Aufsicht über Kreditinstitute: Bank-Beteiligung von Silvio Berlusconi
EuGH v. 19.9.2024 - C-512/22 P u.a.
Der Sachverhalt:
Fininvest ist eine italienische Holdinggesellschaft, die sich mehrheitlich im Besitz von Silvio Berlusconi befand. Sie hielt Anteile an Mediolanum, einem börsennotierten Finanzunternehmen, das seinerseits 100 % des Kapitals des Kreditinstituts Banca Mediolanum hielt.
2014 ordnete die italienische Zentralbank die Veräußerung der 9,99 % übersteigenden Beteiligung von Fininvest an Mediolanum innerhalb von 30 Monaten an und setzte die den zu veräußernden Anteilen entsprechenden Stimmrechte mit sofortiger Wirkung aus. Dies erfolgte aufgrund der Verurteilung von Berlusconi wegen Steuerbetrugs, die dazu führte, dass er die für das Halten einer solchen qualifizierten Beteiligung erforderliche Leumundsanforderung nicht mehr erfüllte. Der Beschluss der italienischen Zentralbank wurde am 3.3.2016 vom italienischen Staatsrat aufgehoben. In der Zwischenzeit wurde Mediolanum im Jahr 2015 von ihrer Tochtergesellschaft Banca Mediolanum übernommen.
Infolge dieser Übernahme und des genannten Urteils des italienischen Staatsrats vertraten die italienische Zentralbank und die EZB die Ansicht, dass Berlusconi und Fininvest eine qualifizierte Beteiligung am Kapital der Banca Mediolanum erworben hätten. Das Unionsrecht sieht vor, dass einem solchen Erwerb eine Anzeige voranzugehen hat und er von der zuständigen nationalen Behörde zu prüfen ist, die dann einen Vorschlag für einen Beschluss an die EZB übermittelt. Anschließend entscheidet die EZB, ob sie den in Rede stehenden Erwerb der qualifizierten Beteiligung ablehnt. Die von der italienischen Zentralbank eingeschaltete EZB lehnte den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch Berlusconi ab, da er das Leumundskriterium nicht erfülle.
Das EuG wies die von Berlusconi und Fininvest erhobene Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses der EZB ab. Hiergegen legten Fininvest und die Rechtsnachfolger von Berlusconi ein Rechtsmittel ein. Der EuGH hob das Urteil des EuG auf und erklärte den Beschluss der EZB für nichtig.
Die Gründe:
Das EuG hat den Sachverhalt des Rechtsstreits verfälscht und einen Rechtsfehler begangen, als es davon ausging, dass die Kläger 2016 eine qualifizierte Beteiligung an der Banca Mediolanum erworben hätten. Dieser Fehler beruht auf der Verkennung der Tragweite des Beschlusses der italienischen Zentralbank aus dem Jahr 2014, der nicht zu einer Verringerung der Beteiligung von Fininvest an Mediolanum geführt hat, sondern lediglich die Aussetzung der Stimmrechte aus den der Pflicht zur Veräußerung unterliegenden Aktien zur Folge hatte. Diese Veräußerung hätte erst innerhalb von 30 Monaten über eine mit dem Verkauf der Aktien betraute Treuhandgesellschaft erfolgen sollen. Zum Zeitpunkt der Aufhebung des Beschlusses durch den italienischen Staatsrat hatte sich die streitige Beteiligung also nicht verändert. Die Umgestaltung ihrer Haltestruktur aufgrund der Aufnahme von Mediolanum in die Banca Mediolanum führte zu keinem anderen Ergebnis.
Folglich konnte nicht vom Erwerb einer qualifizierten Beteiligung durch Berlusconi im Jahr 2016 ausgegangen werden, der eine Anzeige und eine Prüfung durch die zuständigen Behörden erfordert hätte. Berlusconi hat lediglich eine qualifizierte Beteiligung behalten, die er bereits früher erworben hatte, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die von der EZB angewandten unionsrechtlichen Bestimmungen noch nicht in italienisches Recht umgesetzt worden waren. Da diese Bestimmungen nicht rückwirkend gelten, konnte die EZB das Halten einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch Berlusconi nicht rechtmäßig ablehnen.
