Autofinanzierung: Kein Widerrufsrecht nach Treu und Glauben
LG Wuppertal v. 2.2.2023 - 4 O 344/21
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte am 1.12.2017 in einem Autohaus einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Audi A3 1.6 TDI zu einem Kaufpreis i.H.v. 13.000 € abgeschlossen. Zur Finanzierung nahm er bei der Beklagten ein Darlehn i.H.d. Kaufpreises zu einem Sollzinssatz i.H.v. 2,46 % auf. Infolgedessen belief sich der Darlehensgesamtbetrag auf 14.143 €. Danach verpflichtete sich der Kläger dazu, 30 gleichbleibende monatliche Raten i.H.v. 202 €, beginnend ab dem 1.2.2018 und eine Schlussrate von 8.060 € zu zahlen.
Weiterhin finanzierte die Beklagte über die Laufzeit des Vertrages eine Restschuldversicherung (RSV) zum Preis von 473 €, sodass sich ein Gesamtkreditbetrag (Nennbetrag) von 13.473 € ergab. Die Beklagte belehrte den Kläger über ein bestehendes Widerrufsrecht. Der Kläger übereignete das finanzierte Fahrzeug zur Sicherung seiner Schuld aus dem Darlehensvertrag an die Beklagte. Diese zahlte den Nettodarlehensbetrag im Auftrage des Klägers gemäß den Regelungen des Darlehensvertrages direkt an den Verkäufer.
Mit E-Mail vom 3.6.2021 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung und forderte die Beklagte unter Fristsetzung von fünf Tagen dazu auf, die Wirksamkeit des Widerrufs zu bestätigen und alle bislang geleisteten Raten zurückzuzahlen. Die ihm erteilte Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, zudem habe die Beklagte die erforderlichen Pflichtangaben nicht oder zumindest nicht im hinreichenden Umfange erteilt. Der Kläger gab das Fahrzeug nicht an die Beklagte zurück, sondern nutzte es auch nach erklärtem Widerruf weiter. Die Beklagte war der Ansicht, der Kläger handle rechtsmissbräuchlich.
Nachdem der Kläger das Fahrzeug weiterverkauft hatte, hat er noch die Zahlung von 6.243 € unter Streichung der Rückgabeverpflichtung bzgl. des Fahrzeugs verlangt. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gerichtet auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen weder aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
Zwar war sein Widerrufsrecht zum Zeitpunkt des Widerrufs seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung im Jahre 2021 nicht verfristet. Denn die Frist für den Widerruf wurde gem. §§ 355 Abs. 2 Satz 2, 356b Abs. 2 BGB nicht in Gang gesetzt, weil der Vertrag nicht die gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 bis 13 EGBGB vorgeschriebenen Pflichtangaben enthielt. Die Angaben der Beklagten zu den Verzugszinsen entsprachen in richtlinienkonformer Auslegung des § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht den rechtlichen Anforderungen. Die Klage hat jedoch unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB keinen Erfolg.
Gem. § 242 BGB kann es einem Gläubiger nach Treu und Glauben im Einzelfall verwehrt sein, einen Anspruch geltend zu machen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ihm eine im Zusammenhang mit dem Anspruch stehende schwerwiegende Verletzung seiner eigenen Pflichten zur Last fällt, die nicht hinreichend mit Gegenrechten des Schuldners sanktioniert ist (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2014 - VII ZR 4/13) oder wenn das Verhalten des Anspruchsinhabers unter Abwägung sämtlicher Umstände unvereinbar mit seinem früheren Verhalten ist und die Interessen der Gegenseite vorrangig schutzwürdig sind (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15).
Nach der gebotenen umfassenden Würdigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles waren beide Fallgruppen erfüllt. Der Kläger hatte seine zentralen Pflichten im Hinblick auf die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrags in erheblicher Weise verletzt. Zudem hatte er sich in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch begeben. Nach dem Widerruf des Finanzierungsvertrags ist der Verbraucher insbesondere gem. §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1, 358 Abs. 4, 495 BGB verpflichtet, das erhaltene Fahrzeug binnen 14 Tagen an den Unternehmer zurückzugeben. Der Kläger ignorierte jedoch seine Pflicht zur Rückgabe beharrlich und nutzte das Fahrzeug bis zu dessen Weiterverkauf. Seine - dazu in Widerspruch stehenden - Angebote zur Rückgabe des Pkw an die Beklagten erfolgten lediglich vordergründig im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung.
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Aufsatz:
Zwischenruf zum AGB-Änderungsmechanismus der Banken
Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682
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Justiz NRW
Der Kläger hatte am 1.12.2017 in einem Autohaus einen Kaufvertrag über einen gebrauchten Audi A3 1.6 TDI zu einem Kaufpreis i.H.v. 13.000 € abgeschlossen. Zur Finanzierung nahm er bei der Beklagten ein Darlehn i.H.d. Kaufpreises zu einem Sollzinssatz i.H.v. 2,46 % auf. Infolgedessen belief sich der Darlehensgesamtbetrag auf 14.143 €. Danach verpflichtete sich der Kläger dazu, 30 gleichbleibende monatliche Raten i.H.v. 202 €, beginnend ab dem 1.2.2018 und eine Schlussrate von 8.060 € zu zahlen.
