Bekämpfung von Steuerhinterziehung: Zinsen für ein gruppeninternes Darlehen
EuGH v. 4.10.2024 - C-585/22
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts, die zu einer multinationalen Unternehmensgruppe gehört. Diese Gruppe umfasst u.a. die Gesellschaften A und C, die beide ihren Sitz in Belgien haben. A ist Alleingesellschafterin der Klägerin und Mehrheitsaktionärin von C. Im Jahr 2000 erwarb die Klägerin die Mehrheit der Aktien einer Gesellschaft niederländischen Rechts, deren restliche Aktien A erwarb. Die Klägerin finanzierte diesen Erwerb mit bei C aufgenommenen Darlehen. C verwendete dafür Eigenkapital, das sie durch eine von A vorgenommene Kapitaleinlage erhalten hatte. In dem an die Klägerin gerichteten Körperschaftsteuerbescheid für das Steuerjahr 2007 verweigerte der niederländische Staatssekretär für Finanzen den Abzug der von X an C gezahlten Zinsen.
Die Klägerin klagte gegen diese Weigerung vor den niederländischen Gerichten bis zum Obersten Gerichtshof der Niederlande. Dieser stellt fest, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften eine Vermutung aufstellten, wonach die für gruppeninterne Darlehensschulden gezahlten Zinsen eine rein künstliche Gestaltung darstellten oder Teil davon seien. Der Oberste Gerichtshof fragt sich jedoch, ob diese Rechtsvorschriften u.a. mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sind, da sie grenzüberschreitende Situationen benachteiligen könnten, und richtete ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.
Die Gründe:
Die niederländischen Rechtsvorschriften beinhalten tatsächlich eine Ungleichbehandlung, die abschreckende Wirkungen auf die Ausübung der Niederlassungsfreiheit haben können.
Die betreffenden Vorschriften verfolgen allerdings das legitime Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Mit ihnen soll verhindert werden, dass das Eigenkapital einer Unternehmensgruppe künstlich als von einem niederländischen Gruppenmitglied aufgenommene Kreditmittel erscheint und die Darlehenszinsen vom steuerbaren Ergebnis in den Niederlanden abgezogen werden. Dieses Ziel gilt auch für die Fälle, in denen, wie im vorliegenden, eine Einheit erst infolge des Erwerbs oder der Erhöhung einer Beteiligung zu einer mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Einheit wird.
Die Vermutung rein künstlicher Gestaltungen kann vom Steuerpflichtigen widerlegt werden. Die Prüfung, ob die Voraussetzung der Marktüblichkeit eingehalten wurde, muss sich insbesondere auf die wirtschaftliche Realität der Transaktionen beziehen. Wenn sich der künstliche Charakter eines Geschäfts aus einem ungewöhnlich hohen Zinssatz auf ein solches Darlehen ergibt, das ansonsten die wirtschaftliche Realität widerspiegelt, verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Teil dieser gezahlten Zinsen, der über dem marktüblichen Zinssatz liegt, auszunehmen. Wenn hingegen das in Rede stehende Darlehen selbst wirtschaftlich ungerechtfertigt ist und es ohne eine besondere Beziehung zwischen den betreffenden Gesellschaften und den angestrebten steuerlichen Vorteil niemals aufgenommen worden wäre, steht es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang, den Abzug dieser Zinsen vollständig zu verweigern.
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EuGH PM Nr. 161 vom 4.10.2024
Die Klägerin ist eine Gesellschaft niederländischen Rechts, die zu einer multinationalen Unternehmensgruppe gehört. Diese Gruppe umfasst u.a. die Gesellschaften A und C, die beide ihren Sitz in Belgien haben. A ist Alleingesellschafterin der Klägerin und Mehrheitsaktionärin von C. Im Jahr 2000 erwarb die Klägerin die Mehrheit der Aktien einer Gesellschaft niederländischen Rechts, deren restliche Aktien A erwarb. Die Klägerin finanzierte diesen Erwerb mit bei C aufgenommenen Darlehen. C verwendete dafür Eigenkapital, das sie durch eine von A vorgenommene Kapitaleinlage erhalten hatte. In dem an die Klägerin gerichteten Körperschaftsteuerbescheid für das Steuerjahr 2007 verweigerte der niederländische Staatssekretär für Finanzen den Abzug der von X an C gezahlten Zinsen.
Die Klägerin klagte gegen diese Weigerung vor den niederländischen Gerichten bis zum Obersten Gerichtshof der Niederlande. Dieser stellt fest, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften eine Vermutung aufstellten, wonach die für gruppeninterne Darlehensschulden gezahlten Zinsen eine rein künstliche Gestaltung darstellten oder Teil davon seien. Der Oberste Gerichtshof fragt sich jedoch, ob diese Rechtsvorschriften u.a. mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sind, da sie grenzüberschreitende Situationen benachteiligen könnten, und richtete ein entsprechendes Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH.
Die Gründe:
Die niederländischen Rechtsvorschriften beinhalten tatsächlich eine Ungleichbehandlung, die abschreckende Wirkungen auf die Ausübung der Niederlassungsfreiheit haben können.
Die betreffenden Vorschriften verfolgen allerdings das legitime Ziel der Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Steuerbetrug. Mit ihnen soll verhindert werden, dass das Eigenkapital einer Unternehmensgruppe künstlich als von einem niederländischen Gruppenmitglied aufgenommene Kreditmittel erscheint und die Darlehenszinsen vom steuerbaren Ergebnis in den Niederlanden abgezogen werden. Dieses Ziel gilt auch für die Fälle, in denen, wie im vorliegenden, eine Einheit erst infolge des Erwerbs oder der Erhöhung einer Beteiligung zu einer mit dem Steuerpflichtigen verbundenen Einheit wird.
Die Vermutung rein künstlicher Gestaltungen kann vom Steuerpflichtigen widerlegt werden. Die Prüfung, ob die Voraussetzung der Marktüblichkeit eingehalten wurde, muss sich insbesondere auf die wirtschaftliche Realität der Transaktionen beziehen. Wenn sich der künstliche Charakter eines Geschäfts aus einem ungewöhnlich hohen Zinssatz auf ein solches Darlehen ergibt, das ansonsten die wirtschaftliche Realität widerspiegelt, verlangt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Teil dieser gezahlten Zinsen, der über dem marktüblichen Zinssatz liegt, auszunehmen. Wenn hingegen das in Rede stehende Darlehen selbst wirtschaftlich ungerechtfertigt ist und es ohne eine besondere Beziehung zwischen den betreffenden Gesellschaften und den angestrebten steuerlichen Vorteil niemals aufgenommen worden wäre, steht es mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang, den Abzug dieser Zinsen vollständig zu verweigern.
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