08.07.2024

Auf Bildschirmmaske mit Bestell-Schaltfläche müssen zahlungspflichtige Leistungen klar ersichtlich sein

In den Fällen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB muss der Verbraucher aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistungen des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht. Wenn mit einem einheitlichen Bestellvorgang Verträge über mehrere Leistungen abgeschlossen werden, die grundsätzlich unabhängig voneinander zu erbringen sind, muss die Maske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, dass der Verbraucher mit dem Betätigen der Schaltfläche eine auf den Abschluss aller dieser Verträge gerichtete Erklärung abgibt. Hat ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss eines nach § 312j Abs. 3 und 4 BGB unwirksamen Abonnementvertrags eine andere Leistung zu einem vergünstigten Preis erbracht, steht der Schutzzweck der genannten Vorschriften einem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz gem. § 812 Abs. 1 Fall 1 und § 818 Abs. 2 BGB in der Regel entgegen.

BGH v. 4.6.2024 - X ZR 81/23
Der Sachverhalt:
Die Klägerin begehrt die Rückzahlung einer Jahresgebühr für eine sog. Prime-Mitgliedschaft. Die Beklagte betreibt die Online-Buchungsplattform O., auf der sie u.a. die Teilnahme an einem als Prime-Mitgliedschaft bezeichneten Vorzugsprogramm anbietet, das Vergünstigungen für die buchbaren Reiseprodukte umfasst. In dem für den Streitfall relevanten Zeitraum bot die Beklagte ein Probeabonnement an. Bei Buchung von Flugreisen mit einem Mobiltelefon wurde hierzu nach Auswahl des Fluges und der Angabe von Passagier- und Gepäckinformationen ein Auswahlfeld mit folgendem Text angezeigt:

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Wenn dieses Auswahlfeld markiert ist, kann die gewählte Flugreise zu einem ermäßigten Tarif gebucht werden. Im Anschluss an diesen Schritt kann der Kunde zusätzliche Optionen auswählen. Am Ende des Auswahlvorgangs erscheint eine Maske mit der Überschrift "Ihr Reiseplan", in der die Flugdaten wiedergegeben werden. Außerdem steht darunter folgender Text:

30-Tage-GRATIS-Probeabo Herzlichen Glückwunsch [...]! Mit Ihrem 30-Tage Prime Gratis-Probeabo sparen Sie [...] € bei diesem Flug.

Danach erscheinen der Preis für den Flug und der Button "Jetzt kaufen". Darunter heißt es:

Ich habe jeweils die O. allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Tarifbedingungen der Airline und die Datenschutzrichtlinie gelesen und akzeptiere diese. Durch Anklicken autorisieren Sie O., ein Prime-Benutzerkonto mit der eingegebenen E-Mail-Adresse zu erstellen.
AGB Prime.


Die Klägerin buchte am 24.12.2021 auf der Plattform eine Flugreise. Hierbei wählte sie den ermäßigten Flugpreis aus. In der Folgezeit ließ die Beklagte vom Konto der Klägerin neben dem Preis für die Flugreise weitere 74,99 € abbuchen. Die Klägerin machte geltend, dass ein Vertrag über die Prime-Mitgliedschaft nicht zustande gekommen sei, und erklärte hilfsweise den Widerruf und die Anfechtung. Dem Begehren nach Rückzahlung des genannten Betrags kam die Beklagte nicht nach.

Das AG wies die auf Rückzahlung der Jahresgebühr von 74,99 € und auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten i.H.v. 104,96 € nebst Zinsen gerichtete Klage der Klägerin ab. Das LG verurteilte die Beklagte unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Zahlung von 15,40 € und zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 90,96 Euro nebst Zinsen. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Urteil des LG auf und änderte das Urteil des AG dahingehend ab, dass die Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin weitere 59,59 € nebst Zinsen zu zahlen.

Die Gründe:
Zutreffend ist das LG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Beklagte die ihr gem. § 312j Abs. 3 BGB obliegende Pflicht nicht erfüllt hat.

