12.10.2021

Äußerungen bei Facebook: Kann eine Dringlichkeit wieder aufleben?

Eine Dringlichkeit kann nicht dadurch wieder "aufleben", dass der Antragsgegner die ihm vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin übersandte Unterlassungserklärung auf der streitgegenständlichen Internetseite veröffentlicht und die Äußerungen damit wiederholt hat. Durch eine solche Veröffentlichung realisiert sich die bereits bestehende konkrete Gefahr der jederzeitigen Wiederholung, deren Beseitigung die Antragstellerin vorher nicht für dringlich erachtet hat.

OLG Brandenburg v. 19.7.2021 - 1 W 23/21
Der Sachverhalt:
Seitdem die Antragstellerin im Jahr 2015 an einer TV-Show teilgenommen hatte, wird in den sozialen Medien über sie berichtet. Im Internet wird u.a. seit 2016 eine Seite betrieben, auf der verschiedene - zumeist negativ berichtende - Artikel über die Antragstellerin veröffentlicht werden. Die Antragstellerin vermutet, der Antragsgegner betreibe diese Seite.

Die Antragstellerin plante am 1.9.2020 ein von ihr verfasstes Buch zu veröffentlichen. Im Vorfeld nahm der Antragsgegner am 28.8.2020 Kontakt zum Verlag auf und kündigte Konsequenzen für den Fall der Veröffentlichung des Buches an. Daraufhin beendete der Verlag noch im August 2020 die Zusammenarbeit mit der Antragstellerin, das Buch ist bisher nicht erschienen.

Der Antragsgegner kündigte daraufhin auf Facebook an, selbst ein Buch geschrieben zu haben. Die Antragstellerin behauptete, sie habe von diesen Ankündigungen am 13.4.2021 Kenntnis erlangt. Eine Teilnehmerin der entsprechenden Facebook-Gruppe habe ihr diese zukommen lassen und mitgeteilt, dass der Antragsgegner der Verfasser sei.

Die Antragstellerin hat am 21.5.2021 den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt, mit dem sie dem Antragsgegner untersagen lassen wollte, die genannten Äußerungen zu verbreiten. Zudem wollte sie dem Antragsgegner insgesamt untersagen lassen, sich auf der genannten Internetseite über sie zu äußern. Das LG den Erlass einer einstweiligen Verfügung abgelehnt. Das OLG hat die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss zurückgewiesen.

Die Gründe:
Die Antragstellerin kann dem Antragsgegner die in den Anträgen genannten Äußerungen nicht im Wege der einstweiligen Verfügung untersagen lassen, da es insoweit an dem für den Erlass einer Untersagungsverfügung erforderlichen Verfügungsgrund fehlt.

Die für den Rechtsschutz einer einstweiligen Verfügung erforderliche Eilbedürftigkeit bzw. Dringlichkeit kann hinsichtlich der ersten drei Äußerungen nicht festgestellt werden, weil der Antragsgegner diese Äußerungen bereits im August 2020 getätigt hatte, somit etwa neun Monate, bevor der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gestellt wurde. Die zugunsten der Antragstellerin bestehende Vermutung der Dringlichkeit ist insoweit durch ihr eigenes Verhalten widerlegt und insbesondere dadurch entfallen, dass diese mit der Rechtsverfolgung zu lange gewartet hat.

Die Antragstellerin hat auch keine Umstände vorgetragen und glaubhaft gemacht, aus denen sich eine so wesentliche Verlängerung der Frist, aufgrund derer von einer dringlichkeitsschädigenden Selbstwiderlegung auszugehen ist, ergeben könnte. Insbesondere ist nicht dargetan, dass etwa Verhandlungen der Parteien über die Verbreitung der Äußerungen stattgefunden haben, aus denen sich die begründete Hoffnung ergeben konnte, dass der drohenden oder behaupteten Rechtsverletzung abgeholfen wird. Vielmehr besteht der Zustand der gegenseitigen Kommentare und Vorwürfe bereits seit mehreren Jahren, seit 2016 existiert auch die streitgegenständliche Internetseite. Insoweit ist nicht ersichtlich, ob es in der Wartezeit überhaupt Kontaktaufnahmen der Antragstellerin zu dem Antragsgegner in Bezug auf die gegenständlichen Äußerungen gab und ob ihr dieser überhaupt geantwortet hat.

Eine Dringlichkeit konnte auch nicht dadurch wieder "aufleben", dass der Antragsgegner die ihm vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin übersandte Unterlassungserklärung auf der streitgegenständlichen Internetseite veröffentlicht und die Äußerungen damit wiederholt hat. Durch diese Veröffentlichung realisierte sich nämlich die bereits seit August 2020 bestehende konkrete Gefahr der jederzeitigen Wiederholung, deren Beseitigung die Antragstellerin während des Ablaufs von mehr als neun Monaten nicht für dringlich erachtet hatte.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner auch keinen Anspruch auf Unterlassung der mit dem Antrag beanstandeten Äußerungen entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB. Wie das LG in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den maßgeblichen Äußerungen nicht um dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen, die als solche zulässig sind und die Grenze der Formalbeleidigung oder Schmähkritik nicht erreichen.
Landesrecht Brandenburg
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