21.02.2022

Anspruch der Erbin auf Auszahlung eines Sparbuchguthabens bei Vorlage eines Ausschließungsbeschlusses

Legt der Anspruchsteller das Sparbuch nicht im Original, sondern nur einen Ausschließungsbeschluss vor, mit dem das Sparbuch für kraftlos erklärt worden ist, ist dies ein starkes Indiz für eine infolge der Auszahlung des Sparguthabens erfolgte Entwertung oder Vernichtung des Sparbuchs, unabhängig davon, ob das Kreditinstitut sich an dem Aufgebotsverfahren beteiligt hat oder nicht.

BGH v. 18.1.2022 - XI ZR 380/20
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte als Rechtsnachfolgerin ihres im Dezember 1998 verstorbenen Vaters die beklagte Sparkasse im Wege der Stufenklage auf Auskunft über die Höhe der Zinssätze für Sparguthaben und auf Auszahlung eines sodann zu beziffernden Guthabenbetrags aus einem Sparbuch in Anspruch genommen. Das LG hat nach Vernehmung mehrerer Zeugen und der Klägerin als Partei die Klage abgewiesen, weil unter Würdigung aller erhobenen Beweismittel feststehe, dass das streitgegenständliche Sparkonto im Jahr 1999 aufgelöst und das Guthaben an die Erbinnen ausgezahlt worden sei.

Das OLG hat im Berufungsverfahren nach erneuter Durchführung der Beweisaufnahme mit Vernehmung mehrerer Zeugen und der Klägerin als Partei die Beklagte zur Auskunftserteilung verurteilt und den Rechtsstreit hinsichtlich des noch nicht bezifferten Zahlungsantrags an das LG zurückverwiesen. Auf die hiergegen gerichtete Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an einen anderen Senat des OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Das Berufungsgericht ist noch rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der Klägerin, die nach dem Ausscheiden ihrer Schwestern aus der Erbengemeinschaft alleinige Rechtsnachfolgerin des Erblassers ist, ein Auskunftsanspruch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) über die Höhe der Zinssätze der Beklagten für Sparguthaben unter der Voraussetzung zusteht, dass die Beklagte den Anspruch auf Auszahlung des Guthabens bisher nicht erfüllt hat. Der Anspruch auf Auszahlung des Sparguthabens aus § 700 Abs. 1 Satz 1, § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB, der mit dem Auskunftsbegehren vorbereitet werden soll, ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Klägerin das Sparbuch nicht im Original vorgelegt hat. Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des OLG, die Beklagte trage die volle Beweislast für die bereits erfolgte Auszahlung des Sparguthabens in gleicher Weise wie bei Vorlage eines nicht entwerteten Sparbuchs.

Wird ein nicht entwertetes Sparbuch vorgelegt und ist - wie hier - nur streitig, ob der Anspruch auf Auszahlung dieses Guthabens von dem Kreditinstitut bereits erfüllt worden ist, trägt das Kreditinstitut die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des Auszahlungsanspruchs. Eine Umkehr der Beweislast hinsichtlich der Auszahlung kommt nicht allein deshalb in Betracht, weil der Inhaber des Sparbuchs über Jahrzehnte keine Eintragungen vornehmen ließ oder jedenfalls nach dem Vorbringen des Kreditinstituts die handelsrechtliche Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist.

Bei dieser Beweislastverteilung verbleibt es grundsätzlich auch dann, wenn das Sparbuch im Wege des Aufgebotsverfahrens für kraftlos erklärt worden ist. Allerdings ist, wenn zwischen den Parteien die zwischenzeitliche Auszahlung des Sparguthabens streitig ist, im Rahmen der gemäß § 286 ZPO vorzunehmen-den Gesamtwürdigung der Fallumstände zu berücksichtigen, dass der Anspruch-steller das Sparbuch nicht im Original, sondern nur einen Ausschließungsbeschluss vorlegt, mit dem das Sparbuch für kraftlos erklärt worden ist

Abgesehen davon hat sich das Berufungsgericht nicht umfassend mit dem Prozessstoff und den Beweisergebnissen auseinandergesetzt, was einen revisionsrechtlich relevanten Verstoß gegen § 286 ZPO darstellt. So hat es angenommen, der Klägerin könne nicht entgegengehalten werden, dass sie sich den Ausschließungsbeschluss erschlichen hätte. Dabei hat es nicht in Erwägung gezogen, dass die Klägerin in ihrer eidesstattlichen Versicherung, die sie mit dem Antrag auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens eingereicht hat, angegeben hat, ihr sei erst im Jahr 2014 bekannt geworden, dass zum Nachlass des Erblassers das von der Beklagten ausgegebene Sparbuch gehört habe, obwohl das von ihr im Jahr 1999 erstellte Nachlassverzeichnis zeigt, dass sie bereits damals nicht nur von dem Girokonto bei der Beklagten, sondern auch von dem Sparguthaben und seiner Höhe Kenntnis hatte.

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