Abhängige AG: Zum Nachteilsausgleich bei Beschluss eines nachteiligen Rechtsgeschäft mit Stimmenmehrheit des herrschenden Unternehmens
BGH 26.6.2012, II ZR 30/11Die Beklagte, die frühere B-Bank AG, und die U-SpA (U), die damals ca. 94 Prozent des Grundkapitals der Beklagten hielt, vereinbarten im September 2006 die Übertragung des Osteuropageschäfts der Beklagten. Die U kaufte Aktien der Bank-A AG für 12,5 Mrd. € und der JC-Bank HVB U. für 83 Mio. € von der Beklagten, die Bank-A AG kaufte von der Beklagten deren Anteile an der C-Bank für 1,29 Mrd. € sowie deren Anteile an der H-Bank für 70 Mio. € und die H-Bank kaufte von der Beklagten Vermögensgegenstände der H-Niederlassung V für 10,67 Mio. € und Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten der H-Niederlassung T für 71,6 Mio. €. Auf der außerordentlichen Hauptversammlung der Beklagten am 25.10.2006 stimmten die Aktionäre mehrheitlich den einzelnen Verträgen über die Veräußerung des Osteuropageschäfts zu.
In der Hauptversammlung der Beklagten am 26. und 27.6.2007 wurde die Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die U beschlossen. Auf einer weiteren Hauptversammlung am 29. und 30.7.2008 wurden die Zustimmungsbeschlüsse vom 25.10.2006 bestätigt, unter Tagesordnungspunkt 8.1. und 8.2. die Anteilskaufverträge mit der U, unter Tagesordnungspunkt 8.3. und 8.4. die Anteilskaufverträge mit der Bank-A AG und unter Tagesordnungspunkt 8.5. und 8.6. die Unternehmenskaufverträge mit der H-Bank. Nach der Eintragung der Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre auf die U am 15.9.2008 im Handelsregister fasste die Alleinaktionärin am 5.2.2009 einen weiteren Bestätigungsbeschluss.
Die Kläger, die damals Aktionäre der Beklagten waren, erhoben gegen die Bestätigungsbeschlüsse der Hauptversammlung vom 29. und 30.7.2008 Anfechtungsklage, die Kläger zu 5) und 6) nur gegen die Bestätigungsbeschlüsse zu 8.1. und 8.2. Die Klagen begründeten sie u.a. damit, die Zustimmungsbeschlüsse vom 25.10.2006 seien nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig, weil die Veräußerung des Osteuropageschäfts erheblich unter Wert erfolgt sei und damit gegen § 57 Abs. 1 AktG verstoße. Eine Vereinbarung vom 21.12.2007 zwischen der Beklagten und U, in der sich U verpflichtet habe, Nachteile binnen einer bestimmten Frist in bar auszugleichen, wenn durch eine Gerichtsentscheidung festgestellt werde, dass der Verkauf des Osteuropageschäfts für die Beklagte nachteilig sei, ändere daran nichts.
LG und OLG wiesen die Klagen ab. Auf die Revisionen der Kläger zu 2), 4), 5) und 6) hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Den Bestätigungsbeschlüssen vom 30.7.2008 kommt keine Heilungswirkung zu, wenn - wie revisionsrechtlich zu unterstellen ist - die Beklagte für die Übertragung des Osteuropageschäfts keine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Denn in diesem Fall sind die Ausgangsbeschlüsse vom 25.10.2006, mit denen der Übertragung an die U zugestimmt wurde, nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig.
Die Zustimmungsbeschlüsse vom 25.10.2006 sind nichtig, wenn die Beklagte für die in den Zustimmungsbeschlüssen genannten Übertragungen keine gleichwertige Gegenleistung erhalten hat. Die Übertragung des Osteuropageschäfts auf die U war eine Einlagenrückgewähr nach § 57 Abs. 1 AktG, wenn zwischen dem Wert des Osteuropageschäfts und der Gegenleistung der U ein Missverhältnis bestand. Es ist eine nach § 57 Abs. 1 AktG verbotene Zuwendung, wenn eine Leistung der Gesellschaft an den Aktionär nicht durch eine gleichwertige Gegenleistung des Aktionärs ausgeglichen wird. Nach den im Revisionsverfahren zu unterstellenden Behauptungen der Kläger soll das Osteuropageschäft der Beklagten unter Wert an die U verkauft worden sein.
Der Nichtigkeit der Beschlüsse steht entgegen der Auffassung des OLG nicht entgegen, dass die U herrschendes Unternehmen, der Verkauf unter Wert für die Beklagte ein nachteiliges Rechtsgeschäft nach § 311 Abs. 1 AktG war und ein Nachteilsausgleich grundsätzlich erst am Ende des Geschäftsjahres bestimmt werden muss (§ 311 Abs. 2 S. 1 AktG). Wenn die Hauptversammlung einem nachteiligen Rechtsgeschäft zustimmt, muss bereits der Hauptversammlungsbeschluss einen Nachteilsausgleich vorsehen. Die Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung vom 25.10.2006 haben keinen Nachteilsausgleich vorgesehen.
Wenn der Nachteil, der der abhängigen Gesellschaft auf Veranlassung des herrschenden Unternehmens zugefügt wird, bezifferbar ist, muss eine Ausgleichsvereinbarung, die einen Zahlungsanspruch begründet, den Ausgleichsanspruch beziffern und darf ihn nicht von der späteren Feststellung des Nachteils abhängig machen. Jede Ausgleichsvereinbarung muss zudem Art, Umfang und Leistungszeit der als Ausgleich zugesagten Vorteile festlegen, um den Ausgleich nicht auf die lange Bank zu schieben und die Grenzen zum Schadensersatzanspruch nach § 317 AktG nicht zu verwischen. Wird nur ein unbezifferter Anspruch auf Ausgleich später festgestellter Nachteile eingeräumt, wird die erforderliche Klarheit nicht geschaffen und der Forderung des § 311 Abs. 2 nach konkreter Festlegung der Vorteile nicht entsprochen.
Diesen Anforderungen genügt die Vereinbarung vom 21.12.2007 nicht. Der damit gewährte Ausgleichsanspruch ist nicht beziffert, obwohl bei einem Verkauf unter dem tatsächlichen Wert die Differenz zu dem von der U gezahlten Kaufpreis für die Anteile bzw. die Vermögensgegenstände bezifferbar ist und der Vorteil in einer Zahlung bestehen soll. Die Vereinbarung macht den Ausgleichsanspruch zudem von der späteren Feststellung eines Nachteils abhängig. Die U sollte zum Ausgleich innerhalb von zehn Werktagen nach der Zustellung einer rechtskräftigen Gerichtsentscheidung verpflichtet sein, in der ein Gericht mit Wirkung gegenüber U feststellt, dass der Abschluss oder der Vollzug der Verträge Nachteile für die Beklagte aufwies. Die Regelung verschob damit einen Ausgleich mindestens auf die lange Bank, zumal ungewiss ist, in welchem Verfahren eine solche Feststellung gegenüber der U getroffen werden sollte.
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