Berechnung der Vergütung des vorläufigen Insolvenzverwalters bei Fortführung des Schuldner-Betriebs anhand des erzielten Überschusses
BGH 2.3.2017, IX ZB 90/15Der weitere Beteiligte wurde im Verfahren über den Antrag der Schuldnerin auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen im August 2010 zum vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt bestellt. Er wurde ermächtigt, im Rahmen der Fortführung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin Masseverbindlichkeiten nach § 55 Abs. 2 InsO zu begründen. Anfang Oktober 2010 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und der weitere Beteiligte zum Insolvenzverwalter bestellt. Er führte den Betrieb der Schuldnerin wie schon im Eröffnungsverfahren auch im eröffneten Verfahren bis Ende März 2011 fort.
Im Juli 2015 setzte das AG - Insolvenzgericht - die Vergütung des weiteren Beteiligten für seine Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer antragsgemäß auf rd. 38.000 € fest. Bei der Berechnungsmasse berücksichtigte es einen aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren erzielten Überschuss i.H.v. rd. 182.000 €. Diesen hatte der weitere Beteiligte aus der Summe der Einnahmen (rd. 379.000 €) und der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens offenen Forderungen (rd. 288.000 €) abzgl. der Ausgaben (rd. 214.000 €) und der im Zuge der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren begründeten, aber noch nicht beglichenen Verbindlichkeiten (rd. 271.000 €) ermittelt.
Für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter beantragte der weitere Beteiligte eine Vergütung i.H.v. insgesamt rd. 121.000 €. In die Berechnungsgrundlage bezog er den durch den Einzug der im Eröffnungsverfahren begründeten Forderungen erzielten Betrag von 288.000 € ein. Einen Abzug für die im eröffneten Verfahren von ihm beglichenen Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren hat er nicht vorgenommen. Als Ergebnis der Betriebsfortführung im eröffneten Verfahren gab er einen Verlust von rd. 278.000 € an.
Das AG kürzte die Berechnungsgrundlage um den Betrag der übernommenen Masseverbindlichkeiten und setzte die Vergütung auf insgesamt rd. 111.000 € einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer fest. Die sofortige Beschwerde des weiteren Beteiligten hatte vor dem LG ebenso wenig Erfolg wie die vorliegende Rechtsbeschwerde vor dem BGH.
Die Gründe:
Der weitere Beteiligte und ihm folgend das AG haben die aus der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren herrührenden, aber erst im eröffneten Verfahren eingezogenen Forderungen und beglichenen Verbindlichkeiten zu Recht dem Eröffnungsverfahren zugeordnet und bei der Berechnung der Vergütung für die vorläufige Insolvenzverwaltung den in diesem Verfahrensabschnitt erzielten Fortführungsüberschuss unter Berücksichtigung der damals noch offenen Forderungen und Verbindlichkeiten einbezogen. Zutreffend sind diese Forderungen und Verbindlichkeiten bei der Ermittlung des Ergebnisses der Betriebsfortführung im eröffneten Verfahren außer Betracht geblieben. Die Zuordnung der in Rede stehenden Masseverbindlichkeiten zum Fortführungsergebnis des Eröffnungsverfahrens hat jedoch nicht zur Folge, dass diese Verbindlichkeiten für die Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters entsprechend dem in § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 1 InsVV niedergelegten Grundsatz ohne Bedeutung wären.
Die Berücksichtigung der Verbindlichkeiten als Abzugsposten bei der Berechnung des vom vorläufigen Verwalter im Eröffnungsverfahren erzielten Überschusses schöpft den Sachverhalt nicht aus. Der Sache nach handelt es sich bei der Begleichung der aus dem Eröffnungsverfahren übernommenen Masseverbindlichkeiten wie auch bei dem Einzug der Forderungen um die Abwicklung der Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters. Die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b InsVV bringt zum Ausdruck, dass im Falle einer Betriebsfortführung nur der dabei erzielte Überschuss bei der Berechnung der Vergütung des Verwalters berücksichtigt werden soll. Dem widerspräche es, offen gebliebene fortführungsbedingte Masseverbindlichkeiten aus dem Eröffnungsverfahren bei der Berechnung der Vergütung des im eröffneten Verfahren tätigen Verwalters unberücksichtigt zu lassen.
Die Aufspaltung der durchgängigen Betriebsfortführung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens in zwei getrennte Abschnitte hätte dann zur Folge, dass das Überschussprinzip nur noch teilweise, nämlich hinsichtlich der Vergütung des vorläufigen Verwalters verwirklicht würde. Der Verwalter im eröffneten Verfahren würde hingegen unabhängig vom Ergebnis seiner Betriebsfortführung davon profitieren, dass die im Eröffnungsverfahren begründeten Masseverbindlichkeiten teilweise unerfüllt blieben und sich dadurch die von ihm verwaltete Masse um mehr als den im Eröffnungsverfahren erzielten Fortführungsüberschuss erhöhte. Der vorläufige Verwalter hätte es in der Hand, die Begleichung von Masseverbindlichkeiten gezielt zurückzustellen und dadurch die Berechnungsgrundlage für die Vergütung im eröffneten Verfahren zu erhöhen.
Wirtschaftlich betrachtet setzt der Insolvenzverwalter die Betriebsfortführung des vorläufigen Verwalters weiter fort. Er übernimmt das vom vorläufigen Verwalter erzielte Betriebsergebnis. Deshalb ist es sachgerecht, offen gebliebene Masseverbindlichkeiten nicht allein bei der Überschussermittlung der Betriebsfortführung im Eröffnungsverfahren zu berücksichtigen, sondern auch bei der Bewertung der vom Insolvenzverwalter verwalteten Masse. Der Wert der Masse ist um den Betrag der aus dem Eröffnungsverfahren herrührenden fortführungsbedingten Masseverbindlichkeiten zu vermindern, soweit andernfalls der Berechnung der Vergütung des Insolvenzverwalters mehr als der im Eröffnungsverfahren erzielte Fortführungsüberschuss zugrunde gelegt würde. Nur eine solche Betrachtung wird dem mit der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 4 S. 2 Buchst. b InsVV verfolgten Zweck gerecht, die Verwaltervergütung im Falle der Betriebsfortführung an deren Erfolg zu orientieren und nicht allein auf die erzielten Einnahmen abzustellen.
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