Weiterhin finanzierte die Beklagte über die Laufzeit des Vertrages eine Restschuldversicherung (RSV) zum Preis von 473 €, sodass sich ein Gesamtkreditbetrag (Nennbetrag) von 13.473 € ergab. Die Beklagte belehrte den Kläger über ein bestehendes Widerrufsrecht. Der Kläger übereignete das finanzierte Fahrzeug zur Sicherung seiner Schuld aus dem Darlehensvertrag an die Beklagte. Diese zahlte den Nettodarlehensbetrag im Auftrage des Klägers gemäß den Regelungen des Darlehensvertrages direkt an den Verkäufer.
Mit E-Mail vom 3.6.2021 widerrief der Kläger seine auf den Abschluss des Darlehensvertrages gerichtete Willenserklärung und forderte die Beklagte unter Fristsetzung von fünf Tagen dazu auf, die Wirksamkeit des Widerrufs zu bestätigen und alle bislang geleisteten Raten zurückzuzahlen. Die ihm erteilte Widerrufsbelehrung sei fehlerhaft, zudem habe die Beklagte die erforderlichen Pflichtangaben nicht oder zumindest nicht im hinreichenden Umfange erteilt. Der Kläger gab das Fahrzeug nicht an die Beklagte zurück, sondern nutzte es auch nach erklärtem Widerruf weiter. Die Beklagte war der Ansicht, der Kläger handle rechtsmissbräuchlich.
Nachdem der Kläger das Fahrzeug weiterverkauft hatte, hat er noch die Zahlung von 6.243 € unter Streichung der Rückgabeverpflichtung bzgl. des Fahrzeugs verlangt. Das LG hat die Klage abgewiesen.
Die Gründe:
Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch gerichtet auf Rückgewähr der von ihm an die Beklagte geleisteten Zins- und Tilgungszahlungen weder aus § 358 Abs. 4 Satz 1 BGB i.V.m. § 355 Abs. 3 Satz 1 BGB noch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zu.
Zwar war sein Widerrufsrecht zum Zeitpunkt des Widerrufs seiner auf den Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung im Jahre 2021 nicht verfristet. Denn die Frist für den Widerruf wurde gem. §§ 355 Abs. 2 Satz 2, 356b Abs. 2 BGB nicht in Gang gesetzt, weil der Vertrag nicht die gem. § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 bis 13 EGBGB vorgeschriebenen Pflichtangaben enthielt. Die Angaben der Beklagten zu den Verzugszinsen entsprachen in richtlinienkonformer Auslegung des § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB nicht den rechtlichen Anforderungen. Die Klage hat jedoch unter dem Gesichtspunkt des § 242 BGB keinen Erfolg.
Gem. § 242 BGB kann es einem Gläubiger nach Treu und Glauben im Einzelfall verwehrt sein, einen Anspruch geltend zu machen. Dies kann etwa dann der Fall sein, wenn ihm eine im Zusammenhang mit dem Anspruch stehende schwerwiegende Verletzung seiner eigenen Pflichten zur Last fällt, die nicht hinreichend mit Gegenrechten des Schuldners sanktioniert ist (vgl. BGH, Urt. v. 4.12.2014 - VII ZR 4/13) oder wenn das Verhalten des Anspruchsinhabers unter Abwägung sämtlicher Umstände unvereinbar mit seinem früheren Verhalten ist und die Interessen der Gegenseite vorrangig schutzwürdig sind (BGH, Urt. v. 12.7.2016 - XI ZR 501/15).
Nach der gebotenen umfassenden Würdigung aller Umstände des vorliegenden Einzelfalles waren beide Fallgruppen erfüllt. Der Kläger hatte seine zentralen Pflichten im Hinblick auf die Rückabwicklung des widerrufenen Vertrags in erheblicher Weise verletzt. Zudem hatte er sich in einen unauflösbaren Selbstwiderspruch begeben. Nach dem Widerruf des Finanzierungsvertrags ist der Verbraucher insbesondere gem. §§ 355 Abs. 3, 357 Abs. 1, 358 Abs. 4, 495 BGB verpflichtet, das erhaltene Fahrzeug binnen 14 Tagen an den Unternehmer zurückzugeben. Der Kläger ignorierte jedoch seine Pflicht zur Rückgabe beharrlich und nutzte das Fahrzeug bis zu dessen Weiterverkauf. Seine - dazu in Widerspruch stehenden - Angebote zur Rückgabe des Pkw an die Beklagten erfolgten lediglich vordergründig im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung.
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Hans-Gert Vogel, ZIP 2022, 682
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