Art. 3 Abs. 1 TSM-VO garantiert sog. "Endgerätefreiheit"
OLG Köln v. 11.2.2022 - 6 U 94/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen in Deutschland. Die Beklagte bietet Mobil- und Festnetzkommunikationsdienste an. In ihrer "Leistungsbeschreibung Mobilfunk" mit Stand vom 25.11.2019 bestimmt die Beklagte unter Ziffer 2 u.a.:
SIM-Karte / eSIM
Die U. überlässt dem Kunden je nach Vereinbarung eine SIM-Karte oder ein eSIM-Profil. Die voraussichtliche Dauer bis zur Freischaltung der überlassenen SIM-Karte oder des eSIM Profils (Leistungsbereitstellung) beträgt bis zu 24 Stunden. Die SIM-Karte bzw. das eSIM-Profil wird dem Kunden ausschließlich zum Zwecke der Sprachübermittlung und Datenübertragung, zur Nutzung ausschließlich für Verbindungen über die Vermittlungs- und Übertragungssysteme der von der U. angebotenen Mobilfunknetze und zur Nutzung ausschließlich im Zusammenhang mit Mobilfunk-Endgeräten in dem vertraglich vereinbarten Rahmen überlassen. Soweit nicht ausdrücklich vereinbart, ist in Tarifen mit pauschal abgegoltenem Datenvolumen ohne Bandbreitenbeschränkung die Nutzung der SIM-Karte / des eSIM-Profils in Routern nicht zulässig.
Mit Schreiben vom 4.2.2020 hatte der Kläger die Beklagte erfolglos dazu aufgefordert, die Verwendung dieser Klausel zu unterlassen. Die Klausel verstoße gegen die in Art. 3 Abs. 1 TSM-VO normierte Endgerätefreiheit. Die Beklagte war der Ansicht, bei der Nutzung von mobilen Endgeräten, die über einen SIM-Karten-Steckplatz oder eine eSIM verfügen, handele es sich um die vertraglich geschuldete Leistung.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Die streitgegenständliche Klausel verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO und § 41b Abs. 1 TKG, sodass sich der Unterlassungsanspruch aus § 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 UKlaG, § 307 BGB, Art. 3 Abs. 1 TSM-VO ergibt.
Bei der beanstandeten Klausel der Beklagten handelt es sich um AGB gem. § 305 Abs. 1 BGB. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind solche unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Eine solche Abweichung ist hier anzunehmen, weil die Klausel der Beklagten gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO und § 41b Abs. 1 TKG verstößt. Art. 3 Abs. 1 TSM-VO garantiert die sog. "Netzneutralität", wonach Endnutzer das Recht haben, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen. Art. 3 Abs. 1 TSM-VO beinhaltet vor diesem Hintergrund das Recht der Endnutzer, über ihren Internetzugangsdienst Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen (sog. "Endgerätefreiheit"). Der Internetdienstanbieter ist nicht berechtigt, ein bestimmtes Endgerät für die Nutzung vorzuschreiben.
Dieses Recht wird durch die von der Beklagten verwendete Klausel unzulässig eingeschränkt, weil sie die Nutzung von SIM-Karten bzw. eSIM-Profilen in Routern grundsätzlich verbietet. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei Routern um Endgeräte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 TSM-VO. Wie das LG mit der Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bundesnetzagentur überzeugend ausgeführt hat, verstößt die Klausel der Beklagten überdies gegen § 41b Abs. 1 TKG a.F. bzw. § 73 Abs. 3 TKG n.F.
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Justiz NRW
Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen in Deutschland. Die Beklagte bietet Mobil- und Festnetzkommunikationsdienste an. In ihrer "Leistungsbeschreibung Mobilfunk" mit Stand vom 25.11.2019 bestimmt die Beklagte unter Ziffer 2 u.a.:
SIM-Karte / eSIM
Die U. überlässt dem Kunden je nach Vereinbarung eine SIM-Karte oder ein eSIM-Profil. Die voraussichtliche Dauer bis zur Freischaltung der überlassenen SIM-Karte oder des eSIM Profils (Leistungsbereitstellung) beträgt bis zu 24 Stunden. Die SIM-Karte bzw. das eSIM-Profil wird dem Kunden ausschließlich zum Zwecke der Sprachübermittlung und Datenübertragung, zur Nutzung ausschließlich für Verbindungen über die Vermittlungs- und Übertragungssysteme der von der U. angebotenen Mobilfunknetze und zur Nutzung ausschließlich im Zusammenhang mit Mobilfunk-Endgeräten in dem vertraglich vereinbarten Rahmen überlassen. Soweit nicht ausdrücklich vereinbart, ist in Tarifen mit pauschal abgegoltenem Datenvolumen ohne Bandbreitenbeschränkung die Nutzung der SIM-Karte / des eSIM-Profils in Routern nicht zulässig.
Mit Schreiben vom 4.2.2020 hatte der Kläger die Beklagte erfolglos dazu aufgefordert, die Verwendung dieser Klausel zu unterlassen. Die Klausel verstoße gegen die in Art. 3 Abs. 1 TSM-VO normierte Endgerätefreiheit. Die Beklagte war der Ansicht, bei der Nutzung von mobilen Endgeräten, die über einen SIM-Karten-Steckplatz oder eine eSIM verfügen, handele es sich um die vertraglich geschuldete Leistung.
Das LG hat die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos.
Die Gründe:
Die streitgegenständliche Klausel verstößt gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO und § 41b Abs. 1 TKG, sodass sich der Unterlassungsanspruch aus § 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG i.V.m. § 4 Abs. 1, 2 UKlaG, § 307 BGB, Art. 3 Abs. 1 TSM-VO ergibt.
Bei der beanstandeten Klausel der Beklagten handelt es sich um AGB gem. § 305 Abs. 1 BGB. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind solche unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
Eine solche Abweichung ist hier anzunehmen, weil die Klausel der Beklagten gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO und § 41b Abs. 1 TKG verstößt. Art. 3 Abs. 1 TSM-VO garantiert die sog. "Netzneutralität", wonach Endnutzer das Recht haben, über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen. Art. 3 Abs. 1 TSM-VO beinhaltet vor diesem Hintergrund das Recht der Endnutzer, über ihren Internetzugangsdienst Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen (sog. "Endgerätefreiheit"). Der Internetdienstanbieter ist nicht berechtigt, ein bestimmtes Endgerät für die Nutzung vorzuschreiben.
Dieses Recht wird durch die von der Beklagten verwendete Klausel unzulässig eingeschränkt, weil sie die Nutzung von SIM-Karten bzw. eSIM-Profilen in Routern grundsätzlich verbietet. Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei Routern um Endgeräte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 TSM-VO. Wie das LG mit der Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bundesnetzagentur überzeugend ausgeführt hat, verstößt die Klausel der Beklagten überdies gegen § 41b Abs. 1 TKG a.F. bzw. § 73 Abs. 3 TKG n.F.
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