11.11.2021

Abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG a.F. ist Vertrag zwischen Verwertungsgesellschaften und Vergütungsschuldnern

Eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung ist allein ein Vertrag zwischen den zur Vereinbarung von Vergütungsverträgen berufenen Verwertungsgesellschaften einerseits und andererseits den Vergütungsschuldnern oder Verbänden, denen die Vergütungsschuldner angehören. Der in § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung genannte Begriff der "durch die Veräußerung der Geräte sowie der Bild- oder Tonträger geschaffenen Möglichkeit", Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 oder 2 UrhG vorzunehmen, ist mit Blick auf Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG dahin auszulegen, dass ihm auch Geräte unterliegen, die zur betrieblichen Nutzung im Unternehmen des Herstellers bereitgestellt werden.

BGH v. 9.9.2021 - I ZR 118/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Nach dem Gesellschaftsvertrag in der Fassung vom 1.1.2011 haben ihre Gesellschafter die von ihnen wahrgenommenen Rechte der Urheber betreffend die Vergütung für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken in die Klägerin eingebracht, die die ihr übertragenen Rechte im eigenen Namen geltend macht. Die Beklagte stellt PCs her.

Die Parteien streiten um die Vergütung für von der Beklagten in der Zeit vom 1.1.2002 bis zum 31.12.2007 im Inland in Verkehr gebrachte PCs mit eingebauter Festplatte. In dem von den Parteien geführten Schiedsstellenverfahren hat die Schiedsstelle bei dem Deutschen Patent- und Markenamt am 27.9.2011 einen Einigungsvorschlag unterbreitet, der eine Gerätevergütung von 15 € pro Stück zzgl. 7% Umsatzsteuer vorsieht. Die Beklagte hat im Schiedsstellenverfahren Auskunft dahingehend erteilt, dass sie im hier betroffenen Zeitraum insgesamt 404 PCs mit eingebauter Festplatte hergestellt habe.

Die Klägerin verlangt unter Bezugnahme auf Nr. I.4 der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung (a.F.) eine Vergütung von 18,42 € pro Gerät und hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von rd. 8.000 € nebst Zinsen zu verurteilen.

Das OLG verurteilte die Beklagte zur Zahlung von rd. 2.200 € nebst Zinsen und wies die Klage im Übrigen ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des OLG auf, und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung dorthin zurück.

Die Gründe:
Die Revision wendet sich mit Erfolg dagegen, dass das OLG der Berechnung der Vergütungsansprüche der Klägerin nicht die in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. genannten Vergütungssätze, sondern lediglich reduzierte Vergütungssätze nach Maßgabe des von der Klägerin mit dem BCH am 23.12.2009 geschlossenen Vergleichs zugrunde gelegt hat.

Die Anwendung des in der Anlage zu § 54d Abs. 1 UrhG a.F. vorgesehenen Vergütungssatzes kann nicht mit der vom OLG gegebenen Begründung abgelehnt werden, der von der Klägerin mit dem BCH geschlossene Vergleich stelle eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG a.F. dar. Eine abweichende Vereinbarung i.S.d. § 54d Abs. 1 UrhG a.F. ist allein ein Vertrag zwischen den zur Vereinbarung von Vergütungsverträgen berufenen Verwertungsgesellschaften einerseits und andererseits den Vergütungsschuldnern oder Verbänden, denen die Vergütungsschuldner angehören. Der zwischen der Klägerin und dem BCH geschlossene Vergleich entfaltet im Verhältnis der Parteien des vorliegenden Rechtsstreits keine vertragliche Wirkung, weil die Beklagte hieraus mangels eines (durch die Mitgliedschaft im BCH eröffneten) Beitritts zum Vergleich nicht vertraglich berechtigt oder verpflichtet ist.

Die Revision wendet sich weiter mit Erfolg dagegen, dass das OLG angenommen hat, die von der Beklagten zur Nutzung im eigenen Unternehmen bereitgestellten Geräte unterlägen nicht der Vergütungspflicht, weil diese Geräte nicht i.S.d. § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. veräußert worden seien. Bei der richtlinienkonformen Auslegung des § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. ist zu berücksichtigen, dass nach der Auslegung des Art. 5 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2001/29/EG durch den EuGH grundsätzlich die Privatperson zum Schadensausgleich verpflichtet ist, die ohne vorherige Genehmigung des Urheberrechtsinhabers eine solche Vervielfältigung eines geschützten Werks für ihren privaten Gebrauch vornimmt, dass jedoch die Mitgliedstaaten aufgrund der bei der Identifizierung und Heranziehung der privaten Nutzer bestehenden Schwierigkeiten darin frei sind, zur Finanzierung des gerechten Ausgleichs eine Zahlungspflicht einzuführen, die nicht die betroffenen Privatpersonen, sondern diejenigen belastet, die über Anlagen, Geräte und Medien zur digitalen Vervielfältigung verfügen und sie zu diesem Zweck Privatpersonen rechtlich oder tatsächlich zur Verfügung stellen oder diesen die Dienstleistung einer Vervielfältigung erbringen.

Dabei unterliegt ein Mitgliedstaat, der die Privatkopieausnahme in seinem nationalen Recht eingeführt hat, einer Ergebnispflicht in dem Sinne, dass er im Rahmen seiner Zuständigkeiten eine wirksame Erhebung des gerechten Ausgleichs gewährleisten muss, der dazu bestimmt ist, den Urhebern den ihnen entstandenen Schaden insbesondere dann zu ersetzen, wenn er im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats entstanden ist, da diesen Bestimmungen sonst jede Wirksamkeit genommen würde. Dieser Ergebnispflicht würde es widersprechen, von einem Unternehmen hergestellte und zur Nutzung im eigenen Betrieb bereitgestellte Geräte, mit denen digitale Vervielfältigungen angefertigt werden können, von der Vergütungspflicht auszunehmen.

Der in § 54 Abs. 1 Satz 1 UrhG a.F. genannte Begriff der "durch die Veräußerung der Geräte sowie der Bild- oder Tonträger geschaffenen Möglichkeit", Vervielfältigungen nach § 53 Abs. 1 oder 2 UrhG vorzunehmen, ist deshalb richtlinienkonform dahin auszulegen, dass ihm auch Geräte unterliegen, die zur betrieblichen Nutzung im Unternehmen des Herstellers bereitgestellt werden. Die Gerätevergütung knüpft hierbei daran an, dass der Hersteller durch die Bereitstellung der Geräte im eigenen Betrieb seinen Beschäftigten deren Nutzung (auch) zu privaten Zwecken eröffnet. Auch in diesem Fall besteht die Möglichkeit, die vom Hersteller geschuldete Gerätevergütung auf diejenigen privaten Endnutzer abzuwälzen, die die im Unternehmen des Herstellers bereitgestellten Geräte zur Anfertigung von privaten Kopien nutzen, etwa indem diese einer Kostenpflicht unterworfen werden. Danach kann die Vergütungspflicht nicht schon deshalb verneint werden, weil es sich um Geräte handelt, die die Beklagte zur Nutzung im eigenen Unternehmen bereitgestellt hat.

Mehr zum Thema:

oder

BGH online
Zurück