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EuGH PM Nr. 146 vom 19.9.2024
Fininvest ist eine italienische Holdinggesellschaft, die sich mehrheitlich im Besitz von Silvio Berlusconi befand. Sie hielt Anteile an Mediolanum, einem börsennotierten Finanzunternehmen, das seinerseits 100 % des Kapitals des Kreditinstituts Banca Mediolanum hielt.
2014 ordnete die italienische Zentralbank die Veräußerung der 9,99 % übersteigenden Beteiligung von Fininvest an Mediolanum innerhalb von 30 Monaten an und setzte die den zu veräußernden Anteilen entsprechenden Stimmrechte mit sofortiger Wirkung aus. Dies erfolgte aufgrund der Verurteilung von Berlusconi wegen Steuerbetrugs, die dazu führte, dass er die für das Halten einer solchen qualifizierten Beteiligung erforderliche Leumundsanforderung nicht mehr erfüllte. Der Beschluss der italienischen Zentralbank wurde am 3.3.2016 vom italienischen Staatsrat aufgehoben. In der Zwischenzeit wurde Mediolanum im Jahr 2015 von ihrer Tochtergesellschaft Banca Mediolanum übernommen.
Infolge dieser Übernahme und des genannten Urteils des italienischen Staatsrats vertraten die italienische Zentralbank und die EZB die Ansicht, dass Berlusconi und Fininvest eine qualifizierte Beteiligung am Kapital der Banca Mediolanum erworben hätten. Das Unionsrecht sieht vor, dass einem solchen Erwerb eine Anzeige voranzugehen hat und er von der zuständigen nationalen Behörde zu prüfen ist, die dann einen Vorschlag für einen Beschluss an die EZB übermittelt. Anschließend entscheidet die EZB, ob sie den in Rede stehenden Erwerb der qualifizierten Beteiligung ablehnt. Die von der italienischen Zentralbank eingeschaltete EZB lehnte den Erwerb einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch Berlusconi ab, da er das Leumundskriterium nicht erfülle.
Das EuG wies die von Berlusconi und Fininvest erhobene Klage auf Nichtigerklärung dieses Beschlusses der EZB ab. Hiergegen legten Fininvest und die Rechtsnachfolger von Berlusconi ein Rechtsmittel ein. Der EuGH hob das Urteil des EuG auf und erklärte den Beschluss der EZB für nichtig.
Die Gründe:
Das EuG hat den Sachverhalt des Rechtsstreits verfälscht und einen Rechtsfehler begangen, als es davon ausging, dass die Kläger 2016 eine qualifizierte Beteiligung an der Banca Mediolanum erworben hätten. Dieser Fehler beruht auf der Verkennung der Tragweite des Beschlusses der italienischen Zentralbank aus dem Jahr 2014, der nicht zu einer Verringerung der Beteiligung von Fininvest an Mediolanum geführt hat, sondern lediglich die Aussetzung der Stimmrechte aus den der Pflicht zur Veräußerung unterliegenden Aktien zur Folge hatte. Diese Veräußerung hätte erst innerhalb von 30 Monaten über eine mit dem Verkauf der Aktien betraute Treuhandgesellschaft erfolgen sollen. Zum Zeitpunkt der Aufhebung des Beschlusses durch den italienischen Staatsrat hatte sich die streitige Beteiligung also nicht verändert. Die Umgestaltung ihrer Haltestruktur aufgrund der Aufnahme von Mediolanum in die Banca Mediolanum führte zu keinem anderen Ergebnis.
Folglich konnte nicht vom Erwerb einer qualifizierten Beteiligung durch Berlusconi im Jahr 2016 ausgegangen werden, der eine Anzeige und eine Prüfung durch die zuständigen Behörden erfordert hätte. Berlusconi hat lediglich eine qualifizierte Beteiligung behalten, die er bereits früher erworben hatte, und zwar zu einem Zeitpunkt, zu dem die von der EZB angewandten unionsrechtlichen Bestimmungen noch nicht in italienisches Recht umgesetzt worden waren. Da diese Bestimmungen nicht rückwirkend gelten, konnte die EZB das Halten einer qualifizierten Beteiligung an der Banca Mediolanum durch Berlusconi nicht rechtmäßig ablehnen.
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