24.03.2017

Anrechnung der mehrfach anfallenden Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts

Fällt die Geschäftsgebühr für die vorgerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts mehrfach an und werden die vorgerichtlich geltend gemachten Ansprüche im Wege objektiver Klagehäufung in einem einzigen gerichtlichen Verfahren verfolgt, so dass die Verfahrensgebühr nur einmal anfällt, sind alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.

BGH 28.2.2017, I ZB 55/16
Der Sachverhalt:
Der Kläger mahnte die Beklagte vorprozessual mit drei gesonderten Schreiben seiner späteren Prozessbevollmächtigten wegen verschiedener wettbewerbswidriger Handlungen vergeblich ab. Er erwirkte im späteren Rechtsstreit beim LG ein Versäumnisurteil, mit dem die Beklagte zur Unterlassung der mit den Abmahnungen beanstandeten Handlungen und zur Zahlung einer Vertragsstrafe nebst Zinsen verurteilt wurde. Außerdem verurteilte das LG die Beklagte zur Zahlung der durch die drei vorgerichtlichen Abmahnschreiben entstandenen Kosten, die jeweils eine 1,3-fache Geschäftsgebühr enthalten, die sich aus Streitwerten von 45.000 €, 20.000 € und 45.000 € errechnen und rd. 1.400 €, 1.000 € und 1.400 € netto betragen. Die Kosten des Verfahrens erlegte das LG der Beklagten auf und setzte den Streitwert für das gerichtliche Verfahren auf 135.000 € fest.

Der Kläger beantragte, zu seinen Gunsten eine Verfahrensgebühr i.H.v. rd. 1.100 € gegen die Beklagte festzusetzen. Dabei ging er von einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr aus einem Streitwert von 135.000 € i.H.v. rd. 2.200 € aus und setzte hiervon eine nach demselben Streitwert berechnete 0,65-fache Geschäftsgebühr i.H.v. rd. 1.100 € ab. Das LG zog von der Verfahrensgebühr i.H.v. rd. 2.200 € Beträge i.H.v. rd. 700 €, 500 € und 700 € mit der Begründung ab, die Hälfte der nach den jeweiligen Einzelstreitwerten entstandenen und titulierten vorprozessualen Geschäftsgebühren müssten auf die Gesamtverfahrensgebühr angerechnet werden. Es setzte daher eine restliche Verfahrensgebühr i.H.v. rd. 300 € fest. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde des Klägers wies das OLG zurück.

Die Rechtsbeschwerde des Klägers hatte vor dem BGH ebenfalls keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Rechtsbeschwerde wendet sich ohne Erfolg gegen den vom OLG gebilligten Umfang der Anrechnung der Geschäftsgebühren durch das LG.

Es ist umstritten, in welcher Weise die Anrechnung bei mehreren Geschäftsgebühren zu erfolgen hat, wenn diese wie im Streitfall in einer einheitlichen Verfahrensgebühr bei objektiver Klagehäufung aufgehen. Nach einer Ansicht, die sich auf den Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 und 5 RVG VV stützt, werden alle entstandenen Geschäftsgebühren in der tatsächlichen Höhe anteilig auf die Verfahrensgebühr angerechnet. Dies kann dazu führen, dass nach der Anrechnung weniger als eine 0,55-fache Verfahrensgebühr verbleibt oder diese sogar ganz entfällt. Nach anderer Auffassung ist eine einheitliche Geschäftsgebühr aus den addierten Gegenstandswerten zu bilden, die anteilig auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Dies wird im Schrifttum mit einer entsprechenden Anwendung von § 15 Abs. 3 RVG begründet und hat zur Folge, dass mindestens ein Anteil von 0,55 der Verfahrensgebühr verbleibt.

Der zuerst genannten Auffassung ist der Vorzug zu geben. Hierfür spricht der Wortlaut der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV. Danach ist Grundlage der Berechnung des anrechenbaren Gebührenanteils allein eine tatsächlich entstandene Geschäftsgebühr, nicht hingegen eine fiktive Geschäftsgebühr. Die Anrechnung gem. Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 5 RVG VV nach dem Wert des Gegenstands, der auch Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens ist, knüpft an die Bestimmung in der Vorbemerkung 3 Abs. 4 S. 1 RVG VV an und lässt die Fiktion einer tatsächlich nicht angefallenen Geschäftsgebühr ebenfalls nicht zu.

Aus diesem Grund kann der dem Kostenfestsetzungsantrag des Klägers zugrunde liegenden zweiten Auffassung, die von der Verfahrensgebühr eine fiktive Geschäftsgebühr nach dem Streitwert des gerichtlichen Verfahrens absetzen will, nicht gefolgt werden. Eine Geschäftsgebühr in dieser Höhe ist nicht entstanden. Sie kann deshalb im Rahmen der Anrechnung nicht berücksichtigt werden. Auf den Umstand, dass der Kläger nach dieser Auffassung die fiktive Geschäftsgebühr ohnehin nicht aus dem vom LG festgesetzten Gesamtstreitwert von 135.000 €, sondern nur aus der Summe der Einzelstreitwerte seiner vorgerichtlichen Tätigkeit i.H.v. insgesamt 110.000 € berechnen könnte, kommt es deshalb nicht mehr an.

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