13.03.2012

Auf Antrag des Gläubigers muss Pflicht zur Herausgabe von Kontoauszügen in Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufgenommen werden

Hat der Gläubiger Ansprüche des Schuldners gegen ein Kreditinstitut gepfändet, die sowohl auf Auszahlung der positiven Salden gerichtet sind als auch auf die Auszahlung des dem Schuldner eingeräumten Kredits, muss in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss auf Antrag des Gläubigers die Pflicht zur Herausgabe sämtlicher Kontoauszüge aufgenommen werden. Eine etwaige Verletzung des Rechts auf Geheimhaltung oder informationelle Selbstbestimmung muss der Schuldner im Wege der Erinnerung geltend machen.

BGH 9.2.2012, VII ZB 49/10
Der Sachverhalt:
Das AG erließ wegen einer titulierten Forderung der Gläubigerin über 679 € einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss. Dieser bezieht sich u.a. auf angebliche, wie folgt bezeichnete Forderungen des Schuldners gegen die Drittschuldnerin, eine Sparkasse:
  • "1. Anspruch des Schuldners auf Gutschrift von zu seinen Gunsten eingehenden Beträgen
  • 2. auf Auszahlung sowohl des sich zum Zeitpunkt der Zustellung dieses Beschlusses an die Drittschuldnerin ergebenden als auch jedes späteren aktiven Kontokorrentsaldos oder sonstiger Guthaben, auch zwischen den Abschlüssen
  • 3. Auszahlung oder Überweisung des derzeitigen und jedes künftigen Guthabens an Dritte
  • 4. Auszahlung des Dispositionskredites für den Fall des Abrufs durch den Schuldner
  • 5. aus seinem bei der Drittschuldnerin geführten Sparkonto, auf Auszahlung des Guthabens und der Zinsen
  • 6. der Anspruch auf Zahlung und Leistung jeglicher Art aus dem zu dem Wertpapierkonto gehörenden Geldkonto
  • 9. Gem. § 836 Abs. 3 ZPO wird angeordnet: Der Schuldner ist verpflichtet, die zur Geltendmachung der Forderung nötigen Auskünfte zu erteilen und ihm über die Forderung vorhandenen Urkunden herauszugeben; insbes. hat er herauszugeben: Girovertrag, Sparvertrag, Sparbücher."

Den Antrag der Gläubigerin, im Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugleich nach § 836 Abs. 3 ZPO anzuordnen, dass der Schuldner verpflichtet sei, "laufende Kontoauszüge seit Zustellung des vorläufigen Zahlungsverbots bzw. des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses" herauszugeben, lehnte das AG ab. Das LG wies die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zurück.

Auf die Rechtsbeschwerde der Gläubigerin hob der BGH die Beschlüsse von AG und LG auf, soweit dort die Herausgabe der laufenden Kontoauszüge abgelehnt worden ist, und ergänzte den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss des AG unter Nr. 9 um die Anordnung, dass der Schuldner diejenigen Kontoauszüge, nach seiner Wahl auch Kopien hiervon, an die Gläubigerin herauszugeben hat, die Buchungsvorgänge betreffen, welche seit dem 16.12.2009 erfolgt sind.

Die Gründe:
Das LG hat zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass sich die Herausgabepflicht aus § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO nicht auf die Kontoauszüge beziehe.

Kontoauszüge, gleich ob sie positive oder negative Salden ausweisen, sind geeignet, Forderungen gegen die Drittschuldnerin zu belegen und zu beziffern. Die gesamten Kontoauszüge unterliegen daher der Herausgabeanordnung gem. § 836 Abs. 3 S. 1 ZPO. Eine Einschränkung der Anordnung, die Kontoauszüge herauszugeben, ist nicht gerechtfertigt. Die Anordnung ist in dem vom Gläubiger beantragten Umfang in den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss aufzunehmen. In Rechtsprechung und Literatur ist zwar strittig, ob und inwieweit die Anordnung auf Herausgabe der Kontoauszüge zu beschränken ist. Der Senat schließt sich jedoch für die vorliegende Fallkonstellation der Ansicht an, die die Herausgabepflicht ohne Einschränkungen bejaht.

Die Anordnung ist nicht wegen des Verbots einer unzulässigen Ausforschungspfändung einzuschränken und es ergibt sich auch keine Beschränkung der Herausgabeanordnung im Hinblick auf ein Recht des Schuldners zur Geheimhaltung oder sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Diese auch in der Zwangsvollstreckung zu wahrenden Rechte werden ausreichend dadurch geschützt, dass der Schuldner mit der Vollstreckungserinnerung (§ 766 ZPO) gegen die Herausgabeanordnung vorgehen kann. Die Erinnerung ermöglicht dem Vollstreckungsgericht die Prüfung, ob im Ausnahmefall unter Abwägung aller Umstände - u.a. auch das Interesse des Gläubigers an ausreichender Information über den gepfändeten Anspruch - die Rechte auf informationelle Selbstbestimmung und Geheimhaltung verletzt sind.

Allerdings muss zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gewährleistet sein, dass in den Fällen, in denen diese Rechte gefährdet sein könnten, die geheimhaltungsbedürftigen Informationen nicht vor einer Entscheidung des Vollstreckungsgerichts an den Gläubiger herausgegeben werden. Insoweit bietet sich die entsprechende Anwendung des § 765a Abs. 2 ZPO an, weil die Wegnahme der Kontoauszüge ebenfalls nach den Vorschriften über die Zwangsvollstreckung zur Herausgabe beweglicher Sachen erfolgt (§ 836 Abs. 3 S. 3, § 883 ZPO) und eine vergleichbare Problem- und Interessenlage besteht.

Danach kann der Gerichtsvollzieher die Herausgabe der Kontounterlagen an den Gläubiger bis zur Entscheidung des Vollstreckungsgerichts, jedoch nicht länger als eine Woche, aufschieben, wenn der Schuldner ihm in glaubhafter Weise zur Kenntnis bringt, dass bei Herausgabe der Kontounterlagen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung oder ein Recht auf Geheimhaltung beeinträchtigt wäre und ihm, dem Schuldner, die rechtzeitige Anrufung des Vollstreckungsgerichts nicht möglich war.

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