Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers in der privaten Krankenversicherung über zurückliegende Prämienanpassungen
OLG Karlsruhe v. 29.11.2022 - 12 U 305/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1987 eine private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung. Im Tarif sind ambulante und stationäre Heil- und zahnärztliche Behandlungen sowie Krankenhaustagegeld versichert. Dem Vertragsverhältnis liegen die MB/KK 2009 zugrunde. Die Versicherungsbedingungen der Beklagten sehen unter § 8b AVB das Recht des Versicherers zur Beitragsanpassung vor.
Mit E-Mail vom 28./29.9.2020 hatte der Kläger die Beklagte zur Auskunft und Übersendung von Unterlagen betreffend alle Beitragsanpassungen ab dem 1.1.2011 aufgefordert. Mit Schreiben vom 1.10.2020 wies die Beklagte das Auskunftsersuchen zurück und machte geltend, dass die Beitragsanpassungen den gesetzlichen Vorschriften entsprächen.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe die ihm übersandten Versicherungsscheine und Beiblätter aus den Jahren 2011 bis 2020 verloren. Ein prozessuales Vorgehen im Wege der Stufenklage sei zulässig, da die Auskunft zur Bezifferung des Leistungsantrags benötigt werde. Ihm stehe nach §§ 3 Abs. 4 VVG, § 810 BGB analog, § 666 BGB und Art. 15 DSGVO ein Herausgabe- und Auskunftsanspruch zu. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Als Stufenklage i.S.v. § 254 ZPO war die Klage zwar unzulässig. Die geforderte Auskunft diente nicht lediglich der Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs, sondern sollte erst die Voraussetzungen für die Prüfung schaffen, ob dem Kläger ein Leistungsanspruch dem Grunde nach zusteht. Der Auskunftsantrag blieb aber als solcher zulässig. Insofern konnte der Kläger lediglich Auskunft über die Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife und die ihm zu diesem Zweck übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein verlangen. Einen Anspruch auf Information über die der Klägerseite zum Zwecke der Beitragsanpassungen übermittelten Begründungsschreiben konnte der Kläger demgegenüber nicht geltend machen, da ihm diese nach seinem eigenen Vortrag vorlagen.
Aus § 242 BGB folgt ein Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers über zurückliegende Beitragsanpassungen und die ihm hierzu übermittelten Unterlagen, soweit ihm die entsprechenden Nachträge und Unterlagen nicht mehr vorliegen. Infolgedessen konnte der Kläger einen Anspruch auf Auskunft über den Inhalt des Versicherungsscheins bzw. der Nachträge zum Versicherungsschein für die streitgegenständlichen Jahre (2011 bis 2020), insbesondere über die sich daraus ergebende Höhe der Beitragsanpassungen geltend machen. Er hatte auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft zum Zwecke der Überprüfung seiner vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtung zur Beitragszahlung. Dem konnte die Beklagte nicht entgegenhalten, dass nach dem bisherigen Vortrag des Klägers offen ist, ob und in welcher Höhe ihm aufgrund unwirksamer Prämienanpassungen in der Vergangenheit nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.
Für den Auskunftsanspruch war es unerheblich, dass sich die Beklagte auf eine Verjährung von etwaigen Bereicherungsansprüchen des Klägers berufen hatte. Denn aus der Unwirksamkeit sämtlicher Prämienanpassungen im hier streitgegenständlichen Zeitraum (2011 bis 2020) könnten sich nicht nur unverjährte Bereicherungsansprüche ergeben, sondern auch eine verminderte Prämienzahlungspflicht für die Zukunft.
Eine ausreichende Begründung, weshalb der Kläger auf die begehrte Auskunft angewiesen ist, fehlte demgegenüber hinsichtlich der Begründungen der Prämienanpassungen. Diese lagen dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag vor. Auch mit der Berufungsbegründung machte der Kläger allein sein Interesse an einer Übersendung der Nachträge zum Versicherungsschein geltend. Ein Anspruch auf Auskunft über den Inhalt der zur Begründung der Prämienanpassung verwendeten Informationsblätter konnte der Kläger auch nicht auf Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO stützen. Dem stand Art. 12 Abs. 5 b) DSGVO entgegen. Danach kann sich der Verantwortliche bei offensichtlich unbegründeten oder exzessiven Anträgen weigern, aufgrund des Antrags des Betroffenen tätig zu werden, insbesondere Auskunft und Kopie nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO zu erteilen.
Ein exzessiver Antrag setzt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers voraus. Dazu zählen etwa Anträge, die allein das Ziel verfolgen, den Verantwortlichen zu schikanieren. Und so war die Lage im vorliegenden Fall zu werten. Die Beklagte verweigerte hinsichtlich der Informationsblätter zu Recht die Erteilung der geforderten Auskunft. Das Auskunftsersuchen war rechtsmissbräuchlich, da ihm offenkundig weder eine datenschutzrechtliche noch anderweitige legitime Zielsetzung zugrunde lag.
