07.04.2025

Zur Frage eines kollusiven Zusammenwirkens zwischen Mieter und Geschäftsführer der vermietenden GmbH

Der BGH hat sich vorliegend mit dem kollusiven Zusammenwirken i.S.v. § 138 Abs. 1 BGB zwischen dem Vertreter des Vermieters (hier: dem Geschäftsführer einer GmbH) und dem Mieter bei Abschluss eines Wohnraummietvertrags zum Nachteil des Vermieters sowie mit der Frage einer unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) durch den Mieter bei von ihm erkanntem oder sich ihm aufdrängenden Missbrauch der Vertretungsmacht befasst.

BGH v. 26.3.2025 - VIII ZR 152/23
Der Sachverhalt:
Die Beklagte zu 1) und ihr Lebensgefährte, der Beklagte zu 2), bewohnen mit ihren minderjährigen Kindern mindestens seit Dezember 2017 eine im Eigentum der klagenden GmbH stehende Fünfzimmerwohnung in Berlin mit einer Wohnfläche von rund 177 m². Nach dem schriftlichen Mietvertrag, der von der Beklagten zu 1) als (alleiniger) Mieterin und für die Klägerin als Vermieterin von ihrem damaligen (alleinvertretungsberechtigten) Geschäftsführer unterzeichnet wurde, sollte das Mietverhältnis zum 21.12.2017 beginnen. Die Nettokaltmiete sollte mtl. 600 € betragen, die Bruttomiete mtl. 1.010 €. Die - von ihr im Folgenden erfüllte - Mietzahlungspflicht der Mieterin sollte erst zum 1.9.2018 beginnen und die Mieterin bis dahin - "als Gegenleistung" für die im Vertrag enthaltene Verpflichtung, die Wohnung mit Ausnahme der vom Vermieter durchzuführenden Maßnahmen fachgerecht renovieren zu lassen - eine Bruttomietbefreiung erhalten.

Die Gesellschafter der Klägerin betrieben - gestützt auf den Vorwurf einer Schädigung der Vermögensinteressen der Klägerin - die Ablösung des damaligen Geschäftsführers. Mit Schreiben vom 15.2.2021 verlangte die Klägerin, nunmehr vertreten durch ihren neuen Geschäftsführer, von der Beklagten zu 1) die Räumung und Herausgabe der Wohnung mit der Begründung, der Mietvertrag sei durch kollusives Verhalten zustande gekommen und zudem wegen der niedrigen Miete sittenwidrig. Die Beklagte zu 1) ließ dieses Begehren mit anwaltlichem Schreiben zurückweisen. Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, von beiden Beklagten die Räumung und Herausgabe der Wohnung und von der Beklagten zu 1) zudem die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für das Jahr 2018. Die Beklagten verlangen im Wege der Widerklage von der Klägerin Ersatz der vorgerichtlich für die Zurückweisung des Räumungsverlangens vom Februar 2021 entstandenen Kosten der Rechtsverteidigung.

Das AG wies die Klage ab und gab der Widerklage statt. Das LG gab der Klage - bis auf einen Teil des Zahlungsbegehrens - statt und wies die Widerklage ab. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Urteil des LG auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Mit der vom LG gegebenen Begründung kann ein Anspruch der Klägerin auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gegen die Beklagten gem. § 546 Abs. 1, 2, § 985 BGB nicht bejaht werden.

Die Annahme des LG, der zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) geschlossene Mietvertrag sei wegen kollusiven Zusammenwirkens des damaligen Geschäftsführers der Klägerin und des Beklagten zu 2) sittenwidrig und deshalb gem. § 138 Abs. 1 BGB unwirksam, erweist sich als rechtsfehlerhaft. Das LG hat seiner Prüfung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt, indem es eine Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis von dem Missbrauch der Vertretungsmacht hat ausreichen lassen. Soweit eine solche Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis dazu führen kann, dass dem Vertragspartner eine Berufung auf die Wirksamkeit des Vertrags nach § 242 BGB versagt ist, fehlt es vorliegend an tragfähigen Feststellungen des LG, um die von ihm bejahte Kenntnis bzw. grobfahrlässige Unkenntnis des Beklagten zu 2) der Beklagten zu 1) als (alleiniger) Vertragspartnerin der Klägerin zurechnen zu können. Damit entfällt zugleich die Grundlage für den von der Klägerin gegen die Beklagte zu 1) geltend gemachten Anspruch auf Nutzungswertersatz gem. § 987 Abs. 1, § 990 Abs. 1 BGB sowie für die Beurteilung des von den Beklagten mit der Widerklage geltend gemachten Anspruchs gem. § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die vorgerichtliche Zurückweisung des Räumungs- und Herausgabebegehrens der Klägerin.

Das LG ist rechtfehlerhaft davon ausgegangen, dass der Mietvertrag nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig sei. Es hat keine Feststellungen getroffen, die den Schluss erlaubten, die Beklagte zu 1) als alleinige Vertragspartnerin der Klägerin habe mit der Eingehung des Mietverhältnisses über die streitgegenständliche Wohnung zu den im schriftlichen Mietvertrag enthaltenen Bedingungen im bewussten Zusammenwirken mit dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin zu deren Nachteil (kollusiv) handeln wollen. Der angefochtenen Entscheidung lässt sich bereits nichts zum Kenntnisstand der Beklagten zu 1) hinsichtlich der den Abschluss des schriftlichen Mietvertrags begleitenden Umstände und erst recht nichts zu einer Billigung etwaiger Absprachen zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin und dem Beklagten zu 2) oder zu einer Einbindung der Beklagten zu 1) in solche Absprachen entnehmen.

