13.06.2023

Auslieferung von Apothekenprodukten per Fahrradboten an Sonn- und Feiertagen ist unzulässig

§ 3 Feiertagsgesetz NRW und der §§ 4 und 7 Abs. 2 LÖG NRW sind Marktverhaltensregelungen, weil sie den Konkurrenzkampf ausschalten und insoweit maßgeblich sind für die Wettbewerbsneutralität an den betroffenen Tagen. Die Abholung und Auslieferung der Bestellungen per Fahrradboten sind geeignet, die äußere Ruhe des Tages zu stören. Die Auslieferung von (Online-) Bestellungen für Apothekenprodukte per Fahrradboten hat einen typischen werktäglichen Charakter.

LG Köln v. 20.4.2023 - 81 O 70/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist ein Verein, der sich der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs widmet. Der Beklagte ist Apotheker. Er kooperiert mit der N. Group GmbH, die einen Apotheken-Lieferservice für Verbraucher anbietet ("Lieferservice"). Zu diesem Zweck betreibt der Lieferservice eine Smartphone-App, über die Verbraucher Produkte bei teilnehmenden Apotheken bestellen können. Diese werden bei der jeweiligen Apotheke von einem beim Lieferservice angestellten Botenfahrer abgeholt und noch am Tag der Bestellung an die im Bestellprozess angegebene Anschrift ausgeliefert. Der Beklagte lässt Kunden seiner Apotheke auch außerhalb seiner Notdienstzeiten über diesen Lieferdienst an Werktagen und an Sonn- und Feiertagen beliefern. Bei den Bestellungen handelt es sich überwiegend um apothekenpflichtige Arzneimittel.

Der Kläger sah in dem Vorgehen des Beklagten einen Wettbewerbsverstoß und mahnte ihn im Juli 2022 ab. Der Beklagte lehnte es jedoch ab, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und die Abmahnpauschale zu zahlen. Der Kläger war der Ansicht, ihm stehe ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 3, 3a 8 Abs. 1, 3 Nr. 2 UWG i.V.m. § 3 Feiertagsgesetz NRW und der §§ 4, 7 LÖG NRW zu. Der Beklagte war der Ansicht, die landesrechtlichen Vorschriften seien nach Art. 31 GG nicht anwendbar, weil ihnen mit § 23 ApBetrO anderslautendes Bundesrecht entgegenstehe. Danach unterliege er einer ständigen Dienstbereitschaftspflicht. Von dieser könne er zwar durch behördliche Anordnung gem. § 23 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 ApBetrO befreit werden. Jedoch erlaube diese Befreiung ihm lediglich, seine Apotheke an Sonn- und Feiertagen zu schließen, ohne dass sie ihn hierzu verpflichte.

Das LG gab der Klage vollumfänglich statt.

Die Gründe:
Dem Kläger steht ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagten gem. § 3, 3a, 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 2 UWG i.V.m. §§ 3 FeiertagsG NRW, 7 LÖG NRW zu.

Die geschäftlichen Handlungen des Beklagten sind unlauter und deshalb unzulässig. § 3 Feiertagsgesetz NRW und der §§ 4 und 7 Abs. 2 LÖG NRW sind Marktverhaltensregelungen, weil sie den Konkurrenzkampf ausschalten und insoweit maßgeblich sind für die Wettbewerbsneutralität an den betroffenen Tagen. Der Beklagte hat durch sein Verhalten als Mittäter gehandelt. Er wirkte bei der Belieferung der Kunden an Sonn- und Feiertagen bewusst und gewollt mit dem Lieferservice zusammen und muss sich daher dessen Verhalten im Rahmen des Geschäftsmodells mittäterschaftlich zurechnen lassen. Selbst wenn man von Mittäterschaft nicht ausgehen wollte, würde der Beklagte zumindest als Gehilfe des Lieferservices als Teilnehmer an einer Wettbewerbsverletzung haften.

Die Abholung und Auslieferung der Bestellungen per Fahrradboten sind ohne weiteres öffentlich bemerkbar. Die Tätigkeiten sind auch geeignet, die äußere Ruhe des Tages zu stören. Diese Ruhe an Sonn- und Feiertagen hat allgemein den Zweck, die werktäglichen Bindungen und Zwänge entfallen zu lassen und den Einzelnen zu ermöglichen, diese Tage im sozialen Zusammenleben nach ihren vielfältigen und unterschiedlichen Bedürfnissen allein oder in Gemeinschaft mit anderen ungehindert davon zu begehen. Sie sollen dabei auch nicht an die werktäglichen Lebensvorgänge erinnert werden. Deshalb stehen Arbeiten diesem Zweck insbesondere dann entgegen, wenn sie einen typisch werktäglichen Charakter besitzen und sich in nennenswertem Umfang störend auf das Umfeld auswirken. Die Auslieferung von (Online-) Bestellungen per Fahrradboten hat einen typischen werktäglichen Charakter.

Die Tätigkeit ist auch nicht besonders erlaubt. Als solche Erlaubnis kommt nicht § 7 Abs. 1 LÖG NRW in Betracht. Danach ist zwar Apotheken an Sonn- und Feiertagen die Öffnung erlaubt. Weil die Tätigkeit des Lieferservices diesen Zweck fördert und ein Botendienst typischerweise zu dem Geschäftsbetrieb einer geöffneten Apotheke zu zählen ist, wird die Tätigkeit des Lieferservices grundsätzlich von § 7 Abs. 1 LÖG NRW umfasst. Allerdings steht der Erlaubnis die Schließungsverfügung entgegenstehen, die die zuständige Behörde auf Grundlage des § 7 Abs. 2 S. 1 LÖG NRW gegenüber dem Beklagten erlassen hat. Dem Einwand, die landesrechtliche Vorschrift sei gem. Art. 31 GG nichtig, wird nicht gefolgt.

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