Auslegung von Lizenzverträgen: Im Zweifel gegen die Nichtigkeit des Rechtsgeschäftes
BGH 17.3.2011, I ZR 93/09Die Beklagte betrieb seit dem 19. Jahrhundert Tagesfahrten mit Ausflugsschiffen und seit etwa 1960 Flusskreuzfahrten mit Kabinenschiffen. Die Klägerin wurde 1994 als Tochtergesellschaft der Beklagten gegründet. Sie bot unter der Firma "KD Deutsche Flusskreuzfahrten GmbH" gemeinsam mit ihrer in der Schweiz ansässigen Tochtergesellschaft, der KD Triton AG, Flusskreuzfahrten an, während die Tagestouristik weiterhin von der Beklagten betrieben wurde.
Anfang 2000 wurden zum Zwecke der Sanierung der "KD-Gruppe" die Beklagte an die Premicon-Gruppe und die Klägerin samt Tochtergesellschaft an die Viking-Gruppe veräußert. Hinsichtlich der Nutzung der KD-Zeichen für den Kabinenschiffbereich hatten die Parteien geregelt, dass eine Kündigung des Nutzungsrechts "soweit gesetzlich zulässig" ausgeschlossen wird. Auch ein einseitiges ordentliches Kündigungsrecht seitens der Beklagten war ausgeschlossen. Außerdem wurde geregelt, dass die Nutzungsrechte der Klägerin und der Triton erlöschen, wenn diese die "KD-Markenrechte" für mehr als drei Jahre nicht nutzten.
Letzterer Fall trat schließlich ein und so teilte die Beklagte im Dezember 2006 der Klägerin mit, dass sie die eingeräumten Nutzungsrechte wegen dreijähriger Nichtbenutzung für erloschen und sich selbst seit Ende 2006 wieder für berechtigt halte, unter dem Zeichen "KD" auch Flusskreuzfahrten zu veranstalten. Die Klägerin beantragte auf dem Rechtsweg, die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen unter dem Zeichen "KD" Dienstleistungen im Zusammenhang mit Flusskreuzfahrten oder Kabinenschiffen anzubieten. Die Beklagte nahm die Klägerin im Wege der Widerklage ihrerseits auf Unterlassung der Benutzung des "KD-Zeichens" für den Geschäftsbereich Flusskreuzfahrten in Anspruch.
Das LG gab der Klage unter Abweisung der Widerklage statt. Auf die Berufung der Beklagten wurde die Klägerin ebenfalls zur Unterlassung verurteilt. Auf die Revision der Beklagten hinsichtlich der weiterhin bestehenden eigenen Unterlassungspflicht hob der BGH das Berufungsurteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.
Die Gründe:
Das Berufungsgericht hatte den im Wortlaut und in der Systematik der Vereinbarung zum Ausdruck kommenden Parteiwillen sowie den Grundsatz der beiderseits interessengerechten Auslegung nicht hinreichend beachtet.
Zwar ging das OLG zu Recht davon aus, dass im Zuge einer angestrebten Sanierung der KD-Gruppe die Bereiche Tagesausflüge und Flusskreuzfahrten in zwei voneinander unabhängige Unternehmen getrennt werden und bestehende rechtliche und wirtschaftliche Verflechtungen aufgehoben werden sollten. Allerdings waren die Parteien dem zugrunde gelegten Gedanken einer vollständigen Entflechtung hinsichtlich der hier in Rede stehenden Namens- und Zeichenrechte gerade nicht gefolgt. Sie wählten insbesondere keine Teilübertragung der bestehenden Firmen- und Marken-rechte auf die Vertragspartner, sondern den Weg einer Lizenzvereinbarung.
Der Lizenzgeber hat im Hinblick auf die Notwendigkeit einer rechtserhaltenden Benutzung gem. § 26 Abs. 2 MarkenG regelmäßig ein Interesse daran, dass der Lizenznehmer von der ihm ausschließlich erteilten Lizenz auch tatsächlich Gebrauch macht, während der das Zeichen länger nicht nutzende Lizenznehmer mit seinem Verhalten zeigt, dass an der Ausübung des ausschließlichen Nutzungsrechts kein schutzwürdiges Interesse mehr besteht. Somit war hier nicht ersichtlich, warum die Beklagte auch dann noch an einer Nutzung des Kennzeichens "KD" für den Kabinenschiffbereich gehindert sein sollte, obwohl die Klägerin eine Nutzung seit mehr als drei Jahren gar nicht aufgenommen hatte. Es verblieb allenfalls das kartellrechtlich relevante Interesse, für eine gewisse Übergangsphase in den aufgeteilten Geschäftsbereichen keiner gegenseitigen Konkurrenz ausgesetzt zu sein, das hier allerdings nicht geregelt war.
Nach alledem konnte offenbleiben, ob - wie die Revision geltend machte - eine vom OLG angenommene vertragliche Unterlassungsverpflichtung als eine gem. § 1 GWB unzulässige und nach § 134 BGB unwirksame Wettbewerbsbeschränkung anzusehen war oder ob - wie die Revisionserwiderung meinte - einer solchen Auslegung der vom OLG ebenfalls nicht erwogene Auslegungsgrundsatz entgegenstand. Im Rahmen der Vertragsauslegung gebührt der Vorzug im Zweifel allerdings derjenigen Auslegung, die die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts vermeidet.
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