28.04.2011

Anspruch des Insolvenzschuldners aus einem Darlehensvertrag zugunsten eines bestimmten Gläubigers gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse

Der Anspruch des Insolvenzschuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einem bestimmten Gläubiger zuzuwenden, gehört grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Das gilt auch dann, wenn der Kredit nicht unmittelbar an den Begünstigten ausgezahlt wird, sondern die Valuta zunächst auf das Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Darlehensgeber gemeinsam beauftragten Rechtsanwalts überwiesen und von dort an den Begünstigten weitergeleitet wird.

BGH 17.3.2011, IX ZR 166/08
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin. Im Juni 2003 stellte der Beklagte, gestützt auf Steuerforderungen i.H.v. rd. 71.000 €, einen ersten Insolvenzantrag gegen die Schuldnerin. Daraufhin beauftragte diese einen Rechtsanwalt, mit ihren Gläubigern zur Vermeidung eines Insolvenzverfahrens über eine einverständliche Schuldenbereinigung zu verhandeln. Im Rahmen dieses Auftrages vereinbarte der Rechtsanwalt namens der Schuldnerin mit dem Beklagten, dass bei sofortiger Zahlung eines Teilbetrages von 30.000 € auf die offene Steuerschuld der Insolvenzantrag zurückgenommen werde.

Die Schuldnerin war nicht in der Lage, diesen Teilbetrag zu zahlen. Deswegen bat sie ihren Lebensgefährten, ihr das Geld zur Verfügung zu stellen. Entsprechend der zunächst mündlich, später auch schriftlich getroffenen Vereinbarung überwies der Lebensgefährte das Geld auf ein Fremdgeldkonto des beauftragten Rechtsanwalts, damit dieser es an den Beklagten weiterleite. Das Geld ging beim Beklagten im September 2003 ein. Dieser erklärte kurz darauf den Insolvenzantrag für erledigt.

Im Oktober 2004 stellte der Beklagte wegen Abgabenrückständen i.H.v. rd. 115.000 € erneut Insolvenzantrag. Im Mai 2005 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Kläger focht die Zahlung an den Beklagten wegen vorsätzlicher Gläubigerbenachteiligung (§ 133 Abs. 1 InsO) an.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das Aktivvermögen der Schuldnerin wurde entgegen der Annahme der Vorinstanzen durch die Zahlung an den Beklagten gläubigerbenachteiligend verkürzt.

Die nach § 143 Abs. 1 InsO zurückzugewährenden Werte müssen nicht unmittelbar aus dem Vermögen des Schuldners stammen. Anfechtbar können vielmehr auch solche Rechtshandlungen des Schuldners sein, durch die er - wie im Streitfall - Vermögensbestandteile mit Hilfe einer Mittelsperson an den gewünschten Empfänger verschiebt. Vorliegend konnte die mittelbare Zuwendung nur infolge und nach Einräumung des von der Schuldnerin erbetenen Kredits bewirkt werden. Dieser unmittelbar aus dem Vermögen des Lebensgefährten herrührende Zahlungsfluss ist ihr deshalb zuzurechnen. So hat auch der Beklagte die über das Konto des eingeschalteten Rechtsanwalts erfolgte Zahlung des Lebensgefährten als Leistung der Schuldnerin in Erfüllung der im Ratenzahlungsvergleich vereinbarten Bedingungen verstanden.

Der Anspruch des Insolvenzschuldners aus einem Darlehensvertrag mit der Zweckbindung, den Kreditbetrag einem bestimmten Gläubiger zuzuwenden, gehört insoweit grundsätzlich zur Insolvenzmasse. Das gilt auch dann, wenn der Kredit - wie im Streitfall - nicht unmittelbar an den Begünstigten ausgezahlt wird, sondern die Valuta zunächst auf das Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Darlehensgeber gemeinsam beauftragten Rechtsanwalts überwiesen und von dort an den Begünstigten weitergeleitet wird.

Wäre vorliegend die Teilzahlung der Schuldnerin massefrei, würde der Beklagte gegenüber den anderen Gläubigern bevorzugt. Das würde dem im Insolvenzrecht geltenden Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung ebenso widersprechen wie eine schuldbefreiende Drittzahlung an einen Insolvenzgläubiger auf Kosten der Masse, der eine Erfüllungsübernahme zugrunde liegt.

Zudem wäre ein Schuldner, wenn die Zahlung des Mittlers hier nicht anfechtbar wäre, regelmäßig in der Lage, eigene Vermögenswerte einem Einzelgläubiger unanfechtbar zu übertragen, indem er lediglich eine Zwischenperson einschaltet, für die von dieser zu erbringende Leistung als Zweckbindung die Befriedigung des von ihm ausgewählten Gläubigers vereinbart und die Auszahlung über ein Fremdgeldkonto eines von Schuldner und Zahlungsmittler beauftragten Treuhänders vornehmen lässt. Damit könnte die Durchsetzung von Rückgewähransprüchen, wie sie durch die Anfechtungsvorschriften begründet sind, weitgehend unterlaufen werden.

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