VW-Abgasskandal: Kein Schadensersatz für Fondsgesellschaften wegen Aktienkäufen
OLG Stuttgart v. 12.4.2022 - 1 U 205/18
Der Sachverhalt:
Die beiden Klägerinnen sind Fondsgesellschaften der US-amerikanischen E.-Gruppe. Die beklagte Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE) ist als Holdinggesellschaft mit rund 52 % der Stimmrechte an der VW AG beteiligt; diese Beteiligung stellt ihr einziges substanzielles Investment dar. Die Klägerinnen erwarben in den Jahren 2013 bis 2015 Vorzugsaktien der Beklagten. Sie nehmen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abgasskandal auf Schadensersatz in Anspruch, insbesondere wegen der Verletzung kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten. Die Klägerinnen machen insgesamt rund 160 Mio. € Kursdifferenzschaden geltend (26,72 € Schaden pro Vorzugsaktie bei rund 4 bzw. 2 Mio. erworbenen Vorzugsaktien).
Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte wegen unterlassener bzw. verspäteter Ad-hoc-Mitteilungen im Zusammenhang mit der am 22.9.2015 publizierten Abgasproblematik bei VW-Dieselfahrzeugen zu Schadensersatzzahlungen i.H.v. insgesamt rd. 44 Mio. €. Im Übrigen wies es die Klage ab. Dagegen richten sich die Klägerinnen und die Beklagte mit ihren jeweiligen Berufungen. Das OLG setzte das Verfahren im Hinblick auf zwei Kapitalanleger-Musterverfahren des OLG Stuttgart und des OLG Braunschweig aus. Der BGH hob diese Entscheidung auf und ordnete die Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens an. Daraufhin wies das OLG die Klage nunmehr ab. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch möglich.
Die Gründe:
Die Klägerinnen sind aktivlegitimiert. Nach den insoweit bindenden tatbestandlichen Feststellungen des LG waren die Klägerinnen bei Bekanntwerden der Insiderinformation Inhaberinnen der zuvor erworbenen Finanzinstrumente - hier Aktien, die durch einen Zwischenverwahrer in registrierter Form nach US-amerikanischem Recht verwahrt werden - und sind damit zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gem. § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. befugt.
In der Sache sind die Zahlungs- und Schadensfeststellungsanträge der Klägerinnen jedoch unbegründet. Der eingeklagte Kursdifferenzschaden durch die Käufe von Vorzugsaktien der Beklagten ist zu verneinen. Den Klägerinnen stehen daher keine entsprechenden Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu. Zusätzlich und verknüpft mit den Käufen von Vorzugsaktien der Beklagten haben die Klägerinnen Leerverkäufe von VW-Vorzugsaktien getätigt. Bei dem Kursdifferenzschaden durch die Käufe von (aus Klägersicht verhältnismäßig unterbewerteter) Vorzugsaktien der Beklagten sind die Vorteile aus den gleichzeitig getätigten Leerverkäufen von Vorzugsaktien der VW AG anzurechnen.
Dies führt zum Wegfall eines möglichen Kursdifferenzschadens, da die Klägerinnen ihre Klage auf Pflichtverletzungen der Beklagten stützen, die ihre Grundlage in der Beteiligung der Beklagten an der VW-AG haben und den VW Abgasskandal betreffen. Gerade solche Risiken waren aber gezielt durch die Leerverkäufe von VW Vorzugsaktien abgesichert, zumal die nach Bekanntwerden der Dieselproblematik aufgetretenen Kursverluste bei VW-Aktien wegen der Leerverkäufe zu Gewinnen geführt haben, die die Verluste bei den Vorzugsaktien der Porsche SE kompensiert hätten (Pair Trade).
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OLG Stuttgart PM vom 12.4.2022
Die beiden Klägerinnen sind Fondsgesellschaften der US-amerikanischen E.-Gruppe. Die beklagte Porsche Automobil Holding SE (Porsche SE) ist als Holdinggesellschaft mit rund 52 % der Stimmrechte an der VW AG beteiligt; diese Beteiligung stellt ihr einziges substanzielles Investment dar. Die Klägerinnen erwarben in den Jahren 2013 bis 2015 Vorzugsaktien der Beklagten. Sie nehmen die Beklagte im Zusammenhang mit dem Abgasskandal auf Schadensersatz in Anspruch, insbesondere wegen der Verletzung kapitalmarktrechtlicher Publizitätspflichten. Die Klägerinnen machen insgesamt rund 160 Mio. € Kursdifferenzschaden geltend (26,72 € Schaden pro Vorzugsaktie bei rund 4 bzw. 2 Mio. erworbenen Vorzugsaktien).
Das LG gab der Klage teilweise statt und verurteilte die Beklagte wegen unterlassener bzw. verspäteter Ad-hoc-Mitteilungen im Zusammenhang mit der am 22.9.2015 publizierten Abgasproblematik bei VW-Dieselfahrzeugen zu Schadensersatzzahlungen i.H.v. insgesamt rd. 44 Mio. €. Im Übrigen wies es die Klage ab. Dagegen richten sich die Klägerinnen und die Beklagte mit ihren jeweiligen Berufungen. Das OLG setzte das Verfahren im Hinblick auf zwei Kapitalanleger-Musterverfahren des OLG Stuttgart und des OLG Braunschweig aus. Der BGH hob diese Entscheidung auf und ordnete die Fortsetzung des vorliegenden Verfahrens an. Daraufhin wies das OLG die Klage nunmehr ab. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Revision zum BGH wurde nicht zugelassen; eine Nichtzulassungsbeschwerde ist jedoch möglich.
Die Gründe:
Die Klägerinnen sind aktivlegitimiert. Nach den insoweit bindenden tatbestandlichen Feststellungen des LG waren die Klägerinnen bei Bekanntwerden der Insiderinformation Inhaberinnen der zuvor erworbenen Finanzinstrumente - hier Aktien, die durch einen Zwischenverwahrer in registrierter Form nach US-amerikanischem Recht verwahrt werden - und sind damit zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche gem. § 37b Abs. 1 Nr. 1 WpHG a.F. befugt.
In der Sache sind die Zahlungs- und Schadensfeststellungsanträge der Klägerinnen jedoch unbegründet. Der eingeklagte Kursdifferenzschaden durch die Käufe von Vorzugsaktien der Beklagten ist zu verneinen. Den Klägerinnen stehen daher keine entsprechenden Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte zu. Zusätzlich und verknüpft mit den Käufen von Vorzugsaktien der Beklagten haben die Klägerinnen Leerverkäufe von VW-Vorzugsaktien getätigt. Bei dem Kursdifferenzschaden durch die Käufe von (aus Klägersicht verhältnismäßig unterbewerteter) Vorzugsaktien der Beklagten sind die Vorteile aus den gleichzeitig getätigten Leerverkäufen von Vorzugsaktien der VW AG anzurechnen.
Dies führt zum Wegfall eines möglichen Kursdifferenzschadens, da die Klägerinnen ihre Klage auf Pflichtverletzungen der Beklagten stützen, die ihre Grundlage in der Beteiligung der Beklagten an der VW-AG haben und den VW Abgasskandal betreffen. Gerade solche Risiken waren aber gezielt durch die Leerverkäufe von VW Vorzugsaktien abgesichert, zumal die nach Bekanntwerden der Dieselproblematik aufgetretenen Kursverluste bei VW-Aktien wegen der Leerverkäufe zu Gewinnen geführt haben, die die Verluste bei den Vorzugsaktien der Porsche SE kompensiert hätten (Pair Trade).
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