Zur Haftung des Herstellers im Dieselskandal: Deliktszinsen - Annahmeverzug - Verjährung
BGH v. 21.12.2021 - VI ZR 212/20
Der Sachverhalt:
Der Kläger nimmt den beklagten Motorenhersteller wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger erwarb im November 2012 von einem Gebrauchtwagenhändler einen gebrauchten PKW Audi A4 Avant. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Dieser Motor verfügte über eine sog. "Umschaltlogik", die den Prüfstandsbetrieb bei der Typzulassung erkannte und dann die Grenzwerte der Abgasnorm EU 5 einhielt. Außerhalb des Prüfstandsbetriebs befand sich die Motorsteuerung in einem anderen Modus mit NOx-Werten jenseits der Abgasnorm EU 5.
Mit seiner im Jahr 2019 erhobenen Klage verlangt der Kläger Erstattung des Kaufpreises zzgl. Delikts- und Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte beantragte Klageabweisung und erhob u.a. die Einrede der Verjährung.
Das LG gab der Klage hinsichtlich des Hauptantrags abzgl. einer Nutzungsentschädigung, hinsichtlich der Rechtshängigkeitszinsen sowie hinsichtlich des Annahmeverzugs statt und wies sie im Übrigen ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG den Vorteilsausgleich zu Gunsten des Klägers ab und sprach dem Kläger zusätzlich Deliktszinsen zu; die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Berufung der Beklagten wies es zurück. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf, wies die Klage teilweise ab und verwies die Sache im Übrigen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das OLG nimmt zu Recht an, dass mit dem Erwerb des Pkw am 19.11.2012 ein auf Erstattung des Kaufpreises abzgl. gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs gerichteter Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gem. § 826 BGB entstanden ist. Die Revision beanstandet aber zu Recht, dass das OLG dem Kläger Deliktszinsen gem. § 849 BGB auf einen Betrag von rd. 13.000 € vom 19.11.2011 bis 25.6.2019 zugesprochen hat. Ein solcher Anspruch scheidet aus Rechtsgründen aus, da der Kläger als Gegenleistung für die Kaufpreiszahlung ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat.
Die Revision der Beklagten ist auch hinsichtlich des Ausspruchs des OLG begründet, die Beklagte befinde sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug. Der Kläger hat sein Angebot auf Rückgabe des Fahrzeugs durchgängig an die unberechtigte Bedingung der Erstattung des Kaufpreises ohne Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen geknüpft. Er hat damit im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, die Zahlung eines deutlich höheren Betrags verlangt, als er hätte beanspruchen können. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben.
Schließlich kann auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht zurückgewiesen werden. Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die revisionsrechtliche Prüfung der Sachvortrag der Beklagten zu unterstellen, wonach der Kläger noch im Jahr 2015 sowohl Kenntnis vom sogenannten Dieselskandal im Allgemeinen als auch von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges erlangt hat. Auf dieser Grundlage wäre es dem Kläger entgegen der Annahme des OLG noch im Jahr 2015 zumutbar gewesen, Klage zu erheben und seinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB gerichtlich geltend zu machen. Entgegen der Ansicht des OLG bedurfte es hierzu keiner näheren Kenntnis des Klägers von den Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation der Beklagten. Damit wäre die dreijährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der erst im Jahr 2019 erfolgten Klageerhebung bereits abgelaufen gewesen.
Die Sache ist insoweit allerdings nicht zur Entscheidung reif. Das OLG hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger tatsächlich noch im Jahr 2015 Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB vom Dieselskandal allgemein und von der Betroffenheit seines Fahrzeugs hiervon erlangt hatte.
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Der Kläger nimmt den beklagten Motorenhersteller wegen Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung für die Abgasrückführung auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger erwarb im November 2012 von einem Gebrauchtwagenhändler einen gebrauchten PKW Audi A4 Avant. Das Fahrzeug ist mit einem von der Beklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA189 ausgestattet. Dieser Motor verfügte über eine sog. "Umschaltlogik", die den Prüfstandsbetrieb bei der Typzulassung erkannte und dann die Grenzwerte der Abgasnorm EU 5 einhielt. Außerhalb des Prüfstandsbetriebs befand sich die Motorsteuerung in einem anderen Modus mit NOx-Werten jenseits der Abgasnorm EU 5.
