Auf Steuerforderungen gestützter Insolvenzantrag: Zur Glaubhaftmachung durch das Finanzamt
BGH v. 19.9.2024 - IX ZB 13/22
Der Sachverhalt:
Das Finanzamt beantragte, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Mit dem Antrag reichte das Finanzamt eine im Einzelnen nach Steuerart, Zeitraum der Steuer, Fälligkeit und Höhe gegliederte Aufstellung der offenstehenden Forderungen aus Lohnsteuer und Umsatzsteuer nebst Verspätungs- und Säumniszuschlägen sowie Vollstreckungskosten über insgesamt rd. 100.000 € ein.
Ferner erklärte es, dass die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen gegeben und die in der Aufstellung enthaltenen Abgabenrückstände unanfechtbar festgesetzt seien. Vollstreckungsmaßnahmen seien erfolglos gewesen, ein Pfändungsversuch in bewegliche Sachen sei fruchtlos verlaufen.
Das AG - Insolvenzgericht - wies den Antrag als unzulässig zurück. Die sofortige Beschwerde hatte vor dem LG keinen Erfolg. Auf die Rechtsmittel des Gläubigers hob der BGH die Beschlüsse von LG und AG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück.
Die Gründe:
Mit der Begründung des LG kann die Glaubhaftmachung der Forderung des Finanzamts nicht verneint werden.
Nach ständiger BGH-Rechtsprechung setzt der Insolvenzantrag eines Finanzamts, der auf Steuerforderungen gestützt wird, als Mindesterfordernis die Vorlage der ergangenen Steuerbescheide und ggf. etwaiger Steueranmeldungen oder Steuervoranmeldungen des Schuldners voraus. Ein bloßer Kontoauszug des sachbearbeitenden Finanzamts ist eine interne Verwaltungshilfe und als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht ausreichend. Es gibt keinen Rechtssatz, dass Kontoauszüge öffentlich-rechtlicher Rechtsträger zuverlässiger sind als diejenigen anderer Gläubiger.
An dem Erfordernis der Glaubhaftmachung der Forderung durch den Gläubiger ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch im Fall der Antragstellung durch das Finanzamt nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschriften des § 14 Abs. 1 und 2 InsO festzuhalten.
Stützt das Finanzamt den Insolvenzantrag auf Steuerforderungen, die sich - etwa bei Lohn- und Umsatzsteuer - aus Steueranmeldungen oder Steuervoranmeldungen des Schuldners ergeben, genügt allerdings statt der Vorlage die genaue Aufstellung der einzelnen Steueranmeldungen und Steuervoranmeldungen zusammen mit der Erklärung des Finanzamts, dass es sich dabei um Forderungen aus entsprechenden (Vor-)Anmeldungen des Schuldners handele, die dieser später nicht korrigiert habe.
Das LG hat zu diesen Voraussetzungen keine Feststellungen getroffen, obgleich sich das Finanzamt in den Tatsacheninstanzen durchgängig auf das Vorliegen eines Ausnahmefalls berufen und geltend gemacht hat, die Schuldnerin habe die in vollem Umfang unanfechtbar festgesetzten und nach Steuerart, Zeitraum, Fälligkeit und Betrag genau aufgelisteten Forderungen aus Umsatzsteuer- und Lohnsteuer(vor-)anmeldungen "bisher" - gemeint also: vor der Stellung des Insolvenzantrags, weil die Schuldnerin in den Tatsacheninstanzen nicht angehört wurde - nicht bestritten. Die Sache war zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen, welches die weiteren Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu prüfen haben wird.
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Das Finanzamt beantragte, das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin zu eröffnen. Mit dem Antrag reichte das Finanzamt eine im Einzelnen nach Steuerart, Zeitraum der Steuer, Fälligkeit und Höhe gegliederte Aufstellung der offenstehenden Forderungen aus Lohnsteuer und Umsatzsteuer nebst Verspätungs- und Säumniszuschlägen sowie Vollstreckungskosten über insgesamt rd. 100.000 € ein.
Ferner erklärte es, dass die Vollstreckbarkeitsvoraussetzungen gegeben und die in der Aufstellung enthaltenen Abgabenrückstände unanfechtbar festgesetzt seien. Vollstreckungsmaßnahmen seien erfolglos gewesen, ein Pfändungsversuch in bewegliche Sachen sei fruchtlos verlaufen.
Das AG - Insolvenzgericht - wies den Antrag als unzulässig zurück. Die sofortige Beschwerde hatte vor dem LG keinen Erfolg. Auf die Rechtsmittel des Gläubigers hob der BGH die Beschlüsse von LG und AG auf und verwies die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG zurück.
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Nach ständiger BGH-Rechtsprechung setzt der Insolvenzantrag eines Finanzamts, der auf Steuerforderungen gestützt wird, als Mindesterfordernis die Vorlage der ergangenen Steuerbescheide und ggf. etwaiger Steueranmeldungen oder Steuervoranmeldungen des Schuldners voraus. Ein bloßer Kontoauszug des sachbearbeitenden Finanzamts ist eine interne Verwaltungshilfe und als Mittel der Glaubhaftmachung grundsätzlich nicht ausreichend. Es gibt keinen Rechtssatz, dass Kontoauszüge öffentlich-rechtlicher Rechtsträger zuverlässiger sind als diejenigen anderer Gläubiger.
An dem Erfordernis der Glaubhaftmachung der Forderung durch den Gläubiger ist entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch im Fall der Antragstellung durch das Finanzamt nach dem Wortlaut, der Systematik und dem Sinn und Zweck der Vorschriften des § 14 Abs. 1 und 2 InsO festzuhalten.
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Das LG hat zu diesen Voraussetzungen keine Feststellungen getroffen, obgleich sich das Finanzamt in den Tatsacheninstanzen durchgängig auf das Vorliegen eines Ausnahmefalls berufen und geltend gemacht hat, die Schuldnerin habe die in vollem Umfang unanfechtbar festgesetzten und nach Steuerart, Zeitraum, Fälligkeit und Betrag genau aufgelisteten Forderungen aus Umsatzsteuer- und Lohnsteuer(vor-)anmeldungen "bisher" - gemeint also: vor der Stellung des Insolvenzantrags, weil die Schuldnerin in den Tatsacheninstanzen nicht angehört wurde - nicht bestritten. Die Sache war zur erneuten Entscheidung an das AG zurückzuverweisen, welches die weiteren Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu prüfen haben wird.
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