12.07.2024

Verbrauchergerichtsstand im Zuge des Brexits

Bei Sachverhalten mit Sachbezug zum Vereinigten Königreich bleibt auch nach dessen Austritt aus der EU für gerichtliche Verfahren, die nach dem 31.12.2020 (Brexit) eingeleitet worden sind, der Rückgriff u.a. auf den Verbrauchergerichtsstand gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 EuG-VVO eröffnet.

OLG Köln v. 23.5.2024 - 18 U 157/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin nahm die Beklagte, eine englische Limited mit Sitz in London, im Zusammenhang mit zwei Genussrechtsbeteiligungen auf Rückzahlung der getätigten Einlagen und auf Zahlung ausstehender Dividenden i.H.v. insgesamt rund 15.817 € in Anspruch. Die Klägerin hatte im Jahr 2006 zwei Genussrechtsbeteiligungen i.H.v. 39.600 € bzw. 6.000 € an der DZ. Vermögensanlagen AG (DZ.) mit Sitz in Wien gezeichnet. Dabei wurden die Genussrechtsbedingungen "DZ. Global Opportunities Fund D Germany II" zugrunde gelegt, die in § 12 Ziffer 1 für innergesellschaftliche Streitigkeit die ausschließliche Geltung des Rechts der Republik Österreich vorsahen.

Später erklärte die Klägerin ihre Zustimmung zu dem Emittentenwechsel von der DZ. auf deren Rechtsnachfolgerin, die M. J. Investments AG mit Sitz in Wien. Rechtsnachfolgerin der M. J. Investments AG wurde im Jahr 2013 die ebenfalls in Österreich ansässige M. J. Investments GmbH, die mit Wirkung zum 31.12.2018 grenzüberschreitend auf die in England ansässige Beklagte verschmolzen wurde.

Die Klägerin, die die Genussrechte, auf die sie Einlagen i.H.v. insgesamt 13.289 € erbracht hatte, zum 31.12.2017 ordentlich gekündigt hat, begehrte von der Beklagten, deren Rechtsvorgängerin die Kündigung bestätigt hat, im Wesentlichen die Rückzahlung der getätigten Einlagen nebst Zinsen. Hilfsweise beansprucht sie im Wege der Stufenklage die Abrechnung der Genussrechtsbeteiligung und die Auszahlung des abgerechneten Auseinandersetzungsguthabens.

Das LG hat der Klage i.H.v. 13.289 € nebst Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben. Nach Maßgabe des anwendbaren österreichischen Sachrechts sei die Klage überwiegend begründet. Die Klägerin könne jedoch nach § 5 Nr. 4 GRB nur die auf die Genussrechtsbeteiligungen tatsächlich eingezahlten Nennbeträge verlangen Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG das Urteil abgeändert und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 15.817 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte über den zugesprochenen Rückzahlungsbetrag nach § 5 Abs. 4 GRB hinaus aus § 3 GRB einen Anspruch auf eine nicht ausgezahlte Basisdividende abzüglich abgeführter Kapitalertrag-/Quellensteuer und Verluste.

Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte ergab sich vorliegend aus dem für Verbrauchersachen vorgesehenen Gerichtsstand des Art. 18 Abs. 1 Alt. 2 i.V.m. Art. 17 Abs. 1 lit. c) EuGVVO. Diesbezüglich hatte das LG sowohl die Verbrauchereigenschaft der Klägerin als auch die Voraussetzungen einer Verbrauchersache i.S.v. Art. 17 EuGVVO, die gegenständlich auf (vertragliche und deliktische) Ansprüche gestützte Klagen eines Verbrauchers erfasst, die untrennbar mit einem - wie hier - tatsächlich geschlossenen Verbrauchervertrag verbunden sind, zutreffend bejaht. Schließlich lag - entgegen der Ansicht der Beklagten - eine innergesellschaftliche Streitigkeit, die eine ausschließliche Zuständigkeit gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Nr. 2 EuGVVO begründen könnte, nicht vor. Letztlich bleibt auch bei Sachverhalten mit Sachbezug zum Vereinigten Königreich nach dessen Austritt aus der EU (Brexit) für gerichtliche Verfahren, die nach dem 31.12.2020 eingeleitet worden sind, der Rückgriff u.a. auf den Verbrauchergerichtsstand gem. Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 18 Abs. 1 EuG-VVO eröffnet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 13.289 €, denn sie kann von der Beklagten die Rückzahlung der von ihr erbrachten Einlagen verlangen. Der auf Zahlung des Rückzahlungsbetrages gerichtete Anspruch ergab sich aus § 5 Abs. 4 Satz 1 GRB. Danach kann im Fall der wirksamen Kündigung der Genussrechtsbeteiligung der Genussrechtsinhaber die Rückzahlung der Genussrechte zu 100 % des Nennbetrags abzüglich eines etwaigen Verlustanteils gem. § 4 GRB verlangen.

Die Wirksamkeit der seitens der Klägerin erklärten Kündigung der Genussrechtsbeteiligungen zum 31.12.2017 stand außer Streit, weshalb die (gekündigten) Genussrechte an der erst später vollzogenen Verschmelzung auf die Beklagte nicht mehr teilnahmen. Zudem hat die Klägerin, die auch in Anwendung österreichischen Rechts im Grundsatz die Darlegungs- und Beweislast für die ihm günstigen anspruchsbegründenden Tatsachen trug, indem sie die (unstreitige) Wirksamkeit der Kündigung und den (unstreitig) gezahlten Nennbetrag der gekündigten Genussrechtsbeteiligungen i.H.v. insgesamt (11.579 € zzgl. 1.710 € =) 13.289 € vorgetragen hatte, die geltend gemachte Forderung auch in der Höhe schlüssig dargelegt.

Entgegen der Annahme der Beklagten konnte der geltend gemachte Betrag in Höhe der tatsächlich erbrachten Einlagen hier nicht durch einen Verlustanteil gemindert werden. Die Beklagte ist ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, denn sie hatte einen Verlustanteil und damit einhergehend eine Reduzierung des Werts der von der Klägerin gezeichneten Genussrechte zum 31.12.2017 auf 0 € nicht hinreichend dargelegt.

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