Mit seiner im Jahr 2019 erhobenen Klage verlangt der Kläger Erstattung des Kaufpreises zzgl. Delikts- und Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs, die Feststellung des Annahmeverzugs und Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten. Die Beklagte beantragte Klageabweisung und erhob u.a. die Einrede der Verjährung.
Das LG gab der Klage hinsichtlich des Hauptantrags abzgl. einer Nutzungsentschädigung, hinsichtlich der Rechtshängigkeitszinsen sowie hinsichtlich des Annahmeverzugs statt und wies sie im Übrigen ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das OLG den Vorteilsausgleich zu Gunsten des Klägers ab und sprach dem Kläger zusätzlich Deliktszinsen zu; die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Berufung der Beklagten wies es zurück. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf, wies die Klage teilweise ab und verwies die Sache im Übrigen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das OLG nimmt zu Recht an, dass mit dem Erwerb des Pkw am 19.11.2012 ein auf Erstattung des Kaufpreises abzgl. gezogener Nutzungen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs gerichteter Schadensersatzanspruch des Klägers gegen die Beklagte aus sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung gem. § 826 BGB entstanden ist. Die Revision beanstandet aber zu Recht, dass das OLG dem Kläger Deliktszinsen gem. § 849 BGB auf einen Betrag von rd. 13.000 € vom 19.11.2011 bis 25.6.2019 zugesprochen hat. Ein solcher Anspruch scheidet aus Rechtsgründen aus, da der Kläger als Gegenleistung für die Kaufpreiszahlung ein in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbares Fahrzeug erhalten hat.
Die Revision der Beklagten ist auch hinsichtlich des Ausspruchs des OLG begründet, die Beklagte befinde sich mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug. Der Kläger hat sein Angebot auf Rückgabe des Fahrzeugs durchgängig an die unberechtigte Bedingung der Erstattung des Kaufpreises ohne Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen geknüpft. Er hat damit im für die Entscheidung maßgeblichen Zeitpunkt, nämlich dem Schluss der mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz, die Zahlung eines deutlich höheren Betrags verlangt, als er hätte beanspruchen können. Ein zur Begründung von Annahmeverzug auf Seiten der Beklagten geeignetes Angebot ist unter diesen Umständen nicht gegeben.
Schließlich kann auf der Grundlage des revisionsrechtlich zu unterstellenden Sachverhalts die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht zurückgewiesen werden. Mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die revisionsrechtliche Prüfung der Sachvortrag der Beklagten zu unterstellen, wonach der Kläger noch im Jahr 2015 sowohl Kenntnis vom sogenannten Dieselskandal im Allgemeinen als auch von der konkreten Betroffenheit seines Fahrzeuges erlangt hat. Auf dieser Grundlage wäre es dem Kläger entgegen der Annahme des OLG noch im Jahr 2015 zumutbar gewesen, Klage zu erheben und seinen Anspruch gegen die Beklagte aus §§ 826, 31 BGB gerichtlich geltend zu machen. Entgegen der Ansicht des OLG bedurfte es hierzu keiner näheren Kenntnis des Klägers von den Verantwortlichkeiten innerhalb der Organisation der Beklagten. Damit wäre die dreijährige Verjährungsfrist zum Zeitpunkt der erst im Jahr 2019 erfolgten Klageerhebung bereits abgelaufen gewesen.
Die Sache ist insoweit allerdings nicht zur Entscheidung reif. Das OLG hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus konsequent - keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Kläger tatsächlich noch im Jahr 2015 Kenntnis i.S.d. § 199 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 BGB vom Dieselskandal allgemein und von der Betroffenheit seines Fahrzeugs hiervon erlangt hatte.
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