Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung i.S.d. § 72 Abs. 1 ZPO
BGH 7.5.2015, VII ZR 104/14Die Bauherren hatten im Dezember 2004 die Versicherungsnehmerin, eine Architektin, mit Planungs- und Überwachungsleistungen bezüglich des Neubaus eines Einfamilienhauses beauftragt. Im September 2005 beauftragten sie dann die Beklagte mit Erd-, Entwässerungs- und Rohbauarbeiten für das Bauvorhaben. Diese Bauleistungen waren mangelhaft, da es zu einem Feuchtigkeitseintritt gekommen war.
Infolgedessen erhoben die Bauherren gegen die Versicherungsnehmerin Schadensersatzklage u.a. wegen mangelhafter Bauüberwachung. Die Versicherungsnehmerin verkündete in jenem Vorprozess der hiesigen Beklagten den Streit. Daraufhin trat die Beklagte dem Rechtstreit auf Seiten der Versicherungsnehmerin bei. Das LG verurteilte die Versicherungsnehmerin zur Zahlung von rund 79.054 € mit der Begründung, es könne dahinstehen, ob die Versicherungsnehmerin bereits eine unzureichende Planung erstellt habe, da sie zumindest ihre Pflicht zur Überwachung der Kellerabdichtungsarbeiten schuldhaft verletzt habe.
Die Klägerin zahlte den ausgeurteilten Betrag unter Abzug eines Selbstbehalts der Versicherungsnehmerin für die Versicherungsnehmerin an die Bauherren. Mit der vorliegenden Klage verlangte die Klägerin von der beklagten Baugesellschaft aus übergegangenem Recht als Gesamtschuldnerausgleich Zahlung in Höhe von 40 % des Gesamtbetrags, den sie für die Versicherungsnehmerin an die Bauherren gezahlt hatte.
LG und OLG wiesen die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH den Beschluss der Vorinstanz auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Gründe:
Die Zulässigkeit der Streitverkündung im Vorprozess durfte im Hinblick auf die gesamtschuldnerische Haftung der Versicherungsnehmerin und der Beklagten gegenüber den Bauherren nicht verneint werden.
Nach § 72 Abs. 1 ZPO ist eine Streitverkündung u.a. dann zulässig, wenn die Partei im Zeitpunkt der Streitverkündung aus in diesem Augenblick naheliegenden Gründen für den Fall des ihr ungünstigen Ausgangs des Rechtsstreits einen Anspruch auf Schadloshaltung gegen einen Dritten erheben zu können glaubt. Die Streitverkündung ist ein in erster Linie den Interessen des Streitverkünders dienender prozessualer Behelf, der dazu bestimmt ist, verschiedene Beurteilungen desselben Tatbestandes zu vermeiden, d.h. den Streitverkünder durch die Bindungswirkung gem. §§ 74, 68 ZPO vor dem Risiko zu bewahren, dass er wegen der materiellrechtlichen Verknüpfung der im Vor- und Folgeprozess geltend gemachten bzw. geltend zu machenden Ansprüche mehrere Prozesse führen muss, dabei aber Gefahr läuft, alle zu verlieren, obwohl er zumindest einen gewinnen müsste.
Unzulässig ist eine Streitverkündung seitens des Klägers des Vorprozesses wegen solcher Ansprüche, die nach Lage der Dinge von vornherein gegenüber dem Beklagten des Vorprozesses als auch gegenüber dem Dritten geltend gemacht werden können, für die also aus der Sicht des Streitverkünders schon im Zeitpunkt der Streitverkündung eine gesamtschuldnerische Haftung des Beklagten und des Dritten in Betracht kommt. In einem derartigen Fall kommt es auch im Zeitpunkt der Streitverkündung nicht mehr auf einen für den Streitverkünder ungünstigen Ausgang des Vorprozesses an.
Hingegen ist eine Streitverkündung zulässig, wenn der Beklagte des Vorprozesses (Streitverkünder) gegen einen Dritten (Streitverkündungsempfänger) aus im Zeitpunkt der Streitverkündung naheliegenden Gründen einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch erheben zu können glaubt. Hiervon ist der BGH bereits im Urteil vom 9.7.2009 (Az.: VII ZR 109/08) ausgegangen. Ausgleichsansprüche unter Gesamtschuldnern sind Ansprüche auf Schadloshaltung i.S.d. § 72 Abs. 1 ZPO. Ein Beklagter, der einen Gesamtschuldnerausgleichsanspruch gegen einen Dritten erheben zu können glaubt, ist dem vorstehenden genannten Risiko ausgesetzt, vor dem die mit der Streitverkündung verbundene Bindungswirkung gem. §§ 74, 68 ZPO bewahren soll.
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