Hinzu kommt, dass das LG - ungeachtet der Frage, ob das Handeln des Beklagten zu 2) der Beklagten zu 1) zugerechnet werden kann - hinsichtlich dieses von ihm im Rahmen der Prüfung nach § 138 Abs. 1 BGB in erster Linie in den Blick genommenen Handelns des Beklagten zu 2) die tatsächlichen Voraussetzungen für die Annahme eines kollusiven Zusammenwirkens nicht ausreichend festgestellt hat. Soweit das LG in diesem Zusammenhang eine (bloße) Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis des Beklagten zu 2) von einem Missbrauch der Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers der Klägerin hat genügen lassen, deutet dies darauf hin, dass es die Fälle der Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts nach § 138 Abs. 1 BGB wegen kollusiven Zusammenwirkens einerseits und der nach § 242 BGB unzulässigen Rechtsausübung wegen eines vom Vertragspartner erkannten oder sich diesem aufdrängenden Missbrauchs der Vertretungsmacht andererseits nicht hinreichend unterschieden und infolgedessen zu geringe Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen eines kollusiven Zusammenwirkens gestellt hat.

Die bisherigen tatsächlichen Feststellungen des LG erlauben aber auch nicht die Annahme, die Beklagte zu 1) sei im Streitfall jedenfalls wegen eines von ihr erkannten oder sich ihr aufdrängenden Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den damaligen Geschäftsführer gem. § 242 BGB daran gehindert, sich auf die Wirksamkeit des in Rede stehenden Mietvertrags mit der Klägerin zu berufen. Zwar hat der damalige Geschäftsführer der Klägerin nach dem revisionsrechtlich maßgeblichen Sachverhalt mit dem Abschluss des in Rede stehenden schriftlichen Mietvertrags mit der Beklagten zu 1) seine Befugnis zur rechtsgeschäftlichen Vertretung der Klägerin (§ 35 Abs. 1 GmbHG) missbraucht. Die Vornahme einer (Neu-)Vermietung der im Objekt belegenen Wohnungen als solche war von den Gesellschaftern der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt gerade nicht beabsichtigt und lag deshalb nicht im Interesse der Gesellschaft, weil die Wohnungen im Gebäude verkauft werden sollten. Indessen wirkt sich die Missachtung der internen Beschränkungen durch den damaligen Geschäftsführer der Klägerin im Außenverhältnis zur Beklagten zu 1) als Vertragspartnerin der Klägerin nicht aus. Die bisherigen Feststellungen des LG erlauben nicht den Schluss darauf, dass die Beklagte zu 1) einen Missbrauch der Vertretungsmacht durch den damaligen Geschäftsführer bezogen auf die Überlassung der streitgegenständlichen Mietwohnung zu den Bedingungen des schriftlichen Mietvertrags erkannt hatte oder hätte erkennen müssen.

Derjenige, der - wie hier die Beklagte zu 1) - einen Vertrag mit einer GmbH abschließen will, braucht sich grundsätzlich nicht darum zu kümmern, ob der Geschäftsführer die sich aus dem Innenverhältnis ergebenden Schranken seiner Befugnis einhält; Nachforschungen hierüber sollen dem redlichen Geschäftsverkehr erspart bleiben. Die Vertretungsmacht des Geschäftsführers ist gem. § 37 Abs. 2 Satz 1 GmbHG im Außenverhältnis grundsätzlich unbeschränkt und unbeschränkbar. Das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht hat grundsätzlich der Vertretene zu tragen. Die im Interesse des Verkehrsschutzes angeordnete rechtliche Unbeachtlichkeit von Beschränkungen der Vertretungsbefugnis gegenüber dem Vertragspartner gilt jedoch nicht ausnahmslos. Das Vertrauen des Geschäftspartners auf den Bestand des Geschäfts ist nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Geschäftsführer seine Vertretungsmacht missbraucht. In einem solchen Fall kann er aus dem formal durch die Vertretungsmacht des Geschäftsführers gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte oder Einwendungen herleiten.

Im Streitfall erlauben die bisherigen Feststellungen des LG nicht den Schluss darauf, dass die Beklagte zu 1) als Vertragspartnerin der Klägerin einen Missbrauch der Vertretungsmacht durch den damaligen Geschäftsführer bezogen auf die Überlassung der streitgegenständlichen Mietwohnung zu den Bedingungen des schriftlichen Mietvertrags erkannt hatte. Das LG hat insoweit lediglich eine Kenntnis des - nicht als Partei am Mietvertrag beteiligten - Beklagten zu 2) von einer pflichtwidrigen Ausübung der Vertretungsmacht des damaligen Geschäftsführers der Klägerin aus bestimmten, dem Beklagten zu 2) nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme bekannten Umständen - der fehlenden Vermietungsabsicht der Gesellschafter der Klägerin, den günstigen Bedingungen des Mietvertrags sowie einem Konflikt der Gesellschafter - hergeleitet. Diese Kenntnis hat es der Beklagten zu 1) nach der Vorschrift des § 166 BGB zugerechnet. Indessen fehlt es - wie die Revision mit Recht rügt - an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für eine solche Wissenszurechnung.

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