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Landesrechtsprechung Baden-Württemberg
Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit 1987 eine private Krankheitskosten- und Pflegeversicherung. Im Tarif sind ambulante und stationäre Heil- und zahnärztliche Behandlungen sowie Krankenhaustagegeld versichert. Dem Vertragsverhältnis liegen die MB/KK 2009 zugrunde. Die Versicherungsbedingungen der Beklagten sehen unter § 8b AVB das Recht des Versicherers zur Beitragsanpassung vor.
Mit E-Mail vom 28./29.9.2020 hatte der Kläger die Beklagte zur Auskunft und Übersendung von Unterlagen betreffend alle Beitragsanpassungen ab dem 1.1.2011 aufgefordert. Mit Schreiben vom 1.10.2020 wies die Beklagte das Auskunftsersuchen zurück und machte geltend, dass die Beitragsanpassungen den gesetzlichen Vorschriften entsprächen.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe die ihm übersandten Versicherungsscheine und Beiblätter aus den Jahren 2011 bis 2020 verloren. Ein prozessuales Vorgehen im Wege der Stufenklage sei zulässig, da die Auskunft zur Bezifferung des Leistungsantrags benötigt werde. Ihm stehe nach §§ 3 Abs. 4 VVG, § 810 BGB analog, § 666 BGB und Art. 15 DSGVO ein Herausgabe- und Auskunftsanspruch zu. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das OLG die Entscheidung abgeändert und der Klage teilweise stattgegeben.
Die Gründe:
Als Stufenklage i.S.v. § 254 ZPO war die Klage zwar unzulässig. Die geforderte Auskunft diente nicht lediglich der Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs, sondern sollte erst die Voraussetzungen für die Prüfung schaffen, ob dem Kläger ein Leistungsanspruch dem Grunde nach zusteht. Der Auskunftsantrag blieb aber als solcher zulässig. Insofern konnte der Kläger lediglich Auskunft über die Höhe der Beitragsanpassungen unter Benennung der jeweiligen Tarife und die ihm zu diesem Zweck übermittelten Informationen in Form von Versicherungsscheinen und Nachträgen zum Versicherungsschein verlangen. Einen Anspruch auf Information über die der Klägerseite zum Zwecke der Beitragsanpassungen übermittelten Begründungsschreiben konnte der Kläger demgegenüber nicht geltend machen, da ihm diese nach seinem eigenen Vortrag vorlagen.
Aus § 242 BGB folgt ein Auskunftsanspruch des Versicherungsnehmers über zurückliegende Beitragsanpassungen und die ihm hierzu übermittelten Unterlagen, soweit ihm die entsprechenden Nachträge und Unterlagen nicht mehr vorliegen. Infolgedessen konnte der Kläger einen Anspruch auf Auskunft über den Inhalt des Versicherungsscheins bzw. der Nachträge zum Versicherungsschein für die streitgegenständlichen Jahre (2011 bis 2020), insbesondere über die sich daraus ergebende Höhe der Beitragsanpassungen geltend machen. Er hatte auch ein berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft zum Zwecke der Überprüfung seiner vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Verpflichtung zur Beitragszahlung. Dem konnte die Beklagte nicht entgegenhalten, dass nach dem bisherigen Vortrag des Klägers offen ist, ob und in welcher Höhe ihm aufgrund unwirksamer Prämienanpassungen in der Vergangenheit nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB Ansprüche gegen die Beklagte zustehen.
Für den Auskunftsanspruch war es unerheblich, dass sich die Beklagte auf eine Verjährung von etwaigen Bereicherungsansprüchen des Klägers berufen hatte. Denn aus der Unwirksamkeit sämtlicher Prämienanpassungen im hier streitgegenständlichen Zeitraum (2011 bis 2020) könnten sich nicht nur unverjährte Bereicherungsansprüche ergeben, sondern auch eine verminderte Prämienzahlungspflicht für die Zukunft.
Eine ausreichende Begründung, weshalb der Kläger auf die begehrte Auskunft angewiesen ist, fehlte demgegenüber hinsichtlich der Begründungen der Prämienanpassungen. Diese lagen dem Kläger nach seinem eigenen Vortrag vor. Auch mit der Berufungsbegründung machte der Kläger allein sein Interesse an einer Übersendung der Nachträge zum Versicherungsschein geltend. Ein Anspruch auf Auskunft über den Inhalt der zur Begründung der Prämienanpassung verwendeten Informationsblätter konnte der Kläger auch nicht auf Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO stützen. Dem stand Art. 12 Abs. 5 b) DSGVO entgegen. Danach kann sich der Verantwortliche bei offensichtlich unbegründeten oder exzessiven Anträgen weigern, aufgrund des Antrags des Betroffenen tätig zu werden, insbesondere Auskunft und Kopie nach Art. 15 Abs. 1 und 3 DSGVO zu erteilen.
Ein exzessiver Antrag setzt ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers voraus. Dazu zählen etwa Anträge, die allein das Ziel verfolgen, den Verantwortlichen zu schikanieren. Und so war die Lage im vorliegenden Fall zu werten. Die Beklagte verweigerte hinsichtlich der Informationsblätter zu Recht die Erteilung der geforderten Auskunft. Das Auskunftsersuchen war rechtsmissbräuchlich, da ihm offenkundig weder eine datenschutzrechtliche noch anderweitige legitime Zielsetzung zugrunde lag.
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