Anfechtung: Zur Umbuchung von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen auf ein anderes Anlagekonto desselben Anlegers
BGH 29.3.2012, IX ZR 207/10Der Kläger ist Verwalter in dem auf Antrag von März 2005 am 1.7.2005 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der P-GmbH (Schuldnerin). Diese bot ihren Kunden die Möglichkeit an, am Erfolg oder Misserfolg von Optionsgeschäften teilzunehmen. Sie warb mit erheblichen jährlich erzielbaren Renditen. Um ihre tatsächlich erlittenen Verluste zu verschleiern, leitete die Schuldnerin den Anlegern Kontoauszüge zu, in denen frei erfundene Gewinne ausgewiesen waren. Die Gelder der Anleger wurden nur zu einem geringen Teil und später überhaupt nicht mehr in Termingeschäften angelegt. Die Einlagen von Neukunden verwendete die Schuldnerin in der Art eines "Schneeballsystems" für Aus- und Rückzahlungen an Altkunden.
Der im Februar 2003 verstorbene Z, dessen Alleinerbin die Beklagte ist, trat der Anlegergemeinschaft im Jahre 2000 mit einer Einlage i.H.v. umgerechnet rd. 51.000 € bei. Im Februar und Juli 2002 leistete die Schuldnerin an den Erblasser Auszahlungen i.H.v. jeweils 3.000 €. Am 21.3.2003 rechnete die Schuldnerin das Guthaben auf dem Konto des Erblassers mit rd. 61.000 € ab und buchte diesen Betrag auf Weisung der Beklagten auf deren bestehendes Konto bei der Schuldnerin um. Nach der von der Beklagten nicht angegriffenen Berechnung des Klägers beruhte das Guthaben auf dem Konto des Erblassers unter Einschluss der erfolgten Auszahlungen i.H.v. insgesamt rd. 22.500 € auf der Zuweisung von Scheingewinnen.
Das LG wies die auf Zahlung von 22.500 € sowie auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten gerichtete Klage ab; das OLG gab ihr statt. Auf die Revision der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 6.000 € verurteilt worden ist, und wies die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG im Umfang der Aufhebung zurück. Die weitergehende Revision wurde zurückgewiesen.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hat die Klage mit Recht als begründet erachtet, soweit der Kläger die Rückerstattung der an den Erblasser i.H.v. insgesamt 6.000 € erfolgten Auszahlungen verlangt.
Der Insolvenzverwalter kann die Auszahlung von in "Schneeballsystemen" erzielten Scheingewinnen durch den späteren Insolvenzschuldner als objektiv unentgeltliche Leistung nach § 134 Abs. 1 InsO anfechten. Auszahlungen, mit denen vom Anleger erbrachte Einlagen zurückgewährt worden sind, sind dagegen als entgeltliche Leistungen nicht anfechtbar. Vorliegend sind die Zahlungen an den Erblasser i.H.v. 6.000 € auf zugewiesene Scheingewinne und nicht auf die Einlage des Erblassers erfolgt. Als unentgeltliche Leistung der Schuldnerin unterliegen die Barauszahlungen an den Erblasser der Anfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO. Die Beklagte haftet als Erbin gem. § 145 Abs. 1 InsO, §§ 1922, 1967 Abs. 1 BGB für den Anfechtungsanspruch.
Die über den Betrag von 6.000 € hinaus geltend gemachte Hauptforderung besteht nicht. Die Umbuchung des Guthabens auf dem Konto des Erblassers auf das eigene Konto der Beklagten ist nicht so zu behandeln, als habe die Beklagte eine Barauszahlung in dieser Höhe erhalten. Wird das Guthaben bei einem Finanzdienstleister auf Weisung des Kontoinhabers auf das Konto eines Dritten bei demselben Finanzinstitut umgebucht, so liegt hierin zugleich die Rückzahlung des Guthabens an den ursprünglichen Forderungsinhaber. Aus diesem Grundsatz kann jedoch für den Streitfall nichts hergeleitet werden, weil hier kein Drei-Personen-Verhältnis gegeben ist. Die Forderung aus dem Konto des Erblassers wurde der Beklagten nicht erst durch die Umbuchung vom 21.3.2003 zugewandt, sondern war mit dem Erbfall bereits kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen (§ 1922 Abs. 1 BGB).
Wird im Zwei-Personen-Verhältnis ein Bankkredit durch einen anderen Kredit unter Verwendung eines neuen Kontos abgelöst, so liegt im Zweifel keine Schuldumschaffung (§ 364 Abs. 1 BGB), sondern eine bloße Vertragsänderung vor. Dieser Grundsatz gilt für die Umbuchung eines Guthabens bei einem Finanzdienstleister entsprechend. Die auf Weisung der Beklagten erfolgte Umbuchung ist daher dahingehend auszulegen (§§ 133, 157 BGB), dass lediglich das Vertragsverhältnis aus dem Konto des Erblassers mit dem bisherigen Konto der Beklagten zusammengeführt worden ist, ohne hierdurch neue Ansprüche zu begründen.
Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist aber auch dann nicht über den Betrag von 6.000 € hinaus begründet, wenn angenommen wird, durch die Umbuchung sei die Forderung der Beklagten aus dem ererbten Konto getilgt und zugleich eine neue Einlagenforderung begründet worden. Nach der Regelung des § 143 Abs. 1 S. 1 InsO ist der Anfechtungsanspruch auf Rückgewähr desjenigen gerichtet, was durch die anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners weggegeben worden ist. Dabei steht der anfechtbare Erwerb einer Forderung gegen den Schuldner nicht dem Erwerb des Gegenstands aus dem Schuldnervermögen gleich, auf dessen Leistung die Forderung gerichtet ist. Wird eine Forderung gegen den Schuldner in anfechtbarer Weise begründet, so hat die Anfechtbarkeit vielmehr zur Folge, dass die Forderung entfällt und hieraus keine Rechte gegen die Insolvenzmasse hergeleitet werden können. Die Anfechtbarkeit begründet jedoch keinen Zahlungsanspruch des Verwalters.
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