01.09.2011

Banken müssen auch bei Festpreisgeschäften über Zuwendungen in Form von Rabatten aufklären

Will eine Bank einen Wertpapierauftrag im Wege des Eigenhandels durch Abschluss von Festpreisgeschäften ausführen, so hat sie den Kunden darüber zu informieren und seine Einwilligung einzuholen. Es ist für die für den Anleger wesentliche Frage, ob die beratende Bank eigene wirtschaftliche Vorteile im Auge hat, völlig gleichgültig, ob ihr hinter seinem Rücken offen ausgewiesene Provisionen zufließen oder ob sich ihr Interesse aus einem Preisabschlag beim Erwerb ergibt.

OLG Frankfurt a.M. 29.6.2011, 17 U 12/11
Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Februar 2007 im Verlauf eines Telefonats mit dem Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der beklagten Bank 300 Stück Lehman Brothers Global Champion Zertifikate zu einem Gesamtkaufpreis i.H.v. 300.000 € erworben. Dabei handelt es sich um eine Schuldverschreibung, die als Bonuszertifikat ausgestaltet ist. Fälligkeit und Bonuszahlung richten sich nach der Entwicklung der drei Aktienindizes Dow Jones EURO STOXX 50, des Standart & Poor"s 500 und des Nikkei 225. Aus dem Geschäft erhielt die Beklagte von der Emittentin Lehman Brothers eine Zuwendung in Form eines Rabatts i.H.v. 3,5 % auf den Emissionspreis, worüber sie den Zedenten nicht aufklärte.

Später nahm die Klägerin die Beklagte wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung auf Schadensersatz Zug um Zug gegen Rückübereignung der erworbenen Wertpapiere in Anspruch. Die Beklagte behauptete, die Klägerin habe bereits seit 2004 über Erfahrungen mit Zertifikaten verfügt. Bereits damals sei jeweils eine ausführliche Aufklärung über Funktionsweise, Chancen und Risiken des jeweiligen Zertifikats vorausgegangen. Außerdem habe es sich um ein Festpreisgeschäft mit Zertifikaten aus ihrem Eigenbestand gehandelt. Die von ihr vereinnahmten Erträge seien für die Anlageentscheidung des Zedenten nicht erheblich gewesen.

Das LG gab der Klage überwiegend statt. Die Berufung der Beklagten blieb vor dem OLG erfolglos. Mit Blick auf abweichende Entscheidungen anderer OLG wurde die Revision zum BGH zugelassen.

Gründe:
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 273.750 € Zug um Zug gegen Übertragung der streitgegenständlichen Lehman-Zertifikate gem. §§ 675 Abs. 1, 280 Abs. 1, 398 BGB wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten aus einem konkludent geschlossenen Beratungsvertrag.

Will eine Bank einen Wertpapierauftrag im Wege des Eigenhandels durch Abschluss von Festpreisgeschäften ausführen, so hat sie den Kunden darüber zu informieren und seine Einwilligung einzuholen. Diese Informationspflicht ergab sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anlageentscheidung des Zedenten aus Nr. 4.3. Abs. 5 S. 1 der Richtlinie des Bundesaufsichtsamts für den Wertpapierhandel vom 26.5.1997. Denn nur dann, wenn dem Kunden offengelegt wird, dass ein Kaufvertrag zustande kommt, kann er das mit dem Verkauf verbundene Umsatzinteresse der ihn beratenden Bank auch erkennen. Dies war vorliegend jedoch nicht der Fall. Daran musste sich die Beklagte gem. § 242 BGB festhalten lassen.

Zwar handelte es sich begrifflich nicht um eigentliche Rückvergütungen ("Kickbacks"), sondern vielmehr um Platzierungsprovisionen oder auch Rabatte/Abschläge auf den Emissionspreis. Die Interessenkollision, die zur Aufklärungspflicht führt, besteht allerdings darin, dass für den Anleger nicht erkennbar ein von dritter Seite zu befriedigendes eigenes Absatzinteresse der Bank ins Spiel kommt. Unter diesem Gesichtspunkt ist es für die für den Anleger wesentliche Frage, ob die beratende Bank eigene wirtschaftliche Vorteile im Auge hat, völlig gleichgültig, ob ihr hinter seinem Rücken offen ausgewiesene Provisionen zufließen oder ob sich ihr Interesse wie hier aus einem Preisabschlag beim Erwerb ergibt.

Die Beklagte konnte auch nicht geltend machen, sie sei ihrer Verpflichtung zur Aufklärung bereits dadurch nachgekommen, dass sie auf den Rückseiten früherer Wertpapierabrechnungen darauf hingewiesen habe, dass sie aus dem Vertrieb von Wertpapieren Erträge erziele, und der Zedent wegen solcher Hinweise niemals den Abrechnungen widersprochen habe. Denn, wenn außerhalb eines Beratungsverhältnisses die Bank dem Anleger Informationen zukommen lässt, stellt sich zwar die Frage, wie lang eine Zeitspanne zwischen dem Zugang und einem Wertpapiergeschäft sein darf. Bei einem Zeitraum von - wie hier - knapp zwei Jahren kann allerdings nicht mehr anzunehmen sein, dass die Mitteilung dem Zedenten noch präsent gewesen wäre. Denn es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Kunden bei nur sporadischen Anlagegeschäften derartige Hinweise so in ihrem Gedächtnis behalten oder archivieren, dass sie unschwer darauf jederzeit wieder zurückgreifen können.

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