Bedingungsabhängige Gründe für das Ausscheiden aus einer Genossenschaft können nur in der Satzung festgelegt werden
BGH 15.5.2018, II ZR 2/16Der Kläger betreibt als eingetragener Kaufmann eine Apotheke. Er trat 1979 der Beklagten bei, einer eingetragenen Genossenschaft mittelständischer Apotheker, deren Unternehmensgegenstand den Großhandel mit pharmazeutischen Produkten umfasst. Der Kläger erwarb nach seinem Beitritt zu den notwendigen Pflichtanteilen weitere freiwillige Anteile. Im Januar 2004 unterzeichnete der Kläger ein von der Beklagten erstelltes Kündigungsblankett, das bei der Beklagten verblieb. Das mit Kündigung der Mitgliedschaft/einzelner Geschäftsanteile überschriebene Formular sah im ersten Absatz mit Ankreuzmöglichkeit die Kündigung der gesamten Mitgliedschaft vor. Der Kläger kreuzte den ersten Absatz nicht an, sondern kreuzte den zweiten Absatz an, der eine Kündigung der freiwilligen Geschäftsanteile vorsah. und ließ dabei aber die Anzahl offen.
Im Mai 2011 unterzeichneten die Parteien eine Leistungs- und Konditionsvereinbarung, in der ein monatlicher Umsatz von mehr als 30.000 € vereinbart wurde. Des Weiteren sah die Vereinbarung vor, dass bei Einstellung der Geschäftsbeziehung oder Reduzierung des monatlichen Umsatzes unterhalb der Summe der gezeichneten Anteile die freiwillig gezeichneten Anteile als gekündigt galten. Schon seit 2008 erreichte der monatliche Umsatz des Klägers mit der Beklagten selten den jeweils vereinbarten Betrag. Im März 2012 beendete der Kläger die Geschäftsbeziehung zur Beklagten. Die Beklagte machte daraufhin von dem ihr überlassenen Kündigungsblankett Gebrauch kreuzte den ersten Absatz der Kündigung der gesamten Mitgliedschaft an und teilte dem Kläger die Kündigung mit. Der Kläger widersprach dem.
Er begehrte die Feststellung, dass seine Mitgliedschaft bei der Beklagten fortbesteht und er unverändert auch mit seinen freiwilligen Anteilen beteiligt bleibt. Das LG stellte die Fortdauer der Mitgliedschaft fest und wies die Klage im Übrigen ab. Das Berufungsgericht gab der Klage insgesamt statt. Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg.
Die Gründe:
Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten ist durch die vom Kläger 2004 blanko unterschriebene und von der Beklagten 2012 gezogene Kündigungserklärung nicht wirksam gekündigt worden. Eine Kündigung der Mitgliedschaft insgesamt ist von der Kündigungsermächtigung, die der Kläger der Beklagten durch Überlassung des Kündigungsblanketts erteilt hat, nicht gedeckt. Dass der Kläger sich mit dem Ankreuzen der im zweiten Absatz des Formular vorgesehenen Kündigungsvariante, die nur freiwillige Anteile betrifft und den Verbleib in der Genossenschaft vorsieht, gleichzeitig gegen eine Gesamtkündigung nach dem ersten Absatz ausgesprochen hat, ist möglich und erscheint lebensnah. Eine Kündigung nach dem zweiten Absatz i.V.m. einer Gesamtkündigung gem. dem ersten Absatz macht keinen Sinn. Daher schließt eine Kündigung nach dem zweiten Absatz eine nach dem ersten aus.
Der Kläger ist auch nicht mit seinen freiwilligen Anteilen aufgrund der Leistungs- und Konditionsvereinbarung vom Mai 2011 aus der Genossenschaft ausgeschieden. Die Vereinbarung ist unwirksam, da sie gegen die aus den §§ 65 ff., 68 GenG insgesamt zu entnehmenden Einschränkungen, denen das Ausscheiden aus einer Genossenschaft unterliegt, verstößt. Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft kann zwar grundsätzlich auch durch einen Auflösungsvertrag beendet werden, jedenfalls wenn die Mitgliedschaft erst nach Ablauf der vorgeschriebenen Kündigungsfrist enden soll. Aber die im Streitfall geschlossene Vereinbarung knüpft die Auflösung an den Eintritt einer Bedingung und ist daher unwirksam.
Eine solche Regelung, wonach die Mitgliedschaft nach dem Eintritt der Bedingung von selbst endet, auch wenn das zu diesem Zeitpunkt nicht mehr dem Willen des Mitglieds entspricht, berührt unmittelbar das Mitgliedschaftsverhältnis und ist daher grundsätzlich in der Satzung zu treffen. Die Festlegung eines Beendigungsgrundes durch eine schuldrechtliche Vereinbarung scheidet aus, denn damit würde ein weiterer, vom Gesetzgeber nicht vorgesehener Ausscheidungsgrund zugelassen und auch die aus § 18 S. 1, §§ 65 ff. GenG sich ergebenden Beschränkungen außer Acht gelassen. Dafür, dass bedingungsabhängige Ausscheidensgründe in der Satzung festzulegen sind spricht zudem die mit der Notwendigkeit einer Satzungsregelung verbundene Transparenz und einer damit in Zusammenhang stehenden Gleichbehandlung der Mitglieder.
Linkhinweis:
Für den auf den Webseiten des BGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.