08.10.2024

Zu Aufklärungspflichten der Altgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft gegenüber beitrittswilligen Anleger

Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des Anlegerschutzes vom 28.10.2004 treffen die Altgesellschafter einer Publikumskommanditgesellschaft Aufklärungspflichten nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB gegenüber dem beitrittswilligen Anleger nur dann, wenn sie entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen. Dies gilt auch dann, wenn der Altgesellschafter zugleich die Stellung eines Treuhandkommanditisten innehat. Aus der zusätzlichen Stellung als Treuhandkommanditist und seiner Funktion bei der Umsetzung des Fondskonzepts allein ergeben sich keine weitergehenden Aufklärungspflichten.

BGH v. 4.6.2024 - II ZB 17/22
Der Sachverhalt:
Der Musterkläger, die Beigetretenen und die Beigeladenen nehmen die Musterbeklagte wegen ihrer in den Jahren 2006 und 2007 begründeten Beteiligungen als Direktkommanditisten oder als Treugeber an der "H. Immobilienfonds GmbH & Co. KG" (Fondsgesellschaft) auf Schadensersatz in Anspruch. Die Musterbeklagte (vormals H. Immobilien Treuhand GmbH) war nach den Prospektangaben Gründungs- und Treuhand-kommanditistin der Fondsgesellschaft. Alleinige Gesellschafterin der Musterbeklagten war die H. Schiffstreuhand GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die H. AG war.

Das Beteiligungskonzept des Fonds wurde entwickelt von der H. Consult GmbH, deren Gesellschafterin ebenfalls die H. Schiffstreuhand GmbH war. Nach den Prospektangaben übernahmen die Fondsgesellschaft als Emittentin und die H. Capitalberatungsgesellschaft für Immobilien mbH als Anbieterin, die auch mit dem Vertrieb der Anlage betraut war, die Verantwortung für den Inhalt des Prospekts. Persönlich haftende Gesellschafterin der Fondsgesellschaft war die H. Verwaltungsgesellschaft mbH, deren alleinige Gesellschafterin die H. Properties International GmbH und deren alleinige Gesellschafterin wiederum die H. AG war. Alleinige Gesellschafterin der H. Capitalberatungsgesellschaft für Immobilien mbH war die H. Capitalberatungsgesellschaft mbH, deren alleinige Gesellschafterin wiederum die H. AG war.

Das LG legte dem OLG Feststellungsziele zur Herbeiführung eines Musterentscheids vor, mit denen die Feststellung verlangt wird, dass der am 29.7.2005 herausgegebene Prospekt der Fondsgesellschaft in mehreren Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend sei (Feststellungsziele 1.1 bis 1.8), die Musterbeklagte im Hinblick auf die Beteiligungen an der Fondsgesellschaft gegenüber den Anlegern Haftungsschuldnerin aus Prospekthaftung im weiteren Sinne sei (Feststellungsziel 2) und schuldhaft nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne gehandelt habe (Feststellungsziel 3). Das OLG wies den Musterfeststellungsantrag betreffend das Feststellungsziel 2 als unbegründet zurück und stellte fest, dass die Musterfeststellungsanträge betreffend die Feststellungsziele 1.1 bis 1.8 und 3 gegenstandslos sind. Gegen den Musterentscheid legten der Musterkläger und drei Beigeladene Rechtsbeschwerde ein, mit der sie sämtliche Feststellungsziele weiterverfolgen. Drei weitere Beigeladene traten innerhalb der Frist des § 20 Abs. 3 Satz 1 KapMuG dem Rechtsbeschwerdeverfahren auf Seiten des Musterrechtsbeschwerdeführers bei. Der Senat bestimmte die Musterbeklagte zur Musterrechtsbeschwerdegegnerin.

Die Rechtsbeschwerde des Musterrechtsbeschwerdeführers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Musterbeklagte unterliegt keinen gesellschaftsrechtlichen Aufklärungspflichten, deren Verletzung zu einer Haftung gem. § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB führen kann.

Nach der neueren Rechtsprechung des BGH ist eine gesellschaftsrechtliche Haftung der Gründungs- bzw. Altgesellschafter wegen Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflicht gem. § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB (sog. Prospekthaftung im weiteren Sinne) durch Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung entgegen der Annahme des OLG im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. § 13 VerkProspG a.F., §§ 44 ff. BörsG a.F. zwar nicht ausgeschlossen (BGH v. 24.10.2023 - II ZR 57/21).

Im Hinblick auf die Ausgestaltung der spezialgesetzlichen Prospekthaftung für Altgesellschafter durch die Regelungen des Verkaufsprospektgesetzes bestehen vorvertragliche Aufklärungspflichten nach § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2 BGB aber nur für solche Altgesellschafter, die entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernehmen oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung tragen (u.a. BGH v. 27.6.2023 - II ZR 57/21, ZIP 2023, 1588; BGH v. 11.7.2023 - XI ZB 20/21, WM 2023, 1692; BGH v. 11.7.2023 - XI ZR 60/22, AG 2023, 585). Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Gründungs- bzw. Altgesellschafter zugleich die Stellung eines Treuhandkommanditisten hat.

Danach hat das OLG hier eine mögliche Haftung der Musterbeklagten aus der sog. Prospekthaftung im weiteren Sinne zu Recht verneint. Der zeitliche Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung gem. § 13 VerkProspG a.F., §§ 44 ff. BörsG a.F. ist eröffnet. Auf den am 29.7.2005 veröffentlichten Verkaufsprospekt und Ansprüche wegen (unterstellter) Fehlerhaftigkeit dieses Prospekts finden gem. § 32 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 VermAnlG das Verkaufsprospektgesetz und die §§ 44 bis 47 des Börsengesetzes jeweils in der bis zum 31.5.2012 geltenden Fassung Anwendung. Die Musterbeklagte hat weder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernommen, noch hat sie für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung getragen.

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