. 2 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2005/56/EG vom 26.10.2005 erfüllte, da die T-Investments GmbH nach dem Vortrag der Beklagten ihr Vermögen auf die Beklagte übertragen hatte. Für die Umwandlung sieht Art. 14 Abs. 1 lit. a RL 2005/56/EG vor, dass das Aktiv- und Passivvermögen der übertragenden Gesellschaft auf die übernehmende Gesellschaft übergeht. Dies bewirkt, dass die übernehmende Gesellschaft hinsichtlich sämtlicher Verträge, die von der übertragenden Gesellschaft geschlossen wurden, als Partei an deren Stelle tritt. Damit ist das Recht, das vor der Verschmelzung auf diese Verträge anzuwenden war, auch nach der Verschmelzung anzuwenden.
Die Klägerin hat jedoch keinen Anspruch auf Auszahlung eines Auseinandersetzungsguthabens nach außerordentlicher Kündigung. Obwohl sie nach eigenem Vortrag im Februar 2019 Mitteilungen an die Anleger erhalten hatte, erklärte sie die Kündigung der Anlagen erst im August 2020. Ein außerordentliches Kündigungsrecht nach § 314 BGB stand der Klägerin zu dieser Zeit somit nicht mehr zu, da es jedenfalls nicht innerhalb der gem. § 314 Abs. 3 BGB vorgesehenen angemessenen Frist ausgeübt worden ist.
Auch ein Schadensersatzanspruch wegen einer Verletzung des § 23 UmwG war nicht begründet. Nach § 23 UmwG sind den Inhabern von stimmrechtslosen Sonderrechten an dem übertragenden Rechtsträger bei der Verschmelzung gleichwertige Rechte in dem übernehmenden Rechtsträger zu gewähren. Sowohl Genussrechte als auch stille Beteiligungen sind solche Sonderrechte, da sie keine Stimmrechte gewähren, aber eine Gewinnbeteiligung vorsehen, die durch die Verschmelzung an dem dann größeren Unternehmen und wegen des veränderten Verhältnisses des Anteils am Gesamtvermögen der Gefahr einer Entwertung unterliegen. Ob die von der Beklagten hier gewährten Rechte, die sog. B-Aktien gleichwertig sind, hing von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise ab.
Zwar traf es zu, dass das Schreiben zur Umwandlung der Genussrechtsbeteiligung vom Februar 2019 insoweit nicht klar verständlich war, als sich der auf null reduzierte Wert der Genussrechtsbeteiligung zum Umwandlungsstichtag daraus nicht ersehen ließ. Zur Begründung eines bei Gewährung kündbarer Rechte zu erwartenden positiven Ergebnisses, das hier eine Zahlungspflicht der Beklagten begründen könnte, war das Schreiben vom Februar 2019 aber nicht geeignet. Die Klägerin hatte einen Wiederspruch der im Rechtsstreit von der Beklagten vorgetragene tatsächliche Entwicklung der Genussrechtsbeteiligung zu vorherigen Abrechnungen nicht aufgezeigt.
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