Zu Recht hat es auch entschieden, dass sich aus der im Streitfall gewählten Gestaltung der Bestellseite nicht hinreichend deutlich ergibt, dass sich die Formulierung "Jetzt kaufen" auch auf den Abonnementvertrag bezieht. Die in § 312j Abs. 3 BGB normierte Pflicht dient dem Zweck, dem Verbraucher in der Bestellsituation, also in unmittelbarem räumlichem und funktionalem Zusammenhang mit der Abgabe der rechtlich verbindlichen Vertragserklärung, vor Augen zu führen, dass er eine solche Erklärung abgibt und dass diese eine Zahlungspflicht begründet. Hierzu muss der Verbraucher in den Fällen des § 312j Abs. 3 Satz 2 BGB aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ersehen können, für welche Leistungen des Unternehmers er eine Zahlungspflicht eingeht. Wie das LG im Ergebnis zutreffend angenommen hat, muss aus der Bildschirmmaske, in der die Bestell-Schaltfläche enthalten ist, ggf. auch eindeutig hervorgehen, dass der Verbraucher mit Betätigen der Schaltfläche zwei unterschiedliche Verträge abschließt.

Entgegen der Auffassung des LG ist hierbei weniger von Bedeutung, ob es sich um zwei typenverschiedene Verträge handelt. Maßgeblich ist vielmehr, dass für den Verbraucher ersichtlich sein muss, welchen Vertrag oder welche Verträge er abschließt, wenn er die Schaltfläche betätigt. Welche Anforderungen sich hieraus an die inhaltliche Ausgestaltung der Bildschirmmaske ergeben, hängt von der jeweiligen Vertragsgestaltung ab. Wenn mit einem einheitlichen Bestellvorgang Verträge über mehrere Leistungen abgeschlossen werden, die grundsätzlich unabhängig voneinander zu erbringen sind, muss die Maske jedenfalls einen eindeutigen Hinweis darauf enthalten, dass der Verbraucher mit dem Betätigen der Schaltfläche eine auf den Abschluss aller dieser Verträge gerichtete Erklärung abgibt. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Damit ist der Vertrag über das Abonnement gem. § 312j Abs. 4 BGB unwirksam.

Entgegen der Auffassung des LG ist auf den der Klägerin damit gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB zustehenden Anspruch auf Rückzahlung der vereinnahmten Gebühr für das Abonnement nicht ein Preisvorteil für die Flugreise anzurechnen. Bei Unwirksamkeit eines Vertrages haben die Beteiligten die im Hinblick auf den Vertrag erbrachten Leistungen grundsätzlich gem. § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB herauszugeben. Wenn die Herausgabe einer Leistung nicht möglich ist, hat der Empfänger gem. § 818 Abs. 2 BGB deren Wert zu ersetzen. Vorliegens hat die Klägerin aufgrund des unwirksamen Abonnementvertrags die Möglichkeit erlangt, eine Flugreise zu einem Preis zu buchen, der günstiger ist als der Preis, den die Beklagte von Kunden ohne Abonnement verlangt hat. Diesen Vorteil kann sie nicht herausgeben, weil sie die gebuchte Flugreise bereits absolviert hat. Insoweit kommt allenfalls ein Anspruch der Beklagten auf Wertersatz gem. § 818 Abs. 2 BGB in Betracht.

Ob der Wert des erlangten Vorteils, wie das LG meint, der Differenz zu dem Preis entspricht, den die Beklagte von Interessenten ohne Abonnement verlangt hat, oder ob als Vergleichsmaßstab der Preis heranzuziehen ist, zu dem die Klägerin die betreffende Flugreise bei anderen Anbietern ohne Abonnement hätte buchen können, bedarf keiner Entscheidung. In der Konstellation des Streitfalls steht einem Anspruch auf Wertersatz nach § 818 Abs. 2 BGB schon der Schutzzweck des § 312j Abs. 4 BGB entgegen. Hat ein Unternehmer im Zusammenhang mit dem Abschluss eines nach § 312j Abs. 3 und 4 BGB unwirksamen Abonnementvertrags eine andere Leistung zu einem vergünstigten Preis erbracht, steht der Schutzzweck der genannten Vorschriften einem Anspruch des Unternehmers auf Wertersatz gem. § 812 Abs. 1 Fall 1 und § 818 Abs. 2 BGB in der Regel entgegen.

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