Befristung der Gültigkeitsdauer "Mobiler Briefmarken" auf 14 Tage ist unwirksam
OLG Köln v. 13.3.2023 - 3 U 148/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 28 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Die Beklagte bietet Beförderungsleistungen für Briefe und Pakete an. Für Briefe und Postkarten offeriert sie Verbrauchern als Nachweis für die Zahlung des Beförderungsentgelts eine sog. Mobile Briefmarke, auch "Portocode" genannt. Kauf und Zahlung erfolgen hierbei durch die Verbraucher über eine Smartphone-App. Nach der Bestellung und Bezahlung wird diesen in der App der achtstellige Porto-Code zur Frankierung angezeigt, damit sie ihn handschriftlich auf der Briefsendung oder der Postkarte anbringen können.
In den AGB für den Onlinehandel der Beklagten heißt es, die Mobile Briefmarke sei lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Weiterhin ist darin Folgendes niedergelegt: "Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen." Auf die Gültigkeitsdauer weist die Beklagte die Verbraucher bereits vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke hin.
Der Kläger sah in der Regelung einen Verstoß gegen die Regelung des § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (s.u.) und machte insoweit einen Unterlassungs- sowie Aufwendungsersatzanspruch geltend. Die Beklagte vertrat die Auffassung, die Regelungen unterlägen nicht der Inhaltskontrolle nach der vorbezeichneten Vorschrift, zudem werde der Verbraucher nicht einseitig benachteiligt, sondern durch ein besonders einfach zu handhabendes Produkt begünstigt. Jede Ausdehnung der Gültigkeitsdauer bedeute im Übrigen eine deutliche Zunahme an notwendigen Zeichen, was der einfachen Handhabbarkeit des Produktes zuwiderliefe. Zudem sei die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit des Codes angesichts der hohen Anzahl an Verkäufen bei der "mobilen Marke" und der begrenzten Anzahl an Zeichen zur Sicherung des Produkts und zur Vermeidung von Missbrauch erforderlich.
Das LG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Das OLG hat die Entscheidung auf Berufung der Beklagten bestätigt.
Die Gründe:
Die angegriffene AGB benachteiligt den Verbraucher unangemessen und sind daher unwirksam.
Die in Rede stehenden Regelungen waren nicht von einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ausgenommen. Bei dem Erwerb der "mobilen Briefmarke" handelt es sich im Übrigen um einen Kaufvertrag und nicht, wie von der Beklagten angenommen, bereits um einen konkreten Frachtvertrag. Insofern bestimmt sich die Verjährungsfrist nach § 195 BGB und beträgt drei Jahre. Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung.
Im Fall einer temporalen Verfallfrist - wie hier - wird in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen, weil der Verwendungsgegner zwar den Preis für die Leistung bezahlt hat, ihm die Gegenleistung aber nur befristet zustehen soll und zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränkt wird. Solche Verfallklauseln sind daher an der Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu messen, wobei der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB eine Leitbildfunktion zukommt.
Zwar ist nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden anzusehen. Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.) auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) hat der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit haben sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht.
Vorliegend hatte das LG (auch) zutreffend in den Blick genommen, dass es sich um eine erhebliche zeitliche Beschränkung des Erfüllungsanspruchs handelte. Denn durch die Beschränkung der Gültigkeit auf 14 Tage wurde der Erfüllungsanspruch auf etwa 1% der gesetzlich vorgesehenen Verjährungsfrist verkürzt. Höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen der Beklagten, die der Bewertung entgegenstehen könnten, waren hier nicht ersichtlich. Zwar hält der Senat es für ein nachvollziehbares Interesse, den Code auf eine praktikable und einfach zu handhabende Länge zu beschränken. Es besteht aber keine Notwendigkeit, die Gültigkeit der Codes auf 14 Tage zu begrenzen.
An der unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher ändert sich auch dadurch nichts, dass die Möglichkeit besteht, die Bestellung einer Briefmarke binnen 14 Tagen kostenlos zu stornieren oder zu widerrufen. Vorliegend fehlte es bereits an der erforderlichen Wechselbeziehung zwischen der kurzen Gültigkeitsdauer und dem eingeräumten Stornierungsrecht, weil Verbrauchern bei jedem Fernabsatzvertrag ein 14-tägiges Widerrufsrecht von Gesetzes wegen zusteht. Die Unangemessenheit der angegriffenen Klausel folgte zudem daraus, dass bei Nichtnutzung der "mobilen Briefmarke" innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten einhergeht.
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OLG Köln PM v. 14.6.2023
Der Kläger ist der Dachverband der 16 Verbraucherzentralen der Länder und 28 weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Die Beklagte bietet Beförderungsleistungen für Briefe und Pakete an. Für Briefe und Postkarten offeriert sie Verbrauchern als Nachweis für die Zahlung des Beförderungsentgelts eine sog. Mobile Briefmarke, auch "Portocode" genannt. Kauf und Zahlung erfolgen hierbei durch die Verbraucher über eine Smartphone-App. Nach der Bestellung und Bezahlung wird diesen in der App der achtstellige Porto-Code zur Frankierung angezeigt, damit sie ihn handschriftlich auf der Briefsendung oder der Postkarte anbringen können.
