30.05.2022

§§ 101, 103 ff KAGB schließen grundsätzlich Ansprüche nach § 666 Var. 2 und 3 BGB nicht aus

Die Kapitalverwaltungsgesellschaft können - über ihre allen Anlegern gegenüber bestehenden Berichtspflichten nach diesen Vorschriften hinaus - grundsätzlich auch individuelle Informations- und Rechenschaftspflichten gem. § 666 BGB gegenüber dem Kunden als Geschäftsherrn treffen. Die Regelungen in §§ 101, 103 ff KAGB sind nicht umfassend und schließen weitergehende Ansprüche nicht aus.

BGH v. 21.4.2022 - III ZR 268/20
Der Sachverhalt:
Die Beklagte verwaltet den im Jahr 1956 aufgelegten Fonds C. Hierbei handelt es sich um ein Sondervermögen gemäß Richtlinie 2009/65/EG (OGAW). Einzelheiten u.a. zu Anlage und Verwaltung des Fondsvermögens sind in den Allgemeinen und Besonderen Anlagebedingungen geregelt. Der Kläger ist seit März 2017 - entweder allein oder gemeinsam mit seiner Ehefrau - Inhaber von 336 Investmentanteilen der Anteilklasse A (EUR). Diese Anteile hat er nicht originär erworben, sondern sie wurden ihm von der AachenMünchener Versicherung AG als Ablaufleistung aus einer Rentenpolice übertragen. Seitdem sind sie in ein gemeinsames Depot des Klägers und seiner Ehefrau eingebucht. Einen Ausgabeaufschlag zahlte der Kläger nicht.

Die Ausgabeaufschläge sowie die aus dem Investmentvermögen an die Verwaltungsgesellschaft zu entrichtenden Gebühren und Auslagen bestimmen sich nach den Besonderen Anlagebedingungen der Beklagten. Die maßgeblichen Passagen lauten in der bis zum 31.12.2017 geltenden Fassung wie folgt:

"§ 6 Ausgabe- und Rücknahmepreis
(1) Für alle Anteilklassen, für die sowohl im Verkaufsprospekt als auch im Jahres- und Halbjahresbericht die Einhaltung einer Mindestanlagesumme nicht vorgesehen ist, beträgt der Ausgabeaufschlag 6 % des Anteilwertes. Es steht der Gesellschaft frei, für eine oder mehrere dieser Anteilklassen einen niedrigeren Ausgabeaufschlag zu berechnen. Für die übrigen Anteilklassen wird kein Ausgabeaufschlag erhoben. (...).

(2) (...)
§ 7 Kosten (Vergütungen und Aufwendungen)

(1) Vergütungen, die an die Gesellschaft zu zahlen sind:
1. Für alle Anteilklassen, für die sowohl im Verkaufsprospekt als auch im Jahres- und Halbjahresbericht die Einhaltung einer Mindestanlagesumme nicht vorgesehen ist, erhält die Gesellschaft aus dem OGAW-Sondervermögen eine tägliche Pauschalvergütung in Höhe von 1,80 % p.a. des anteiligen Wertes des OGAW-Sondervermögens, errechnet auf der Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes. Für die übrigen Anteilklassen beträgt die tägliche Pauschalvergütung des OGAW-Sondervermögens 0,95 % p.a. des anteiligen Wertes des OGAW-Sondervermögens, errechnet auf der Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes. Es steht der Gesellschaft frei, in einzelnen oder mehreren Anteilklassen eine niedrigere Pauschalvergütung zu berechnen. (...) Mit dieser Pauschalvergütung sind folgende Vergütungen und Aufwendungen abgedeckt und werden dem OGAW-Sondervermögen nicht separat belastet:

a) ...
b) Vergütung für die Vertriebsstellen des OGAW-Sondervermögens (...)

Der Kläger war der Ansicht, die Beklagte habe zu Unrecht die Ausgabeaufschläge vereinnahmt sowie die in der Kostenpauschale enthaltene Vergütung für die Vertriebsstellen des OGAW-Sondervermögens dem Sondervermögen entnommen und damit die an ihn zu leistenden Ausschüttungen verkürzt. Die Anlagebedingungen seien bereits nicht in den mit dem Kläger geschlossenen Investmentvertrag einbezogen worden. Jedenfalls seien sie unwirksam. Die angegriffenen Klauseln enthielten - uneingeschränkt kontrollfähige - Preisnebenabreden, die ihn, den Kläger, als Vertragspartner der Beklagten unangemessen benachteiligten. Außerdem seien sie intransparent.


