18.12.2024

Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch

Bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung einer fondsgebundenen Lebensversicherung nach Widerspruch endet der Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen grundsätzlich nicht vor Herausgabe des Erlangten. Für die Beurteilung einer Bereicherung des Versicherers kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Herausgabe- bzw. Ersatzanspruchs an.

BGH v. 11.12.2024 - IV ZR 191/22
Der Sachverhalt:
Der Kläger hatte Ende 2005 mit der Beklagten einen fondsgebundenen Lebensversicherungsvertrag abgeschlossen. Bei der Antragstellung war er nicht über die Dauer der Bindung an seinen Antrag informiert worden. Er erhielt jedoch mehrere Belehrungen über ein Rücktrittsrecht. Die Versicherungspolice datierte vom 29.12.2005. Der Kläger leistete in der Folge Prämien in zwischen den Parteien streitiger Höhe. Die Beklagte zahlte 82.532,87 € in den vom Kläger ausgewählten Fonds ein. Mit am 23.3.2018 der Beklagten zugegangenem Schreiben erklärte der Kläger den Rücktritt vom Versicherungsvertrag. Zu diesem Zeitpunkt betrug der dem Kläger zugewiesene Fondswert 66.764,45 €. In der Folge stieg der Fondswert wieder an.

Der Kläger begehrte von der Beklagten Rückzahlung der eingezahlten Prämien zuzüglich gezogener Nutzungen abzüglich unstreitiger Risikokosten im Wege der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung, in erster Instanz zuletzt 125.211,94 € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 99.141,86 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt. Das OLG hat das Urteil im Berufungsverfahren abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 83.373,44 € nebst Rechtshängigkeitszinsen verurteilt.

Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als die Klage abgewiesen worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gründe:
Die Berufungsentscheidung hielt rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB konnte dem Kläger nicht teilweise mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung versagt werden.

Zu Recht war das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Widerspruchsrecht des Klägers nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. grundsätzlich fortbestand, weil die Beklagte den Kläger nicht ordnungsgemäß über dieses belehrt hatte. Der Vertrag war somit nicht nach dem Antragsmodell, sondern nach dem Policenmodell geschlossen worden, weil die Beklagte bei Antragstellung die nach § 10a Abs. 1 Satz 1 VAG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) erforderliche Verbraucherinformation wegen des Fehlens der Angaben über die Antragsbindungsfrist nicht vollständig erteilt hatte. Selbst wenn die Rücktrittsbelehrungen, die sie dem Kläger übergeben hatte, als Widerspruchsbelehrungen ausgelegt würden, waren diese bereits entgegen § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. nicht hinreichend drucktechnisch hervorgehoben.

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht jedoch der Beklagten den Einwand der Entreicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB zugebilligt und dem Kläger den Ersatz weiterer Nutzungen versagt. Die positive Entwicklung des Fondswertes in der Zeit nach der Ausübung des Widerspruchs kommt dem Versicherungsnehmer als Bereicherungsgläubiger, nicht dagegen dem Versicherer als Bereicherungsschuldner zugute. Nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 und 2 BGB kann der Versicherungsnehmer, dessen wirksamer Widerspruch zur rückwirkenden (ex tunc) Unwirksamkeit des Versicherungsvertrages und damit zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung führt, grundsätzlich die Herausgabe sämtlicher seitens des Versicherers erlangten Prämien bzw. deren Ersatz verlangen.

Anders als das Berufungsgericht meinte, entfällt der Rechtsgrund für die Prämienzahlung im Falle des Widerspruchs nach § 5a VVG a.F. nicht erst mit Ausübung des Widerspruchs und damit "später" i.S.v. § 812 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 BGB, sondern rückwirkend auf den Zeitpunkt des (beabsichtigten) Vertragsschlusses (vgl. Senatsurteil vom 21.3.2018, IV ZR 353/16). Die folglich anwendbaren § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB gewähren einen auf das Erlangte selbst sowie unter anderem auf die daraus gezogenen Nutzungen gerichteten Herausgabeanspruch.

Die folglich anwendbaren § 812 Abs. 1 Satz 1, § 818 Abs. 1 BGB gewähren einen auf das Erlangte selbst sowie u.a. auf die daraus gezogenen Nutzungen gerichteten Herausgabeanspruch. Im Falle der Unmöglichkeit der Herausgabe ist gem. § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Dieser Anspruch auf Herausgabe gezogener Nutzungen endet - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - grundsätzlich auch nicht vor der Herausgabe des Erlangten. Die Beklagte konnte sich mit der gegebenen Begründung des Berufungsgerichts auch nicht auf Entreicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) berufen. Nach der im Rahmen der Abwicklung gegenseitiger nichtiger Verträge anwendbaren sog. Saldotheorie besteht nur ein einheitlicher Anspruch auf Herausgabe des Überschusses der Aktiv- über die Passivposten, der dem Teil zusteht, zu dessen Gunsten sich ein Saldo errechnet. Dabei kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Erfüllung des Herausgabe- bzw. Ersatzanspruchs an.

Die Sache ist mangels konkreter Feststellungen zum Wert der Fondsanteile des Klägers, für den es - vorbehaltlich einer verschärften Haftung der Beklagten - auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung ankommt, noch nicht entscheidungsreif.

Mehr zum Thema:

Beratermodul VersR - Zeitschrift für Versicherungsrecht
Das Beratermodul für den gezielten digitalen Zugriff auf sämtliche Inhalte der VersR zum Versicherungsrecht, zum Schadenrecht und zum Haftungsrecht. Inklusive online Archiv und Selbststudium nach § 15 FAO.
Mit dem Beratermodul VersR haben Sie Zugriff auf das Archiv der Zeitschrift VersR seit 1970 mit jeweils 24 Ausgaben pro Jahr. 4 Wochen gratis nutzen!


Beratermodul Zeitschriften Wirtschaftsrecht
Führende Zeitschriften zum Wirtschaftsrecht, Aktienrecht, Gesellschaftsrecht und Versicherungsrecht stehen hier zur Online-Recherche bereit. Inklusive Selbststudium nach § 15 FAO bei ausgewählten Zeitschriften (GmbHR, ZIP, VersR). Wann immer es zeitlich passt: Für Fachanwälte bietet das Beratermodul Beiträge zum Selbststudium mit Lernerfolgskontrolle und Fortbildungszertifikat. 4 Wochen gratis nutzen!

BGH online
Zurück