In den AGB für den Onlinehandel der Beklagten heißt es, die Mobile Briefmarke sei lediglich als ad-hoc Frankierung zum sofortigen Gebrauch gedacht. Weiterhin ist darin Folgendes niedergelegt: "Erworbene Mobile Briefmarken verlieren daher mit Ablauf einer 14-tägigen Frist nach Kaufdatum ihre Gültigkeit. Das maßgebliche Kaufdatum ist in der Auftragsbestätigung genannt. Eine Erstattung des Portos nach Ablauf der Gültigkeit ist ausgeschlossen." Auf die Gültigkeitsdauer weist die Beklagte die Verbraucher bereits vor dem Erwerb der mobilen Briefmarke hin.
Der Kläger sah in der Regelung einen Verstoß gegen die Regelung des § 307 Abs.1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB (s.u.) und machte insoweit einen Unterlassungs- sowie Aufwendungsersatzanspruch geltend. Die Beklagte vertrat die Auffassung, die Regelungen unterlägen nicht der Inhaltskontrolle nach der vorbezeichneten Vorschrift, zudem werde der Verbraucher nicht einseitig benachteiligt, sondern durch ein besonders einfach zu handhabendes Produkt begünstigt. Jede Ausdehnung der Gültigkeitsdauer bedeute im Übrigen eine deutliche Zunahme an notwendigen Zeichen, was der einfachen Handhabbarkeit des Produktes zuwiderliefe. Zudem sei die zeitliche Begrenzung der Gültigkeit des Codes angesichts der hohen Anzahl an Verkäufen bei der "mobilen Marke" und der begrenzten Anzahl an Zeichen zur Sicherung des Produkts und zur Vermeidung von Missbrauch erforderlich.
Das LG hat der Klage vollumfänglich stattgegeben. Das OLG hat die Entscheidung auf Berufung der Beklagten bestätigt.
Die Gründe:
Die angegriffene AGB benachteiligt den Verbraucher unangemessen und sind daher unwirksam.
Die in Rede stehenden Regelungen waren nicht von einer Inhaltskontrolle nach § 307 BGB ausgenommen. Bei dem Erwerb der "mobilen Briefmarke" handelt es sich im Übrigen um einen Kaufvertrag und nicht, wie von der Beklagten angenommen, bereits um einen konkreten Frachtvertrag. Insofern bestimmt sich die Verjährungsfrist nach § 195 BGB und beträgt drei Jahre. Zu den wesentlichen Grundgedanken der für schuldrechtliche gegenseitige Verträge geltenden Regeln des bürgerlichen Rechts gehört das Prinzip der Äquivalenz von Leistung und Gegenleistung.
Im Fall einer temporalen Verfallfrist - wie hier - wird in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung eingegriffen, weil der Verwendungsgegner zwar den Preis für die Leistung bezahlt hat, ihm die Gegenleistung aber nur befristet zustehen soll und zeitlich über die Verjährungsregelungen hinaus beschränkt wird. Solche Verfallklauseln sind daher an der Vorschrift des § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu messen, wobei der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB eine Leitbildfunktion zukommt.
Zwar ist nicht jede zeitliche Begrenzung der Gültigkeitsdauer als nicht hinnehmbare Verletzung des Äquivalenzprinzips und unangemessene Benachteiligung des Kunden anzusehen. Durch die Abkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist von dreißig Jahren (vgl. § 195 BGB a.F.) auf drei Jahre (vgl. § 195 BGB) hat der Gesetzgeber allerdings bereits den Interessen der Schuldner Rechnung getragen; damit haben sich die Anforderungen an die Rechtfertigung von AGB, die eine kürzere als die gesetzliche Verjährungsfrist zur Anspruchsdurchsetzung statuieren, erhöht.
Vorliegend hatte das LG (auch) zutreffend in den Blick genommen, dass es sich um eine erhebliche zeitliche Beschränkung des Erfüllungsanspruchs handelte. Denn durch die Beschränkung der Gültigkeit auf 14 Tage wurde der Erfüllungsanspruch auf etwa 1% der gesetzlich vorgesehenen Verjährungsfrist verkürzt. Höherrangige oder zumindest gleichwertige Interessen der Beklagten, die der Bewertung entgegenstehen könnten, waren hier nicht ersichtlich. Zwar hält der Senat es für ein nachvollziehbares Interesse, den Code auf eine praktikable und einfach zu handhabende Länge zu beschränken. Es besteht aber keine Notwendigkeit, die Gültigkeit der Codes auf 14 Tage zu begrenzen.
An der unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher ändert sich auch dadurch nichts, dass die Möglichkeit besteht, die Bestellung einer Briefmarke binnen 14 Tagen kostenlos zu stornieren oder zu widerrufen. Vorliegend fehlte es bereits an der erforderlichen Wechselbeziehung zwischen der kurzen Gültigkeitsdauer und dem eingeräumten Stornierungsrecht, weil Verbrauchern bei jedem Fernabsatzvertrag ein 14-tägiges Widerrufsrecht von Gesetzes wegen zusteht. Die Unangemessenheit der angegriffenen Klausel folgte zudem daraus, dass bei Nichtnutzung der "mobilen Briefmarke" innerhalb der gesetzten Gültigkeitsdauer der ersatzlose Entzug des Anspruchs auf Beförderung der Briefe/Postkarten einhergeht.
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