AG und LG haben die Klage abgewiesen. Auf die Revision der Kläger hat der BGH das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Gründe:
Auf der Grundlage des bisherigen Sach- und Streitstandes ist offen, ob dem Kläger ein Auskunfts- bzw. Rechenschaftsanspruch zusteht, auf dessen Grundlage er die anteilige Erstattung von Vertriebskosten aus dem Fondsvermögen geltend machen kann (§ 666 Var. 2 und 3 BGB). Denn ob die Beklagte im Verhältnis zum Kläger die für den Vertrieb aufzuwendenden laufenden Kosten zu Recht dem Fondsvermögen entnommen hat, hängt davon ab, ob und gegebenenfalls in welcher Fassung ihre Besonderen Anlagebedingungen in den Investmentvertrag einbezogen worden sind.

Dies lässt sich allerdings auf der Grundlage der vom LG festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilen. Sollten die Bedingungen nicht wirksam in das zwischen den Parteien bestehende Vertragsverhältnis einbezogen sein, hätte die Beklagte die laufenden - pauschalen - Vertriebskosten ohne Rechtsgrundlage vereinnahmt und der Kläger könnte schon aus diesem Grund Auskunft über die in dem in Rede stehenden Zeitraum auf seine Beteiligung entfallenden Teilbeträge verlangen, es sei denn, es gälten andere Bedingungen, die die Vereinnahmung der Vertriebskosten (ebenfalls) rechtfertigten. Einen Anspruch auf anteilige Auskehr der im geltend gemachten Zeitraum vereinnahmten Ausgabeaufschläge hat der Kläger hingegen - ebenso wenig wie einen auf eine entsprechende Auskunft gerichteten vorbereitenden Anspruch - von vornherein nicht.

Dem Kläger kann grundsätzlich ein Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch gem. § 666 Var. 2 und 3 BGB bezogen auf die Vertriebsvergütungen zustehen. Bei einem Investmentvertrag - wie er auch zwischen den Parteien besteht - handelt es sich um einen durch das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) besonders ausgestalteten Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter gem. § 611, § 675 Abs. 1 BGB, mit dem die Kapitalverwaltungsgesellschaft fremde Vermögensinteressen eigenverantwortlich wahrnimmt. Selbst wenn man jedoch den Investmentvertrag als Vertrag sui generis mit geschäftsbesorgungsrechtlichen Elementen ansehen wollte, ergäben sich für den Streitfall keine entscheidungserheblichen Abweichungen, denn auch die Vertreter dieser Ansicht greifen ergänzend auf die Vorschriften des Geschäftsbesorgungsvertrags und damit im Ergebnis auch des Auftragsrechts zurück, sofern sich aus dem Kapitalanlagegesetzbuch keine Besonderheiten ergeben.

Ein individueller Auskunfts- und Rechenschaftsanspruch des Klägers ist nicht bereits durch §§ 101, 103 ff KAGB (vgl. dazu auch § 162 Abs. 2 Nr. 14 KAGB) ausgeschlossen. Die Kapitalverwaltungsgesellschaft können - über ihre allen Anlegern gegenüber bestehenden Berichtspflichten nach diesen Vorschriften hinaus - grundsätzlich auch individuelle Informations- und Rechenschaftspflichten gem. § 666 BGB gegenüber dem Kunden als Geschäftsherrn treffen. Dies folgt schon aus der (ergänzenden) Anwendbarkeit des Geschäftsbesorgungsrechts. Die Regelungen in §§ 101, 103 ff KAGB sind nicht umfassend und schließen weitergehende Ansprüche nicht aus.

Solange die Frage der Einbeziehung der Anlagebedingungen in das Verhältnis zwischen den Parteien nicht geklärt ist, kommt es auch nicht auf die Frage an, ob dem Kläger ein Auskunftsanspruch zur Vorbereitung eines gegen die Beklagte gerichteten Schadensersatzanspruchs gem. § 280 Abs. 1 BGB wegen der Verwendung nach Auffassung des Klägers rechtswidriger Anlagebedingungen oder wegen eines Verstoßes gegen Wohlverhaltenspflichten gem. § 26 Abs. 1 oder Abs. 2 Nr. 6 und Abs. 3 KAGB zustehen könnte. Ungeachtet der Frage der Einbeziehung der Besonderen Anlagebedingungen hat der Kläger jedoch keinen Anspruch auf Auskunft über die Höhe der vereinnahmten Ausgabeaufschläge.

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