Anspruch auf Schadensersatz wegen (vor-)vertraglichen Aufklärungsverschuldens kann neben Anspruch auf Rückabwicklung bestehen
BGH 5.7.2016, XI ZR 254/15Der Kläger hatte sich im Oktober 2002 auf Empfehlung der Beklagten zu 1) mit einer Einlage von 25.000 € zzgl. eines Agios i.H.v. 462 € über die Beklagte zu 3) als Treuhänderin an einer GmbH & Co. KG (Fonds) beteiligt. Entsprechend der Beitrittsvereinbarung brachte der Kläger 15.400 € zzgl. des Agios aus Eigenmitteln auf, während die übrigen 9.600 € mittels einer von der Beklagten zu 3) namens des Klägers gegenüber der Beklagten zu 2) begebenen Inhaberschuldverschreibung finanziert wurden. Der Antrag auf Abschluss des Begebungsvertrags war mit der Beitrittsvereinbarung zum Fonds in einem Formular zusammengefasst.
Ferner wurde dem Kläger zum Vertrag über die Begebung und Übernahme der Inhaberschuldverschreibung und zum Beteiligungsvertrag jeweils eine Widerrufsbelehrung erteilt. Die aus der Beteiligung an dem Fonds geflossenen Ausschüttungen dienten zur Tilgung der Inhaberschuldverschreibung. Außerdem erhielt der Kläger unmittelbar weitere Ausschüttungen i.H.v. insgesamt 6.031 €. Die Inhaberschuldverschreibung ist noch nicht vollständig getilgt.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger u.a., gestützt zum einen gegenüber der Beklagten zu 2) auf den in der Klageschrift erklärten Widerruf des Begebungs- bzw. Finanzierungsvertrags und zum anderen gegenüber allen Beklagten auf vermeintliche Schadensersatzansprüche, die Erstattung des von ihm zur Finanzierung der Beteiligung aufgebrachten Eigenkapitals. Das LG gab der Klage gegen die Beklagte zu 2) statt und wies die gegen die Beklagten zu 1) und 3) gerichtete Klage ab; das OLG hat den Zahlungsanspruch lediglich i.H.v. 9.830 € zuerkannt.
Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil insoweit auf, als das OLG die Berufung des Klägers gegenüber den Beklagten zu 1) und 3) hinsichtlich der Zahlungsklage i.H.v. 9.830 € und im Übrigen mit Ausnahme der begehrten Feststellung, dass die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch den Kläger von steuerlichen Nachteilen, die mittelbar oder unmittelbar aus der von dem Kläger gezeichneten Beteiligung im Nennwert von 25.000 € resultieren und die ohne Zeichnung nicht eingetreten wären, freizustellen haben, zurückgewiesen hatte.
Die Gründe:
Zu Recht hatte das OLG dem Kläger lediglich einen Zahlungsanspruch i.H.v. 9.830 € zuerkannt, weil er sich auf den von ihm geleisteten Eigenanteil zzgl. Agio i.H.v. insgesamt 15.862 € die erhaltenen Ausschüttungen i.H.v. 6.031 € anrechnen lassen musste. Außerdem hatte es zu Recht den Antrag des Klägers auf Feststellung der Freistellung von allen steuerlichen Nachteilen als unbegründet abgewiesen.
Im Ergebnis zu Recht hatte das Berufungsgericht zwar angenommen, dass der Kläger sein Feststellungsbegehren nicht auf einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungsverschuldens stützen kann. Entgegen seiner Auffassung ist ein solcher Schadensersatzanspruch allerdings nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil der Kläger aufgrund der Geltendmachung des auf den Widerruf des Finanzierungsvertrags gestützten Rückabwicklungsanspruchs im Rahmen der Schadensberechnung nicht mehr die Übertragung der Fondsanteile anbieten könne. Denn bei dem auf einen Widerruf gestützten Rückabwicklungsanspruch aus § 357 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 358 Abs. 2 BGB a.F. und dem mit einem oder mehreren Aufklärungsfehlern begründeten (vor-)vertraglichen Schadensersatzanspruch handelt es sich materiell-rechtlich um unabhängig nebeneinander stehende Ansprüche.
Dafür, dass die Geltendmachung des einen Anspruchs die Geltendmachung des anderen ausschließt, fehlt es an einer entsprechenden gesetzlichen Regelung. Die Geltendmachung des Rückabwicklungsanspruchs schließt den Schadensersatzanspruch auch nicht insoweit aus, als sie auf dasselbe Anspruchsziel gerichtet sind. Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob und inwieweit sich die Geltendmachung des einen Anspruchs auf den anderen und seinen Umfang auswirkt. Im Rahmen des (daneben) geltend gemachten Schadensersatzanspruchs ist der Widerruf des Finanzierungsvertrags dahin zu berücksichtigen, dass der von dem geschädigten Anleger nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung herauszugebende Vorteil nicht mehr in der Gesellschaftsbeteiligung als solcher, sondern nur noch in den Rechten aus dieser Beteiligung besteht.
Das entspricht auch dem allgemeinen Grundsatz, dass sich das Gegenrecht des Schädigers nur auf die Rechtsposition beziehen kann, die der geschädigte Kapitalanleger aufgrund der Zeichnung oder des Erwerbs der empfohlenen Kapitalanlage erworben hat. Besteht die Kapitalanlage wie hier in der Rechtsposition als Treugebergesellschafter eines Fonds, genügt es nach BGH-Rechtsprechung, wenn der Geschädigte im Rahmen des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs als Zug um Zug zu gewährende Leistung die Abtretung sämtlicher Rechte aus der Beteiligung bzw. dem Treuhandvertrag anbietet. In prozessualer Hinsicht liegen unterschiedliche Streitgegenstände vor. Bei den beiden Ansprüchen handelt es sich nicht lediglich um jeweils eine von mehreren Grundlagen desselben prozessualen Anspruchs.
Entgegen der Revisionserwiderung der Beklagten zu 1) und 3) folgte aus § 358 Abs. 4 S. 3 BGB a.F. nichts anderes. Diese Vorschrift sieht zwar im Fall der Rückabwicklung eines verbundenen Geschäfts und bei Vorliegen ihrer weiteren Voraussetzungen eine bilaterale Rückabwicklung allein im Verhältnis zwischen Darlehensgeber und Verbraucher. Das bezieht sich jedoch nur darauf, dass der Darlehensgeber in diesem Fall anstelle des Unternehmers in dessen Rechte und Pflichten aus dem verbundenen Vertrag eintritt und an dessen Stelle Gläubiger und Schuldner des Verbrauchers im Abwicklungsverhältnis wird. Ein Ausschluss von mit
dem Widerruf des verbundenen Geschäfts nicht zusammenhängenden, sondern auf Aufklärungs- oder Beratungspflichtverletzungen beruhenden Schadensersatzansprüchen gegen den Darlehensgeber oder den Unternehmer oder gar gegen sonstige Dritte ist damit jedoch nicht verbunden. Dafür fehlt es an einer rechtlichen Grundlage.
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