Ärzte-Bewertungen in frei zugänglichen Internetportalen sind zulässig
OLG Frankfurt a.M. 8.3.2012, 16 U 125/11Die Klägerin ist als niedergelassene Ärztin tätig. Die Beklagte betreibt ein Internetportal zum Auffinden und Bewerten von niedergelassenen Ärzten. Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Löschung der über sie vorhandenen Daten. Dies betrifft ihre Kontaktdaten, ihre berufliche Tätigkeit, die Bewertungsmöglichkeiten sowie die bereits erfolgten Bewertungen. Darüber hinaus begehrt die Klägerin Unterlassung hinsichtlich der Veröffentlichung der entsprechenden Daten.
Das LG wies die Klage ab. Der Klägerin stehe kein Löschungs- oder Unterlassungsanspruch zu, da die nach § 29 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BDSG vorzunehmende Abwägung zwischen dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit der Beklagten zu einer zulässigen Verwertung der Daten durch die Beklagte führe. Die Berufung der Klägerin hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Revision zum BGH wurde zugelassen, da die Frage der Behandlung von allgemein zugänglichen Internetportalen, in denen Personen nach bestimmten Kriterien bewertet werden, von grundsätzlicher Bedeutung und höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.
Die Gründe:
Das LG hat zu Recht erkannt, dass der Klägerin weder ein Anspruch auf Löschung noch auf Unterlassung der Veröffentlichung ihrer persönlichen Daten bestehend aus Name, ärztlichen Tätigkeitsgebieten, Gesamt- und Einzelbewertungen sowie aus Kommentaren der Nutzer zusteht.
Ein Anspruch auf Löschung der Daten aus § 35 Abs. 2 S. 2 Ziff. 1 BDSG scheidet aus, da die Speicherung der personenbezogenen Daten nicht unzulässig ist. Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass sich die Zulässigkeit der Datenerhebung und -verarbeitung nicht nach § 28 BDSG, sondern nach § 29 BDSG richtet. 28 BDSG regelt die Fälle der Verwendung der Daten für eigene Geschäftszwecke, d.h. jene Fälle, in denen die Datenverarbeitung als "Hilfsmittel" für die Erfüllung bestimmter anderer, eigener Zwecke der die Daten verarbeitenden Stelle dient; sobald die Verarbeitung demgegenüber für fremde Zwecke erfolgt, d.h. die Daten sich in Ware verwandeln und selbst Geschäftsgegenstand sind, kommt § 29 BDSG zur Anwendung.
Vorliegend verwendet die Beklagte die Daten über die Ärzte nicht etwa deshalb, weil sie mit diesen als Betroffenen in Kontakt stehen würde oder treten wolle; vielmehr erhebt und speichert sie die Daten, weil sie diese der interessierten Allgemeinheit zur Information und zum Meinungsaustausch zur Verfügung stellen will. Damit dienen die Daten nicht als Hilfsmittel für einen anderen, von ihnen unabhängigen Geschäftszweck der Beklagten, sondern sie stellen eine Art Ware dar und sind damit selbst Gegenstand der Dienstleistung der Beklagten. Deshalb findet § 29 BDSG Anwendung. Soweit es vorliegend um den Namen, die Adresse und den Tätigkeitsbereich der Klägerin geht, sind diese Daten bereits in allgemein zugänglichen Quellen (z.B. Gelbe Seiten) vorhanden, so dass ihr Erheben, Speichern, Verändern oder Nutzen nach § 29 Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 BDSG grundsätzlich zulässig ist.
Darüber hinaus macht die Klägerin ohne Erfolg geltend, dass die Grundsätze, die der BGH in seiner Entscheidung über die Zulässigkeit des Lehrerbewertungsportals "spickmich" (Urteil vom 23.6.2009, VI ZR 196/08) aufgestellt hat und auf die sich das LG im Rahmen seiner Abwägung stützt, bereits deshalb nicht herangezogen werden könnten, weil es sich vorliegend nicht um ein geschlossenes Internetportal handelt. Das LG weist zu Recht darauf hin, dass sich die Klägerin dem zwischen Ärzten bestehenden Wettbewerb stellen muss und den Marktmechanismen ausgesetzt ist, zu denen heute auch Bewertungsmöglichkeiten in öffentlich zugänglichen Quellen gehören. Sie muss es insoweit grundsätzlich hinnehmen, wenn sie in einem öffentlich zugänglichen Portal bewertet wird.
Die Datenerhebung ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die Bewertungen anonym erfolgen und der Klägerin damit die Möglichkeit der Auseinandersetzung genommen wird. Die Meinungsäußerungsfreiheit kann nicht auf Äußerungen beschränkt werden, die einem bestimmten Individuum zugeordnet werden können. Der BGH hat in der vorbenannten Entscheidung in aller Deutlichkeit und ohne Beschränkung auf den schulischen Bereich darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung zu bekennen, die Gefahr begründet, dass der Einzelne aus Furcht vor Repressalien oder sonstigen negativen Auswirkungen eine Art Selbstzensur vornimmt und davon absieht, seine Meinung zu äußern. Dies ist aber mit dem Grundrecht auf freie Meinungsäußerung nicht vereinbar.
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