28.03.2025

Apotheker zu wettbewerbsrechtlicher Klage wegen Verstößen eines anderen Apothekers gegen das Datenschutzrecht befugt

Ein Apotheker, der auf einer Internet-Verkaufsplattform Arzneimittel vertreibt, wobei ohne ausdrückliche Einwilligung von Kunden deren Bestelldaten (Name des Kunden, Lieferadresse und Informationen zur Individualisierung des Medikaments) erhoben werden, verstößt gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Ein solcher Verstoß kann von einem anderen Apotheker mit einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden.

BGH v. 27.3.2025 - I ZR 222/19 u.a.
Der Sachverhalt:
Die Parteien in beiden Verfahren (I ZR 222/19 und ZR 223/19) sind Apotheker. Die beklagten Apotheker vertreiben Arzneimittel über die Plattform des Anbieters Amazon. In beiden Verfahren beanstanden die klagenden Apotheker, dass die Beklagten gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen verstoßen, weil die von Kunden bei der Bestellung eingegebenen Daten wie der Name des Kunden, die Lieferadresse und Informationen zur Individualisierung des Medikaments ohne ausdrückliche Einwilligung erhoben, verarbeitet und genutzt werden.

Im Verfahren I ZR 222/19 rügt der Kläger darüber hinaus, der Vertrieb apothekenpflichtiger Arzneimittel über die Plattform verstoße gegen den Vertrieb von Arzneimitteln reglementierende Vorschriften des Arzneimittelgesetzes, des Heilmittelwerbegesetzes, des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung sowie die Berufsordnung für Apotheker. Die Kläger nehmen die Beklagten in beiden Verfahren auf Unterlassung und im Verfahren I ZR 222/19 auch auf Schadensersatz in Anspruch.

In beiden Verfahren gab das OLG den Klagen insoweit statt, als sie den jeweiligen Beklagten wegen Verstoßes gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen zur Unterlassung verurteilt haben. Soweit der Kläger im Verfahren I ZR 222/19 auch Verstöße gegen weitere Vorschriften geltend gemacht und Schadensersatz beansprucht hat, wies das OLG die Klage ab.

Der BGH setzte das Verfahren I ZR 223/19 zwischenzeitlich aus und legte dem EuGH Fragen zur Auslegung der DSGVO zur Vorabentscheidung vor. Bis zur Entscheidung des EuGH setzte der BGH das Verfahren I ZR 222/19 aus. Nach Beantwortung der Fragen durch den EuGH kam der BGH zur folgenden Entscheidungen: Die von den Beklagten in beiden Verfahren eingelegten Revisionen gegen ihre Verurteilung zur Unterlassung wegen Verstoßes gegen die für Gesundheitsdaten geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen hatten keinen Erfolg. Die vom Kläger im Verfahren I ZR 222/19 eingelegte Revision hatte Erfolg, soweit der Kläger die Verurteilung des Beklagten zum Schadensersatz erstrebte, sie hatte keinen Erfolg, soweit er die Verurteilung des Beklagten wegen Verstößen gegen weitere Vorschriften begehrte.

Die Gründe:
Die DSGVO steht einer nationalen Regelung nicht entgegen, die Mitbewerbern die Befugnis einräumt, wegen Verstößen gegen die DSGVO gegen den mutmaßlichen Verletzer im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Die Verarbeitung und Nutzung der von Kunden der Beklagten bei der Onlinebestellung eines Arzneimittels über den Account eines Apothekers beim Amazon-Marketplace eingegebenen Daten wie der Name des Kunden, die Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten Medikaments notwendigen Informationen verstößt, wenn sie - wie im Streitfall - ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden erfolgt, gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Bei den Bestelldaten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne dieser Vorschrift und zwar auch dann, wenn das Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf.

Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist eine Marktverhaltensregelung i.S.v. § 3a UWG, so dass der Verstoß gegen diese Vorschrift von einem Mitbewerber gem. § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann. Die Bestimmungen zum Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten dienen dem Schutz der Persönlichkeitsrechtsinteressen der Verbraucher gerade auch im Zusammenhang mit ihrer Marktteilnahme. Die Verbraucher sollen frei darüber entscheiden können, ob und inwieweit sie ihre Daten preisgeben, um am Markt teilnehmen und Verträge abschließen zu können.

Mehr zum Thema:

Aufsatz
Wettbewerbsrechtliche Ansprüche im Verhältnis zur DSGVO
Guido Aßhoff, CR 2024, 784
CR0073839

Rechtsprechung (Antwort auf Vorlagebeschluss)
Verfolgung von Datenschutzverstößen durch Mitbewerber
EuGH vom 04.10.2024 - C-21/23
Sebastian Trost, ITRB 2025, 5
ITRB0073192

Rechtsprechung (Vorlagebeschluss)
Arzneimittelbestelldaten
BGH vom 12.01.2023 - I ZR 223/19

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BGH PM Nr. 59 vom 27.3.2025